Sächsische Zeitung (Döbeln)

Ein medizinisc­h-sportliche­s Wunder

Wer hört, was Ärzte über Krystal Rivers sagten, kann kaum glauben, was er sieht: eine Ausnahme-Volleyball­erin. An ihr scheiterte auch der Dresdner SC.

- Von Kristina Puck

Die Prognosen für Krystal Rivers waren düster, vorsichtig formuliert. Dass sie einmal die herausrage­nde Volleyball­erin der Bundesliga sein würde, wäre bei ihrer Geburt in Alabama im Mai 1994 wohl niemandem in den Sinn gekommen. „Das kann man auf jeden Fall ein Wunder nennen“, sagte die Sportdirek­torin von Allianz MTV Stuttgart, Kim Oszvald-Renkema über Rivers‘ Weg zur Ausnahmekö­nnerin: „Die Ärzte haben nicht für möglich gehalten, dass sie einmal laufen wird, als sie klein war. Jetzt ist sie eine Athletin, die fast einen Meter hochspring­t. Jeder, der ihr zuschaut, staunt erst mal über ihre Explosivit­ät.“

Mit ihrer Wucht und ihrer Klasse kann Rivers den Unterschie­d ausmachen. So soll sie ihr Stuttgarte­r Team, das zuletzt zweimal nacheinand­er Meister wurde, in der laufenden Finalserie gegen den SSC Palmberg Schwerin erneut zum Titel führen. Das zweite Duell am Mittwoch gewann der MTV in eigener Halle mit 3:2 (25:14, 25:21, 24:26, 22:25, 15:12) und glich in der Serie, in der drei Erfolge für die deutsche Meistersch­aft notwendig sind, zum 1:1 aus.

Rivers möchte über ihre Krankheits­geschichte momentan nicht reden, hat es aber in der Vergangenh­eit getan. Und unter dem Titel „Die Ärzte sagten: „Du wirst niemals laufen können. Also entschied ich mich, zu springen“, schreibt die Diagonalan­greiferin ein Buch. Ihre Geschichte ist geprägt von Schmerzen und Tiefschläg­en. Mit schweren Geburtsfeh­lern kam sie auf die Welt. Sie hatte Rückenmark­sfehlbildu­ngen. Einige Organe waren nicht so, wie sie sein sollten. Es war nicht klar, ob sie überleben würde. Schon als Baby und Kind verbrachte sie viel Zeit im Krankenhau­s.

Sie wurde zahlreiche Male operiert, am Magen, am Rücken, an der Hüfte, um überhaupt laufen zu können. „Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nie den einen oder die schlimmste­n Tage meines Lebens. Denn mein normales Leben unterschei­det sich von anderen Leben“, sagte Rivers – und zog für sich eine Konsequnz: „Ja, ich hatte meine Nöte und harte Zeiten, aber ich denke nie an das Schlimmste. Denn ich bin daran gewachsen“.

Die Probleme, die sie seit ihrer Geburt hat, sind aber noch immer nicht alles in ihrer Leidensges­chichte. Auch den Krebs muss sie besiegen. Als sie 2014 mit 19 Jahren auf dem College war, ging es mit einem geschwolle­nen Lymphknote­n an der Hüfte los. „Zuerst hat sich keiner wirklich Sorgen gemacht, aber ich wusste, da stimmt was nicht“, sagte die US-Amerikaner­in einmal.

„Schlechte Nachricht: Du hast Krebs“

„Interessan­t dabei war, ich hatte damals einen Arzttermin wegen einer Stressreak­tion an meinem Bein. Und dann kommt der Arzt rein und sagt zu mir: „Die gute Nachricht: Deinem Bein geht es gut. Die schlechte Nachricht: Du hast Krebs.“

Rivers überstand die Krankheit und wurde Profisport­lerin. Seit 2018 spielt die US-Amerikaner­in in der Bundesliga – und ragt heraus. „Sie hat das Niveau von unserem Verein auf ein anderes Level gehoben. Sie hat den Klub von einem Vizemeiste­r zu einem Meister gemacht“, sagte Renkema. Die Ausnahmest­ellung unterstric­h kürzlich Dresdens Trainer Alexander Waibl, der mit dem DSC im Halbfinale deutlich unterlegen war – nicht zuletzt wegen ihr: „Wenn Krystal Rivers gut drauf ist, hat man Pech gehabt. Denn dann ist sie nicht zu stoppen. Sie ist der X-Faktor.“

Beim MTV Stuttgart hat Rivers bereits für die neue Saison unterschri­eben und wird damit in ihre siebente Spielzeit gehen, eine außergewöh­nlich lange Laufzeit im Volleyball. Dabei hätte sie in anderen Ländern mehr Geld verdienen können. „Sie hat Angebote gehabt, bei denen sie locker das Fünf- oder Sechsfache hätte verdienen können. Sie hat abgelehnt“, sagte Renkema: „Wir haben ihr ein zweites Zuhause geboten. Mit ihrem medizinisc­hen Hintergrun­d ist sie hier in Deutschlan­d mit den Ärzten sehr gut aufgehoben.“

Gesundheit­liche Probleme hat Rivers auch in Stuttgart. Sie muss sich akribisch auf die Belastunge­n des Sports vorbereite­n. Sie braucht öfter Pausen, kann nicht jedes Spiel spielen. „Es ist auch ein Wunder, dass sie das durchhält, dass sie das alles investiert, um Profisport­lerin zu sein. Das würden nicht alle so hinbekomme­n“, sagt Renkema und betont: „Ihr Wille ist außergewöh­nlich. Das habe ich nie im Leben bei einer anderen Spielerin so gesehen.“

 ?? Foto: dpa/Jens Büttner ?? Hat die Stuttgarte­r Volleyball­erinnen mehrfach zum Meister gemacht: Krystal Rivers, die seit ihrer Geburt mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hat.
Foto: dpa/Jens Büttner Hat die Stuttgarte­r Volleyball­erinnen mehrfach zum Meister gemacht: Krystal Rivers, die seit ihrer Geburt mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany