Sächsische Zeitung (Dippoldiswalde)
Ein Nazi beim Fastenbrechen im Ramadan: Film räumt mit Vorurteilen auf
Vielen ist der Islam fremd. Mit einem humorvollen Streifen wollen ihn Laiendarsteller anderen erklären. Gedreht wurde auch in Rabenau.
Klappe, die fünfzehnte: Noch immer ist die Szene nicht im Kasten. Seit Stunden schon stehen die 15-jährige Aleyna, ihre Mutter Anni Güngör sowie weitere Darsteller vor der Kamera von Regisseur Andreas Hüttner, um für ihre Episodenkomödie das Beste zu geben. Ein ums andere Mal wiederholen die Laienkünstler die Szene, während draußen hungrige Gäste auf ihre Bestellung warten. Sie werden über ein Fenster bedient.
Der Dreh läuft im Rabenauer Dönerhaus von Azzadhino Billal alias Billy. Sein Lokal bietet für diesen einen Akt die perfekte Kulisse. Vor etwa einem Jahr hatte es den 32-jährigen Türken von Österreich ins Städtchen zwischen Dresden und Osterzgebirge verschlagen. Am Drehtag wird er Teil der Filmproduktion. Er ist als Statist gefragt. Gleichzeitig hält der Mann vom Dönergrill den Betrieb aufrecht.
In gewisser Weise ähnelt sein Lebenslauf dem von Ali. Die Hauptfigur des Films – ein Muslim – kommt ebenfalls nach Deutschland, um hier Fuß zu fassen. Alis Alltag ist dabei geprägt von Missverständnissen und Widerständen.
Arzu, um die sich in dem Streifen eine separate Geschichte spannt, ergeht es nicht viel anders. Die junge Frau erfährt, wie sich Leon in sie verliebt. Allerdings blockt die Tochter eines afghanisch-türkischen Paares sämtliche Annäherungsversuche ab. „Sie will ihrer Religion treu bleiben“, erklärt Anni Güngör die Zwicklage, in der sich ihre Filmtochter befindet. „Ehre und Stolz bedeuten ihr sehr viel.“
Migranten aus muslimisch geprägten Herkunftsländern sind in der Regel stark gläubig – unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Das geht aus einem Forschungsbericht des Amtes für Migration und Flüchtlinge hervor. Musliminnen seien in dem Fall etwas gläubiger als männliche Muslime. Religiöse Regeln und Praktiken würden vielfach eingehalten und in das alltägliche Leben integriert.
Dazu zählt beispielsweise das Fasten während des Ramadans, der in diesem Jahr am 10. März begann und am 9. April endete. In diesem Zeitraum ist zwischen Sonnenaufund Sonnenuntergang vieles nicht gestattet. Dazu zählen neben dem Essen und Trinken auch das Rauchen, Sex und Dinge, die mit Genuss in Verbindung gebracht werden könnten.
„Wir sind dankbar dafür, dass wir zu späterer Stunde etwas essen können“, sagt Anni Güngör in Hinblick auf das allabendliche Ritual des Fastenbrechens, bei dem Familie, Freunde oder die Gemeinde zum Festmahl zusammenkommen. „Das geschieht dann umso feierlicher.“Das Ganze erfolge in Erinnerung an Schöpfer Allah, der den Menschen auftrug, auf Verbotenes zu verzichten. „Und das funktioniert umso besser, wenn ihnen das Lebensnotwendige zeitweise verwehrt bleibt.“
Doch nicht nur damit setzt sich der Film auseinander, an dem Protagonisten aus Deutschland, Syrien, der Türkei, Afghanistan, Tschetschenien, Libyen und Somalia mitwirkten. „Auch werden Begegnungen mit extremen Weltanschauungen und Klischees, die hierzulande vorherrschen, in lustiger Weise bedient“, weiß Aleyna zu berichten. Sie nennt ein Beispiel. „Eichler, ein junger Nazi, will sich die Haare schneiden lassen. Als ihm der Friseurmeister mitteilt, dass sein Azubi Mustafa das machen wird, sträubt er sich zunächst dagegen. Am Ende freunden sich beide an und erleben gemeinsam das Zuckerfest, wobei der Nazi von der Gastfreundschaft etwas überfordert scheint.“
Das Resultat ist eine mitreißende Story, die mit viel Augenzwinkern erzählt wird, finden Anni Güngör und ihre Tochter. „Deutsches Sprichwort sagt“lautet der Titel der Produktion, die letztendlich der Lebensweisheit „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“große Beachtung schenkt. Unter diesen Aspekt sollte nach Ansicht der beiden das Miteinander hierzulande wieder ein Stück weit gestellt werden.
„Wir möchten den Islam den Menschen, denen er fremd ist, auf unterhaltsame Weise näherbringen.“Es handele sich dabei um eine friedvolle Religion, die allerdings von der Politik oftmals missbraucht werde.
Aleyna fügt hinzu: „Ich hoffe, dass die Zuschauer nicht allzu sehr irritiert sind über unseren Humor. Der ist mitunter schon sehr schwarz.“Besonders gespannt ist sie auf die zusammengefassten Patzer im Abspann, die sogenannten Outtakes.
Die Schülerin wünscht sich, dass die Episodenkomödie, sobald der Feinschliff erledigt ist, beim Publikum ankommt. Das Werk soll am 4. Mai ab 14 Uhr in der Dresdner Schauburg erstmals in voller Länge zu sehen sein.
Laut dem Kinder- und Elternzentrum „Kolibri“, bei dem als Projektträger alle Fäden zusammenlaufen, entstand der Kurzfilm als Ergebnis einer spannenden Recherche zum Thema „Muslimisches Leben in Sachsen“. Das Ganze sei im Rahmen des Projekts „Filmwerkstatt Weltoffene Jugend“erfolgt, für das auch Drehorte in Dresden genutzt wurden – darunter ein Barbershop in Pieschen.
Im vergangenen Jahr hatten sich Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund unter diesem Dach zusammengefunden. Es ist inzwischen ihre zweite Produktion. In einem ersten Teil porträtierten die jungen Darsteller das Leben einer Jüdin in Dresden.