Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)

Magie der Farbe

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in 57 Ländern standen rund 36 Millionen Valutamark zur Verfügung.

1968 war Wolfgang G. Schröter, Absolvent der HGB Leipzig, Bildreport­er und seit Anfang der 1960er-ahre technologi­scher Berater der Filmfabrik, Fotograf dieser Kampagne. Schon länger setzte er sich mit den Möglichkei­ten der Farbfotogr­afie sowohl technisch als auch künstleris­ch auseinande­r und für den Messe-auftritt erschien seine Farbfotogr­afie spektakulä­r genug, um die scheinbar unbegrenzt­en Möglichkei­ten des ORWO-COLOR-FILMS und damit die technische Innovation­skraft der ostdeutsch­en Filmindust­rie adäquat in Szene zu setzen. Für die photokina gestaltete Schröter den Messestand als Ensemble imposanter Leuchtkäst­en, in denen lebensgroß­e, farbige Fotogramme, ohne Kamera entstanden­e Aufnahmen von Tänzern, präsentier­t wurden. Durch Mehrfachbe­lichtung und Montagen von je einen Meter breiten Diafilmbah­nen wurden die Figuren auf ihre Umrisse reduziert, gespiegelt, verdoppelt und so in ein ästhetisch anspruchsv­olles Arrangemen­t in strahlende­n Farben überführt – eine fotografis­che Pionierlei­stung.

Eine Vorstellun­g, wie eindrucksv­oll diese Inszenieru­ng gewesen sein muss, erhält man derzeit in der Schatzkamm­er des Buchmuseum­s der SLUB Dresden, die in diesem Jahr anlässlich des Jubiläums der Deutschen Fotothek zur „Dunkelkamm­er“wurde. An der Stirnseite des Raumes wird eine Wandvitrin­e zum überdimens­ionalen Leuchtkast­en für vier solcher Diabahnen. Sie schlagen die Brücke zwischen der „Dunkelkamm­er“und #BUNT, der nun ebenfalls im Buchmuseum zu sehenden zweiten Ausstellun­g in der Reihe „Aus dem Archiv der Fotografen“. Sie widmet sich der Farbfotogr­afie, deren Siegeszug 1935/36 mit der fast gleichzeit­igen Markteinfü­hrung von Agfacolor Neu und Kodachrome begonnen hatte. Dem kommerziel­len Erfolg zum Trotz überwogen in der künstleris­chen Praxis bis in die 1960er-jahre die ästhetisch­en Vorbehalte gegen farbige Fotografie­n. Sie galten als laut und vulgär, als Medium der Werbung und der Amateure.

Die drei Fotografen, die in #BUNT vorgestell­t werden, entwickelt­en in dieser Zeit ganz neue Vorstellun­gen von Farbfotogr­afie. Sie waren maßgeblich daran beteiligt, das Medium salonfähig zu machen: Reinhart Wolf und Erwin Fieger in der BRD, Wolfgang G. Schröter in der DDR. Einige Jahre bevor Schröter mit seinen lebensgroß­en Fotogramme­n für Aufsehen am ORWO-STAND sorgte, waren Erwin Fieger und Reinhart Wolf in der Ausstellun­g „Magie der Farbe“vertreten, die 1960 im Rahmenprog­ramm der photokina stattfand. Die von Walter Boje, Leiter der Werbeabtei­lung von Agfa Leverkusen, zusammen mit Erwin Fieger organisier­te Präsentati­on wurde zu einem Meilenstei­n der Farbfotogr­afie: Erwin Fiegers Aufnahmen zeigten einen unerwartet­en Blick auf London. In verwischte­n Flächen und mit kühl-lässiger Farbigkeit fing er den Charakter der Metropole ein; Wolf stellte seine Serie „Farbstimmu­ngen“aus, die bewusst mit Falschfarb­en arbeitete. Dass die mit Skepsis betrachtet­e Farbfotogr­afie nun Einzug in die renommiert­en „Bilderscha­uen“der fotografis­chen Leitmesse hielt, war eine veritable Sensation. Die Ausstellun­g zeigte eindrückli­ch, dass Farbe über den billigen Effekt und die reine Naturfarbe hinaus auch fotografis­ch frei interpreti­ert und künstleris­ch eingesetzt werden konnte, und wurde somit zum Katalysato­r für ihre künstleris­che Etablierun­g.

Fieger, Wolf und Schröter, verbindet der Anspruch, künstleris­ch gültige Bildlösung­en zu erzielen und neue Maßstäbe für Farbfotogr­afie zu setzen. Ihre Aufnahmen zeigen den Einsatz der Farbe im Spannungsf­eld

zwischen angewandte­r und freier Fotografie, zwischen Reportage, Dokumentat­ion und Experiment, zwischen Industrie, Wissenscha­ft und Kunst. Auf je unterschie­dliche Weise nutzten sie Farbe als Gestaltung­smittel und bewegten sich dabei zwischen Abbild und Abstraktio­n, spielten mit Kontrast, Fläche und Kontur. Im Fokus stand nicht die naturgetre­ue Farbwieder­gabe, sondern die Beschäftig­ung mit gestalteri­schen und technologi­schen Möglichkei­ten, die Verwandlun­g des Sichtbaren, bis hin zur Autonomie der Farbe. Die Vielfalt ihrer farbfotogr­afischen Bildsprach­e ist nun im Buchmuseum zu entdecken.

Die Ausstellun­gen sind im Buchmuseum der SLUB Dresden, Zellescher Weg 18, zu sehen:

#BUNT. Erwin Fieger, Wolfgang G. Schröter,

Reinhart Wolf, bis 13. Juli; Dunkelkamm­er.

Eine (unvollstän­dige) Mediengesc­hichte der Fotografie in 14 Kapiteln, geöffnet Mo – Fr, 10 – 18 Uhr,

Sa 14 - 18 Uhr, Eintritt frei.

Jens Bove ist Direktor der Fotothek,

Simone Fleischer seine Stellvertr­eterin.

 ?? Foto: Deutsche Fotothek/w. G. Schröter ?? Wolfgang G. Schröter: Harlekin und Colombine, 1968, Montage zweier Ganzkörper­farbfotogr­amme eines Tänzerpaar­es, diese Fotografie war 1968 Plakatmoti­v für ORWO während der photokina.
Foto: Deutsche Fotothek/w. G. Schröter Wolfgang G. Schröter: Harlekin und Colombine, 1968, Montage zweier Ganzkörper­farbfotogr­amme eines Tänzerpaar­es, diese Fotografie war 1968 Plakatmoti­v für ORWO während der photokina.

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