Sächsische Zeitung (Dippoldiswalde)
Zweimal Diagnose Krebs – „Ich möchte noch ein bisschen leben“
Hans-Holger Hauck erhält die Schockdiagnose Krebs zweimal in seinem Leben und findet Hilfe. Mit seiner Geschichte will er anderen Mut machen.
Es fing an mit Rückenschmerzen. Fast schon eine Volkskrankheit, denn Rückenschmerzen gehören laut dem RobertKoch-Institut zu den häufigsten Schmerzproblemen der Deutschen. Doch für HansHolger Hauck begann damit eine schwere Zeit in seinem Leben, ein „Martyrium“, wie er es nennt.
Der damals 66-Jährige hat viele Orte in der Welt sein Zuhause genannt, war immer auf Trab. Der gebürtige Norddeutsche lebte viele Jahre in China, in Australien, stets am Arbeiten, immer größere Projekte, immer mehr Stress. Irgendwann kam er mit seiner Frau zurück nach Deutschland, das gemeinsame Kind sollte eine gute schulische Ausbildung erhalten. Bis dahin hatte HansHolger Hauck auf der Überholspur gelebt. Doch dann kamen 2021 die Rückschmerzen, die ihn ausbremsten. Hinzu kamen Schweißausbrüche, die er bis dato nie hatte. „Ich dachte, dass irgendetwas nicht stimmt. Kein Mensch hat einfach so Schmerzen“, erinnert er sich. Er ging zum Urologen, zum Hausarzt, aber es wurde kein Grund für sein Leiden gefunden. Die Schmerzen im oberen Rücken wurden stärker. Eine Computertomografie, kurz CT, brachte schließlich einen Zufallsbefund. In seiner linken Niere wurde ein Tumor entdeckt, ein Fortsatz ragte in die Vene hinein. „Da denkt man in dem Moment: Das war’s.“
Hans-Holger Hauck litt an einer sehr seltenen Krebs-Unterart. Eine Chemotherapie, die bei anderen Krebspatienten angewandt wird, wäre bei ihm deshalb nicht sinnvoll. Die Ärzte überlegten, was zu tun ist und entscheiden sich für eine Operation. Im Februar 2021 wurde Hans-Holger Hauck in Leipzig eine der beiden Nieren entfernt. Der Körper kommt ohne Vorerkrankung problemlos mit nur einer Niere aus. „Ich dachte: Da hab ich noch mal Glück gehabt“, sagt Hauck heute.
Völlig fertig beim zweiten Mal
Er ging damals regelmäßig zur Untersuchung, um zu überprüfen, dass sich keine Metastasen bilden und der Krebs besiegt ist. Zwei Jahre ging es Hans-Holger Hauck gut. Doch im Oktober 2023 folgte der nächste Schock. In seiner Leber hatten sich fünf Metastasen gebildet, der Krebs hatte also gestreut. „Wenn man das zweite Mal so etwas hört, ist man völlig fertig“, sagt Hans-Holger Hauck. Das Schlimmste sei für ihn gewesen, dass man ihn als Patienten mit dieser Diagnose alleingelassen habe. „Ich bin nun mal ein Laie und wusste nicht, was jetzt mit mir passiert.“
Er suchte Hilfe und fand sie in Dresden. Die Klinik für Viszeral- und Thoraxchirurgie des Städtischen Klinikums ist spezialisiert auf gut- und bösartige Erkrankungen der Leber und anderer Organen. Mehrfach wurde das Klinikum von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert und als Kompetenzzentrum für Erkrankungen der Leber und Bauchspeicheldrüse ausgezeichnet. Sören Torge Mees, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, nimmt sich des Patienten Hauck an.
„Es ging darum, keine Zeit zu verlieren“, sagt der Mediziner. Vorher musste geklärt werden, von welcher Behandlung Hans-Holger Hauck am meisten profitiert. Immer noch handelte es sich um eine seltene Krebs-Unterart. Mediziner mehrerer Fachrichtungen diskutierten und entschieden sich für eine Operation, bei der der rechte Leberlappen entfernt wird. „Damit kann man gut leben, denn die Leber wächst wieder“, erklärt Sören Torge Mees. Für den Eingriff kam moderne OP-Robotik zum Einsatz. Diese wird bei komplexen Operationen angewendet. Der „DaVinciRoboter“ermöglicht dem Arzt, vier Roboterarme und deren Instrumente am OPTisch wenige Meter entfernt an einer Konsole zu steuern. „Insbesondere bei der Tumormedizin ist es wichtig, den Tumor zu entfernen und möglichst viel gesundes Gewebe zu erhalten“, sagt der Chefarzt.
Operiert wurde in diesem Fall im
Schlüssellochprinzip. Dafür werden vier kleine Schnitte am Oberkörper des Patienten vorgenommen, in die die Roboterarme und eine hochauflösende Kamera eingeführt werden. Früher hätte eine solche OP einen 40 Zentimeter langen, L-förmigen Schnitt über den Oberkörper mit sich gebracht und damit eine riesige Wunde. Heute bleiben vier kleine Narben.
„Es war das Härteste, was ich je in meinem Leben gemacht habe. Aber ich möchte halt noch ein bisschen leben“, sagt HansHolger Hauck heute. Neun Tage bieb er damals im Städtischen Klinikum in Friedrichstadt im Krankenbett. Mit nur einer Niere und etwa 45 Prozent seiner Leber lebt er weiter. Inzwischen, so Chefarzt Mees, sei die Leber wahrscheinlich wieder auf 60 Prozent angewachsen. Es ist Glück im Unglück, dass bei Hans-Holger Hauck zwei Organe erkrankten, bei denen der menschliche Körper einen Teilverlust überleben kann. Nach der Operation ist war er anfangs kraftlos. Das ist nicht verwunderlich, denn die Leber ist ein aktives Stoffwechselorgan und Entgiftungszentrale des Körpers. Der 68-Jährige kam die Treppe nicht mehr hoch und fühlte sich manchmal „wie ein Spitzensportler, der sich verausgabt hat“. Es machte ihm Angst, doch es wurde Schritt für Schritt ein bisschen besser. Jetzt, vier Monate später, fühlt sich der Patient wieder fit. „Ich hätte nicht erwartet, dass man sich so schnell erholt.“
Heute genießt Hans-Holger Hauck das Leben, so gut es eben geht. Mit 66 Jahren hat ihn die Krebserkrankung zur Vollbremsung gezwungen – und die hat er auch gebraucht. „Wenn ich heute zurückschaue, würde ich jedem empfehlen, mit dem Arbeiten aufzuhören und das Leben zu genießen“, sagt er. Er sei kein Aufgebertyp, bemitleidet sich nicht selbst. „Man muss den Menschen auch ein bisschen Mut machen“, sagt er und hofft, dass er die schwierigste Aufgabe seines Lebens nun hinter sich lassen kann.