Sächsische Zeitung (Dippoldiswalde)
Raumausstatter schließt nach 145 Jahren
Die Stadt Frauenstein verliert mit dem Traditionsunternehmen Gahmig ein Stück Geschichte. Doch es soll in dem Geschäft am Markt auch einen Neuanfang geben.
In Frauenstein geht eine mehr als 145-jährige Firmengeschichte zu Ende. Das Familienunternehmen Gahmig, als Raumausstatter und Lederwarenhändler heute in vierter Generation von Margitta Gahmig betrieben, schließt sein Geschäft. Und dafür gibt es verschiedene Gründe. Aber leer stehen soll das über Jahrzehnte mit seinen ganzheitlichen Raumkonzepten weithin bekannte Unternehmen nicht. Denn es wird einen Neuanfang in den Räumen an der Frauensteiner Haingasse/Ecke Markt geben. Doch von vorn. Tag für Tag stand Margitta Gahmig seit 1983 in ihrem Geschäft, verkaufte Lederwaren, beriet Kunden zu Gardinen, Vorhängen, Sonnenschutz sowie zur Gestaltung mit Polsterstoffen, Fußböden und vielem mehr. Moderne Produkte hielt das Unternehmen ebenso bereit wie Traditionelles.
In der Werkstatt gleich nebenan arbeitete ein Team mit bis zu neun Angestellten und ihr Mann Rainer Gahmig. Sie polsterten Möbel, waren ebenso viel unterwegs, um in Gebäuden zwischen Frauenstein und Dresden Räume im wörtlichen Sinne vom Fußboden bis zur Decke zu gestalten.
Als ihr inzwischen verstorbener Mann schwer erkrankte, führte Margitta Gahmig ab 2015 das Unternehmen allein weiter. In Frauenstein ist sie eigentlich aus dem Stadtgeschehen kaum wegzudenken. Doch nun muss sie die Reißleine ziehen. Ihre Kraft lässt wegen einer Krankheit ebenfalls nach. „Es wird mir einfach zu viel“, sagt die 67-Jährige. Derzeit läuft der Ausverkauf in dem Geschäft und das noch bis zum 9. Februar jeweils donnerstags, freitags und samstags.
Lederwaren vom Sattlermeister
Gewerkelt wird in der Werkstatt nebenan aber noch immer. „Mein Kollege Andreas Hennig, der schon mehr als 30 Jahre unserer Firma die Treue hält, übernimmt weiterhin Fußbodenarbeiten aller Art“, sagt Margitta Gahmig. Sie aber schließt ihr Geschäft am 10. Februar endgültig. Damit geht mit der vierten Generation jene Ära zu Ende, die vor 145 Jahren in einem traditionsreichen Frauensteiner Haus begann. 1879 wurde in der Frauensteiner Haingasse 4 – wo der berühmte Orgelbaumeister Gottfried Silbermann von 1686 bis 1699 seine Jugendzeit verlebte – der Familienbetrieb Gahmig gegründet.
Der Frauensteiner Sattlermeister und Wagenbauer Ernst Gahmig fertigte von da an Lederwaren für die Bürger und die Landwirtschaft, ebenso Planen und Polstermöbel.
1920 übernahm Sohn Johannes Gahmig den elterlichen Betrieb. Der Sattlerund Tapezierermeister stellte unter anderem Schulranzen her, kämpfte sich durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges und begann danach fast wieder von vorn. „Er wiederum übergab die Firma 1950 an seinen Sohn Rudolf, der ihn durch die schwierige DDR-Wirtschaft steuerte. Von ihm übernahm mein Mann Rainer als Tapezierermeister 1983 den Raumausstatterbetrieb“, blickt Margitta Gahmig zurück.
Nach der Wende erlebte das Familienunternehmen einen großen Aufschwung, denn die Möglichkeiten, die Produktpalette
und die Aufträge wurden vielfältiger. „Ich war oft selbst auf Schulungen und mit meinem Mann zu Messen. So haben wir uns weitergebildet und konnten immer wieder Neues und Modernes anbieten“, erzählt Margitta Gahmig. Kunden aus der gesamten Umgebung von Frauenstein hielten Gahmigs die Treue. Wenn Margitta Gahmig ihr Geschäft aufgegeben hat, soll danach hinter den großen Schaufenstern eine Zeit lang gewerkelt werden. In dem Laden ist ein Neuanfang vorgesehen.
Das Frauensteiner „Wandereck“zieht in die Räume ein. Quasi von einem Eck zum anderen verlegt Inhaberin Janika
Heinrich ihr Angebot rund ums Wandern und den Sport. Und mit dem „Wandereck“zieht gleichzeitig die Frauensteiner Postfiliale in das neue Domizil, diese betreibt die 49-Jährige ebenfalls.
„Ich habe einen Laden gesucht mit großen Schaufenstern und wollte auch am Markt bleiben“, erklärt die Reichenauerin den dritten Umzug innerhalb der Stadt. Seit 15 Jahren ist die Geschäftsinhaberin in Frauenstein aktiv, denn „auch kleine Orte brauchen guten Handel“, sagt sie. Stammkunden kommen wegen des großen Angebots zu ihr. Eröffnen möchte sie am 2. April. (FP)