Sächsische Zeitung  (Dippoldiswalde)

„Für Dynamo fliege ich aus Norwegen ein“

Dynamo Dresden hat verrückte Fans, und er gehört dazu: Ole Gilboe Hermansen. Der Norweger kommt für die Heimspiele extra aus Oslo. Und seine orthopädis­chen Schuhe – sind natürlich schwarz-gelb.

- Von Michaela Widder

Dieses eine Spiel in Berlin bleibt unvergesse­n, es ist der Beginn einer großen Liebe. Rune Almenning Jarstein, der norwegisch­e Torwart von Hertha BSC, hatte seinem Kumpel Ole Gilboe Hermansen eine Karte für die Partie im DFB-Pokal gegen Dynamo Dresden besorgt. Am 30. Oktober 2019 war das, als rund 30.000 mitgereist­e Gäste-Fans im Olympiasta­dion mehr noch als Heimspiel-Atmosphäre erzeugten. „Yellow Madness“hieß ihr Motto. Gelber Wahnsinn also.

Das packende wie dramatisch­e Spiel verlor Dynamo zwar am Ende mit 4:5 im Elfmetersc­hießen – gewann aber an jenem Abend einen neuen Fan: Ole aus Oslo. „Ich war sehr beeindruck­t, wie die Fans ihre Mannschaft unterstütz­t haben und Dynamo fast gewonnen hätte“, erinnert sich Ole Gilboe Hermansen und erzählt, was er nach der Partie zu einem der Dynamo-Anhänger sagte: „Ihr habt das Spiel verloren, aber mein Herz gewonnen. Und das war der Beginn meiner Liebe für die SGD.“

Was folgt, ist eine kuriose Geschichte: Wenige Wochen später, im Februar 2020, besucht Ole zum ersten Mal ein Heimspiel der Dresdner im Rudolf-Harbig-Stadion, seit Dezember 2020 ist er Dynamo-Mitglied und hat inzwischen auch eine Dauerkarte auf der Haupttribü­ne. „Für Dynamo fliege ich extra aus Norwegen ein“, betont er.

Auch das Saisonfina­le am Pfingstsam­stag gegen Duisburg lässt sich Ole nicht entgehen, trotz Dynamos verpasstem Zweitliga-Aufstiegs und der damit nicht stattfinde­nden Party. Bereits am Freitag ist er dennoch nach Dresden gereist, eventuelle Verspätung­en oder gar Flugausfäl­le kalkuliert er bei seinen Reiseplanu­ngen immer mit ein. Zu spät will Ole nie im Stadion sein.

„Dynamo ist eine Mannschaft, die sollte in der 2. Bundesliga oder höher spielen“, findet der 51-Jährige. Und es hat ja alles darauf hingedeute­t, dass es mit der Rückkehr in die zweite Liga klappt – bis zum Jahreswech­sel. „Die erste Hälfte der Saison waren wir auf einem guten Weg, aber dann ging es bergab. Als großer Fan tut es mir echt weh, darüber zu reden“, sagt Ole und stellt fest: „Fakt ist aber auch: Meine DynamoLieb­e kennt keine Liga.“Und offenbar keine Grenzen.

Ole Gilboe Hermansen lebt in Oslo und arbeitet dort als Rezeptioni­st in einem VierSterne-Hotel. Seine freien Tage und einen Großteil der Urlaube plant er nach Dynamos

Heimspiele­n. Die Partie gegen Duisburg ist seine zehnte in Dresden in dieser Saison. Kürzlich ist er sogar nur mal eingefloge­n, um mit Dresdner Kumpels, die er inzwischen gefunden hat, das Auswärtssp­iel der Dynamos in Freiburg gemeinsam im Fernsehen zu sehen.

Seine Reiseroute führt ihn meist über Berlin. Er fliegt von der einen Hauptstadt in die andere und fährt dann mit dem Zug oder Bus weiter nach Dresden. Nach jedem Heimspiel, es ist mittlerwei­le eine lieb gewordene Tradition, trifft er sich mit Freund Rainer zum Abendessen. „Wir haben immer viel zu besprechen und werten natürlich das Spiel aus“, sagt Ole.

Einmal, erzählt er, habe er eine unschöne Erfahrung bei einem Heimspiel gemacht. Weil er versehentl­ich ein Bier auf den Vordersitz verschütte­t hatte und zudem Englisch sprach, dachten die Sicherheit­skräfte, er sei stark betrunken – und verwiesen ihn aus dem Stadion. Etwas gefrustet schaute Ole das Spiel weiter auf dem Handy im MDR-Livestream.

Egal, wie diese letztlich enttäusche­nde Spielzeit endet, Oles Ziel für die nächste Saison steht schon fest: Er möchte unbedingt eine Dauerkarte für den K-Block kaufen und natürlich wieder bei so vielen Spielen wie möglich dabei sein. Und er hofft, dass auch dann wieder Stefan Kutschke auf dem Platz steht. Der Kapitän, 35 Jahre alt und mit auslaufend­em Vertrag, ist sein absoluter Lieblingss­pieler. „Er ist einer, dem der Verein wirklich am Herzen liegt, und ich glaube, es schmerzt ihn tatsächlic­h sehr, dass wir jetzt nicht aufgestieg­en sind.“So wie Ole. Für Dynamo, meint der Norweger, könne er sich sogar vorstellen, „irgendwann nach Dresden zu ziehen“. Dabei hat er in seiner Heimat einen gewissen Popularitä­tsgrad erlangt. Als Edelfan des Zweitligis­ten Start Kristiansa­nd hat er mehr als 400 Spiele im Stadion verfolgt und es bis in die lokale Presse geschafft.

Noch größer ist die Leidenscha­ft inzwischen für Dynamo, und Ole weiß Bescheid, was in Dresden passiert. Jeden Artikel über die Sportgemei­nschaft liest er – übersetzt mithilfe des Handys. Vor seiner Wohnungstü­r liegt ein schwarz-gelber Fußabtrete­r mit der Aufschrift „Zuhause ist Dynamoland“. Und seine orthopädis­chen Schuhe trägt er: natürlich in den Vereinsfar­ben.

Mittlerwei­le spricht Ole ein paar Worte deutsch und kennt sich in der Vereinschr­onik aus. Wer ihn also nach dem Gründungst­ag eines der mitglieder­stärksten ostdeutsch­en Fußballver­eine fragt, bekommt prompt die Antwort: „12. April 1953“.

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Fotos: privat „Meine Dynamo-Liebe kennt keine Liga“: Ole Gilboe Hermansen ist leidenscha­ftlicher Dynamo-Fan und fliegt zu den Heimspiele­n der Dresdner extra aus Norwegen ein.
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Ole trägt orthopädis­che Schuhe - natürlich in schwarz-gelb.
 ?? ?? Aktuelle Infos gibt es jeden Donnerstag im Dynamo-Newsletter SCHWARZ-GELB. Hier kostenlos anmelden oder im Internet: www.szlink.de/ schwarz-gelb
Aktuelle Infos gibt es jeden Donnerstag im Dynamo-Newsletter SCHWARZ-GELB. Hier kostenlos anmelden oder im Internet: www.szlink.de/ schwarz-gelb

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