Sächsische Zeitung (Bautzen- Bischofswerda)
Der notorische Nazi-verharmloser
Die Ss-relativierung von Afdspitzenpolitiker Maximilian Krah ist kein Einzelfall. Aber ohne Empörung aus dem Ausland wäre auch sie in Deutschland womöglich verhallt.
Deutlicher kann man die Untaten des Nationalsozialismus nicht leugnen: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.“Mit diesen Worten spricht der Dresdner Afd-spitzenkandidat für die
Europawahl, Maximilan Krah, per Video von 2023 sämtliche damals lebenden Deutschen kollektiv von jeglicher
Schuld, Mitschuld und Verantwortung für die Ns-verbrechen frei, inklusive Holocaust. Die Reaktionen in Öffentlichkeit, Politik und Medien: unhörbar bis nicht vorhanden.
Auch bei Krahs neuester Relativierung des Nationalsozialismus brauchte es zunächst die Empörung der französischen Rechtsextremistin Marine Le Pen über ein Interview des Sachsen mit der italienischen Zeitung La Repubblica, um endlich auch in Deutschland Reaktionen auf dessen fortgesetzten Geschichtsrevisionismus hervorzurufen. Krah hatte am Sonnabend dem Blatt gesagt, es habe in der SS „sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen,“gegeben, „aber nicht nur“. Eine Äußerung, die angesichts der Einstufung der SS als insgesamt verbrecherische Organisation und deren maßgeblicher Beteiligung am Holocaust und Terror in den damals besetzten Ländern mindestens heikel und relativierend ist – zurückhaltend gesagt.
Rauswurf aus der Eu-fraktion
Seit Björn Höckes Rede in Dresden 2017 und Alexander Gaulands Spruch vom Dritten Reich als „Vogelschiss“im Folgejahr ist sonnenklar: Die AFD testet schrittweise aus, wie weit sie mit ihren Ns-relativierungen gehen kann. Nicht minder klar ist: Sie kann sehr weit gehen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Weil viele Mitglieder und Gefolgschaftler Leuten wie Höcke, Krah und Gauland all das entweder „nur“durchgehen lassen – oder aber selber genauso faschistisch und neonazistisch denken. Gerät die AFD über solche Sprüche doch einmal intern ins Straucheln, werden diese Verharmlosungen stets bagatellisiert, gerne als „Ausrutscher“von „Einzelfällen“.
Zwar hat die Partei nun verkündet, dass Krah den Bundesvorstand verlasse und bis zum Wahltag an keiner Veranstaltung teilnehmen werde. Doch geschah das wohl weniger wegen dessen Ns-relativierungen. Sondern weil Le Pens Partei die Zusammenarbeit mit der AFD in der gemeinsamen Eufraktion ID deswegen aufgekündigt hatte.
Spitzenkandidat für die Eu-wahl darf der zudem unter Korruptionsverdacht stehende Dresdner dennoch bleiben. Wahrscheinlich aber als Fraktionsloser: Laut Zdf-informationen hat die Id-fraktion im Eu-parlament am Donnerstag Krahs Rauswurf beschlossen. So besehen wird es doppelt spannend, wie viele Sächsinnen und Sachsen dem Ex-anwalt, Ns-verharmloser und Geschichtsrevisionisten am 9. Juni ihre Stimme trotz allem geben. Beziehungsweise „jetzt erst recht“.