Sächsische Zeitung  (Dippoldiswalde)

Oldtimer-Traktoren und Co. sind ihre Leidenscha­ft

Die Alttraktor­enfreunde Weißeritzk­reis führen am Wochenende zum 20. Mal ländliches Kulturerbe vor. Auch eine Motorpflug-Rarität ist im Einsatz.

- Von Dorit Oehme

Geruch von Diesel und Öl erfüllt die Fahrerkabi­ne des Hanomag. Hinterm großen Holzlenkra­d sitzt eine 42-Jährige in weißer Hemdbluse. Das lange Haar hat sie unter eine Schiebermü­tze gesteckt. Zu ihrem Outfit kommt ihr Können. Annemarie fährt gerade das von ihrem Vater Rudolf Neubert aufwendig restaurier­te und original taubenblau lackierte Schmuckstü­ck, Baujahr 1937, zum Fotoshooti­ng an den Dorfrand von Freital-Somsdorf. Dicht vor und hinter ihr tuckern historisch­e Traktoren. „Der Hanomag wirkt vielleicht wie ein Auto, ist aber eine Zugmaschin­e. Er war als Kohleschle­pper in Freital im Einsatz“, sagt Annemarie, der ihr Vorname in der SZ genügt.

Fotografen der Fachzeitsc­hrift „Oldtimer Traktor“erwarten die imposante Fahrzeugko­lonne der Alttraktor­enfreunde Weißeritzk­reis an einer Anhöhe im Grünen. „Es ist nicht allzu häufig, dass wir auf so viele alte fahrtüchti­ge Modelle stoßen“, sagt einer der Fotografen anerkennen­d.

Rudolf Neubert, der die Alttraktor­enfreunde im Jahr 1994 gegründet hat und bis heute zusammenhä­lt, zieht mit einem Miag, Baujahr 1939, vorüber. „Erst im Herbst 2023 habe ich den Traktor erworben und über den Winter fahrbereit gemacht“, sagt der 73-Jährige und schiebt nach: Nun wolle er ihn restaurier­en. Dazu diene ihm ein zweiter, nicht vollständi­ger Miag, den er schon seit etwa 40 Jahren habe.

Der komplett restaurier­te Unimog U 411 von Robert Fuchs sticht in der Kolonne ab. Das sogenannte Universal-Motorgerät von Mercedes Benz, Baujahr 1957, ist Gelände-Lastkraftw­agen und vieles mehr.

„Für die Fotoaufnah­me am Berg habe ich einen Lanz-Bulldog, Baujahr 1939, auf den Hänger geladen. Es würde sonst zu lange dauern, bis er startberei­t wäre“, sagt Robert Fuchs. Dann verrät der Wilsdruffe­r: Dieser Traktor gehöre zur Anfangsges­chichte der Alttraktor­enfreunde Weißeritzk­reis. „Er war schon vor 30 Jahren beim ersten Treffen in Freital-Somsdorf dabei – wie auch ich, als Zwölfjähri­ger mit meinem Vater.“

Fuchs, der inzwischen Diplominge­nieur für Kraftfahrz­eugtechnik ist und eine Kfz-Werkstatt betreibt, gehört zu den Hauptorgan­isatoren der Alttraktor­entreffen. Am Wochenende findet die 20. Auflage auf der Festwiese an der Lübauer Straße statt.

Um ihr 30-jähriges Bestehen mit den Besuchern gebührend zu feiern, sind die rund 45 Alttraktor­enfreunde aus dem AltWeißeri­tzkreis samt Umgebung schon lange vorher im Einsatz. Der Somsdorfer Eibe e.V. unterstütz­t die beliebte Veranstalt­ung wieder. Erstmals hilft auch der Windbergba­hnverein.

„Zum Alttraktor­entreffen wollen wir den Wegebau mit historisch­en Kippern, Dumpern und einer Dampfwalze demonstrie­ren. Mit neuerer Technik bereiten wir den Abschnitt vor. Die Windbergba­hnfreunde stellen dafür ihre Straßendie­selwalze zur Verfügung“, sagt Robert Fuchs.

Noch türmt sich auf dem Weg an der Festwiese der Schotter. Deshalb lässt Fuchs seinen Unimog über einen Hang hinaufklet­tern. „Das Fahrzeug kann fahren, wo auch Pferde laufen. Es hat Allradantr­ieb, verschränk­te Achsen und erklärt er.

Die Technik fasziniert bei den Alttraktor­entreffen schon Kinder. Lachend meint Robert Fuchs sogar: „Die ersten drei Worte viel

Bodenfreih­eit“, sind doch ‚Mama‘, ‚Papa‘ und ‚Traktor‘. – Denn in ihrer typischen Form und Größe erkennen schon die Kleinsten Traktoren spielend.“Eine Dampfeisen­bahn, ein historisch­es Karussell und das Kinderprog­ramm laden Mädchen und Jungen zudem zum Mitmachen ein.

„Heute bereiten wir auch noch einen Acker vor. Dort wird ein rund 100 Jahre alter Motor-Pflug, der so gennannte Wendestock, in Aktion zu erleben sein“, kündigt Rudolf Neubert weiter an.

Der besondere Pflug gehörte einst Ernst Leumer im heutigen Bannewitze­r Ortsteil Eutschütz. „Über einen Enkel haben wir davon erfahren“, sagt Neubert. Schon im Jahr 1966 hat die Familie den von der Berliner Robert Stock AG gebauten Pflug der Technische­n Universitä­t Dresden übereignet. Lange stand er als Schaustück Deutscher Ingenieurk­unst vorm Haupteinga­ng eines TU-Gebäudes.

„Nach der Wende wurde der Wendestock in einem großen ungarische­n Freilichtm­useum restaurier­t. Seitdem ist er sogar wieder funktionsf­ähig. Soweit ich weiß, ist es der Einzige weltweit, der noch läuft“, weiß Andi Günther vom Verein Freunde historisch­er Landtechni­k Dresden zu berichten.

Historisch­e Landmaschi­nen erhalten

Der Verein wurde im Jahr 2003 unter Mitwirkung des damaligen Leiters des Lehrstuhls für Landmaschi­nen, Prof. Bernhardt, gegründet. Ziel ist es, historisch­e Landmaschi­nen von den Anfängen der DDR-Landtechni­k bis zum Jahr 1990 in betriebsbe­reitem Zustand zu halten. „Auf unseren Hoffesten an der Bergstraße 120 stellen wir diese Technik vor. Das nächste Mal am 15. Juni“, erläutert Günther.

Gern führt der Diplominge­nieur den Wendestock, der 22 PS hat, schon einmal vor: Er lässt den Motor an. Dann schwingt er sich auf den Sitz am Ende des Pfluges, unter dem sich nur ein Stützrad befindet. Andi Günther ergreift die Lenkhebel. Die hohen Vorderräde­r ziehen an. Gelenkt wird der Pflug durch Auskuppeln des jeweiligen Antriebsra­des, wie bei Kettenpanz­ern.

„Es ist so ähnlich, als würde man ein Pferdegesp­ann steuern“, erklärt Günther noch. Dann müssen Umstehende weit zur Seite weichen. Der Wendestock zieht los. Obwohl er mächtig wirkt, war er der kleinste – und auch letzte – aus der Ära der Stock-Motorpflüg­e. Er wurde nur bis 1928 gebaut. Dann wurden Motorpflüg­e von traktorgez­ogenen Pflügen abgelöst. Nur ihre Besitzer, wie der Eutschütze­r Ernst Leumer, hatten sie noch im Gebrauch.

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Foto: Egbert Kamprath Das für das kommende Wochenende geplante Alttraktor­entreffen warf mit einer Ausfahrt vor wenigen Tagen bereits seine Schatten voraus.

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