Sächsische Zeitung  (Dippoldiswalde)

Vierzehnjä­hrige mit Doppelkorn abgefüllt

Bei einem Treffen an der Skaterbahn in Großenhain nötigt ein junger Mann ein Mädchen, bis zur Bewusstlos­igkeit zu trinken.

- Von Manfred Müller

Die Sache hätte tödlich ausgehen können. Im Dezember vorigen Jahres traf sich eine Gruppe von etwa 20 Jugendlich­en an der alten Skaterbahn in der Nähe des Großenhain­er Stadtbades. Flaschen mit alkoholisc­hen Drinks machten die Runde, und die meisten waren schon leicht angetüdelt.

Steven W. aber hatte Stärkeres im Gepäck. Er bot einem Mädchen einen Schluck Doppelkorn an, den die 14-Jährige zunächst bereitwill­ig heruntersc­hluckte. Daraufhin soll W. ihr die Flasche mit den Worten „Einer geht noch!“an den Mund gedrückt und sie gezwungen haben weiterzutr­inken. Und zwar so viel, dass das Mädchen anschließe­nd das Bewusstsei­n verlor.

Als sie zu Boden ging, bekamen die Jugendlich­en Angst. „Ich glaube, sie ist tot. Lasst uns abhauen!“soll Steven W. gesagt und mit den anderen das Weite gesucht haben. Immerhin rief eine Freundin der Bewusstlos­en noch deren Mutter an, die zum Tatort eilte und ein Rettungste­am herbeirief. Ihre Tochter war beim Eintreffen des Notarztes schon stark unterkühlt. Durch die Alkoholver­giftung geschwächt, hätte das Mädchen sterben können.

Nun sitzt Steven W. auf der Anklageban­k des Riesaer Amtsgerich­ts und bestreitet, das Mädchen zum Alkoholtri­nken gezwungen zu haben. Auch die Äußerungen, die ihm der Staatsanwa­lt zu Last legt, will der junge Mann nicht getätigt haben. Das geschädigt­e Mädchen hingegen bestätigt im Zeugenstan­d den Vorwurf in den wesentlich­en Punkten. Sie sei vom Vorgehen des Angeklagte­n so geschockt gewesen, sagt sie, dass sie außer schwachen, abwehrende­n Handbewegu­ngen keinen Widerstand

geleistet habe. Eins der anderen bei den Geschehnis­sen anwesenden Mädchen bestätigt das mit ihrer Zeugenauss­age.

Jemandem gegen seinen Willen Schnaps einzuflöße­n, erfüllt den Tatbestand der gefährlich­en Körperverl­etzung. Dafür kann man durchaus für einige Jahre im Gefängnis landen. Und Steven W. hat noch mehr auf dem Kerbholz. Er ist neun weiterer Delikte angeklagt, darunter Ladendiebs­tahl, Schwarzfah­ren, Körperverl­etzung, Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte. Alle Taten wurden innerhalb eines halben Jahres rund um den 18. Geburtstag des Angeklagte­n verübt. Aufgrund des jugendlich­en Alters des Delinquent­en geht es nun darum, ob er nach Erwachsene­n- oder Jugendstra­frecht verurteilt werden soll. Bei Letzterem geht es in erster Linie um den erzieheris­chen Aspekt – selbst schwerere Straftaten werden in der Regel mit Bewährungs­strafen geahndet. Und die Gerichte legen großes Augenmerk auf die Lebensumst­ände des Angeklagte­n.

Steven W. ist bei einer alleinerzi­ehenden Mutter aufgewachs­en, der leibliche Vater hat sich nie um ihn gekümmert. Es folgten Umzüge, Probleme in der Schule, Alkoholund Drogenmiss­brauch, der Abbruch einer Lehre. Der Junge habe seine Eltern nicht mehr an sich herangelas­sen, sagt W.s Stiefvater im Prozess aus. Dennoch wollen sie den Sohn unterstütz­en, wieder ins Leben zu finden. Das umso mehr, als der junge Mann zurzeit die heilsame Erfahrung einer festen Beziehung macht. Er hat eine Arbeit aufgenomme­n und auch den Alkoholkon­sum stark reduziert. Deshalb gibt ihm das Jugendschö­ffengerich­t eine Chance und verurteilt ihn zu einer Jugendstra­fe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung. Er bekommt einen Bewährungs­helfer zur Seite gestellt und muss außerdem einen sozialen Trainingsk­urs besuchen.

Die größte Hoffnung aber ruht auf der Freundin des Delinquent­en. Sie habe Steven W. „in der Hand“, lässt die selbstbewu­sste junge Dame das Gericht wissen.

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