Immer mehr Ratsuchende können sich keinen Anwalt leisten
Am Döbelner Amtsgericht sind im vergangenen Jahr 3.200 Verfahren verhandelt worden. Aber nicht nur die Richter hatten mehr zu tun.
Anfang Dezember war die Spannung im Döbelner Amtsgericht groß. Die Frage war: Erscheint er selbst oder schickt er nur seinen Anwalt. Zur Überraschung vieler kam der Entertainer Gunther Emmerlich persönlich zur Verhandlung. Angeklagt war er wegen Fahrerflucht, die er an einer Raststätte an der A 4 begangen haben sollte. Letztendlich konnte ihm das Gericht aber nicht nachweisen, dass er einen Unfall verursacht hatte. Dementsprechend konnte er auch keine Unfallflucht begangen haben und wurde freigesprochen.
Richter haben 3.200 Verfahren verhandelt und abgeschlossen
Der inzwischen verstorbene Opernstar und Moderator war 2023 der prominenteste Angeklagte in einem Verfahren am Döbelner Amtsgericht. Insgesamt sind in den Sälen des Gerichts im vergangenen Jahr 3.200 Verfahren verhandelt und abgeschlossen worden. Im Jahr davor waren es 3.016 Verfahren.
Den größten Anteil machten 2023 mit 899 die Strafverfahren aus. 873 erledigte Verfahren stehen beim Familiengericht zu Buche, 840 waren es in der Zivilabteilung und 564 bei den Ordnungswidrigkeiten. Davon waren allein 409 Verfehlungen im Straßenverkehr. „Zu diesem Bereich gehören zum Beispiel aber auch baurechtliche Delikte, der Feuerschutz oder der Eingriff in Wasserläufe“, erklärt der Direktor des Döbelner Amtsgerichts Lutz Kermes beim Jahrespressegespräch.
Die Verfahrensdauer lag zwischen 3,9 Monaten bei Ordnungswidrigkeiten und sieben Monaten beim Jugend-Schöffengericht der Strafabteilung.
Weniger Räumungen und Testamentseröffnungen
Die Städte und Gemeinden würden sich zunehmend um Menschen kümmern, die Gefahr laufen, das Dach über dem Kopf zu verlieren, meint Kermes. Das spiegelt sich auch in den Zahlen des Gerichts wider. Die acht Gerichtsvollzieher haben im vergangenen Jahr 61 Räumungen veranlasst und damit vier weniger als im Jahr davor. Außerdem waren 8.534 (-288) Zwangsvollstreckungen notwendig.
Auch das Nachlassgericht hatte mit 1.091 Testamentssachen 73 weniger abzuarbeiten als 2022. Außerdem haben sich die Mitarbeiter mit 2.142 (-199) Nachlasssachen beschäftigt.
Mehr Betreuungen, Beratungshilfe und Grundbucheinträge
Verschiedene Reformen haben die Arbeit des Betreuungsgerichts in den letzten Jahren beeinflusst. Im vergangenen Jahr ist ein neues Betreuungsrecht in Kraft getreten, das die Vorsorgevollmacht in den Vordergrund rückt. „Wir versuchen also, darauf hinzuwirken, dass in geeigneten Fällen ein Vorsorgebevollmächtigter aus dem Familienoder Freundeskreis eingesetzt wird“, so Kermes.
Offenbar aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung ist die Fallzahl im vergangenen Jahr weiter auf 3.235 gestiegen. Am niedrigsten war sie im Fünfjahresvergleich 2021 mit 3.196 Fällen.
Auch die Zahl derjenigen, die eine einmalige Beratung durch einen Anwalt benötigen und diese nicht selbst bezahlen können, steigt. 1.001 Mal wurde 2023 ein Antrag auf eine Beratungshilfe gestellt. Das sind 224 Anträge mehr als im Vorjahr. Bewilligt wurden aber nur 840 Anträge. „Die Zusage orientiert sich an den Erfolgsaussichten“, erklärt Kermes.
Im Grundbuchamt sind 13.219 (+1.327) Urkunden eingereicht und 15.343 bearbeitet worden. Somit konnte der Bearbeitungsstau, der durch fehlende Mitarbeiter entstanden ist, reduziert werden. Mit einem weiteren Abbau der Vorgänge rechnet der Direktor des Amtsgerichts im laufenden Jahr, denn derzeit wird weniger gebaut.
Entwicklung der Fallzahlen durch Cannabis-Gesetz unklar
Dass das Gericht durch die Einführung des Cannabis-Gesetzes weniger Arbeit hat, davon ist Lutz Kermes nicht überzeugt. Das Gesetz erlaubt den Besitz von bis zu 25 Gramm sowie den Anbau von bis zu drei Pflanzen für den Eigenbedarf. Dadurch müssten viele Verfahren geprüft werden, heißt es. Darum kümmere sich derzeit noch die Staatsanwaltschaft.
An Stelle von Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz rechnet Kermes künftig eher mit mehr Ordnungswidrigkeiten, weil Cannabis zwar in größeren Mengen besessen, im Umkreis bestimmter Objekte, wie zum Kitas, aber nicht konsumiert werden darf.
Auch am Amtsgericht herrscht Fachkräftemangel
Im Döbelner Amtsgericht und der Außenstelle in Hainichen sind insgesamt 93 Mitarbeiter tätig. „In allen Bereichen fehlen Fachkräfte“, so Kermes. Gleichzeitig schränkt er ein: „Bei den Richtern sind wir gut aufgestellt.“Fünf Frauen und acht Männer sprechen am Amtsgericht Recht. Der Freistaat Sachsen habe bereits vor Jahren erkannt, dass in den kommenden fünf Jahren viele Richter in den Ruhestand gehen, und sich entsprechend um Nachwuchs gekümmert.
Viele Mitarbeiter hätten die Möglichkeit, im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Das werde von den Meisten auch bevorzugt genutzt – in allen Abteilungen. Vor allem unter den 20 Rechtspflegern seien viele, die den Ruhestand bereits im Blick haben. „Mit dieser Ausbildung bräuchten wir zwei Mitarbeiter mehr“, meint Kermes. Auch bei den Wachtmeistern sei das Gericht auf der Suche nach Verstärkung.
Positiv wirke sich inzwischen die Einführung der elektronischen Akte aus. Davon profitiere unter anderen das Grundbuchamt als größte Abteilung des Gerichts. Sie wird von zwei Mitarbeitern aus Leipzig und Freiberg unterstützt. Durch die E-Akte hätte sie auf alle relevanten Unterlagen auch in ihren „Heimat-“Gerichten Zugriff und müssten nicht täglich nach Döbeln kommen.
Bessere Bedingungen für Mitarbeiter und Besucher
Die gläserne Wache im Döbelner Gerichtsgebäude ist vor vier Jahren in Betrieb genommen worden. Von Beginn an gab es jedoch zwei Probleme. Durch ein fehlendes Dach war die Wache sehr hellhörig und somit der Datenschutz nicht gewährleistet. Außerdem herrschte dort ein enormer Zug, der den Krankenstand bei den Wachtmeistern erhöhte.
Im vergangenen Frühjahr war noch von einem kompletten Umbau der Wache die Rede, weil davon ausgegangen wurde, dass es nachträglich nicht möglich sei, ein Dach aufzusetzen. Das ist dann im Laufe des Jahres doch gelungen, ohne viel Aufwand wegen Bau- oder Finanzierungsanträgen. „Wir haben das Geld aus unserem Budget genommen“, sagt Lutz Kermes und fügt hinzu: „Die Wachtmeister sind sehr zufrieden.“
Obwohl derzeit nur Instandsetzungen und Notreparaturen genehmigt werden, gibt es für die Mitarbeiter eine weitere Neuerung. Im Nebengebäude des Döbelner Standortes wurde eine Dusche eingebaut. Sie ist vor allem für die zunehmende Zahl der Mitarbeiter gedacht, die für ihren Arbeitsweg aufs Fahrrad steigen. Sie könnten sich nun vor Arbeitsbeginn noch einmal frisch machen.
Für die Radler – sowohl die Angestellten als auch die Besucher des Gerichts – ist zudem Ende vergangenen Jahres ein überdachter Fahrradständer installiert worden. „Der befindet sich allerdings hinter dem Gebäude und wird deshalb nicht von allen Besuchern wahrgenommen. Viele stellen ihr Rad nach wie vor neben der Eingangstreppe ab“, so Kermes.