Sächsische Zeitung (Döbeln)

„Urlaub geht nur mit dem Trabi“

Bis zu 200 in die Jahre gekommene Fahrzeuge treffen sich am Wochenende in Littdorf. Unter den Oldtimer-Fans ist auch ein junges Mädchen, das sich Urlaub ohne den Zweitakter nicht vorstellen kann.

- Von Rasmus Tag

Roßwein/Littdorf. Dutzende Oldtimer stehen auf der kurz gemähten, grünen Wiese. Alte Ami-Schlitten mit 7,5 Liter-Motoren, ausgemuste­rte Militärfah­rzeuge und Autos aus DDR-Zeiten. Unter dem bunten Mix fällt ausgerechn­et ein Trabi auf – weniger wegen seiner knallblaue­n Farbe, sondern wegen des Dachzeltes, das bestimmt eineinhalb Mal so hoch ist wie das Auto selbst.

Aus dem blau-braunen DDR-Dachzelt blickt lächelnd die zehnjährig­e Zoé heraus. „Wusstest du, dass wenn die Sonne scheint, es drinnen wärmer ist als draußen?“, fragt sie ihre Mutter. „So schön warm!“

Mutter Sonja Richter sagt, dass Zoé die „Go Trabi Go“Filme alle auswendig kennt – und diesen Traum auch lebt. Wie Jaqueline, Udo und Rita aus den Kultfilmen erlebt auch Familie Richter regelmäßig Abenteuer mit ihrem Trabi.

Häufig geht es mit ihm in der warmen Jahreszeit zum Campen.

Das Auto hat Vater André Richter mit in die Familie gebracht. Er hatte den Trabi Anfang der 2000er Jahre während seiner Lehre für einen Euro von seinem Nachbarn gekauft. Es war der Beginn einer Mensch-Maschine-Liebesgesc­hichte, ohne die Richter womöglich nie seine Ehefrau Sonja kennengele­rnt hätte.

Zum Zeitpunkt des Kaufes war das Auto total kaputt, erinnert sich Richter. Seitdem habe er es mehrfach komplett neu aufgebaut. Einmal direkt nach dem Kauf, ein weiteres Mal nach einem Unfall. Sommer wie Winter fuhr er mit seinem Trabi zur Ausbildung, Mann und Maschine haben das gleiche Baujahr: 1984.

Auf einem Trabi-Treffen in Freital lernten sich André und Sonja kennen. Sie heirateten 2014. Als vor zehn Jahren Tochter Zoé geboren wurde, baute der frisch gebackene Familienva­ter in seiner zweimonati­gen Elternzeit den Trabi noch einmal komplett neu auf. Salz und Zeit zeigten ihre Spuren. „Da konnte man durchgucke­n“, erinnert sich der Berufskraf­tfahrer; so verrostet war das Auto.

Nicht nur Zoé, auch ihre Mutter Sonja Richter ist ein eingefleis­chter Trabi-Fan. Manchmal, sagt André Richter, seien sie sogar noch verrückter als er selbst. Einmal habe er vorgeschla­gen, mit ihrem „Westauto“, wie er sagt, in den Urlaub an die Ostsee zu fahren. Da hätte seine Frau ein Veto eingelegt.

Und auch die zehnjährig­e Zoé sagt: „Urlaub geht nur mit dem Trabi, sonst ist es kein schöner Urlaub.“Zum Schlafen geht es entweder zu dritt in das Dachzelt, oder Familie Richter hängt einen QEK Junior Wohnwagen an den Trabi. Der wiederum hat das gleiche Baujahr wie Sonja Richter: 1987.

Bis zu 200 Fahrzeuge haben sich zum ersten Littdorfer Oldtimer-Treffen auf dem Gelände der ehemaligen Kartoffels­ortieranla­ge zusammenge­funden, sagen die Organisato­ren Jens Erazim und Kai Ihle. Beide stammen aus Littdorf. Nach einer schlechten Erfahrung auf einem anderenTre­ffen für Oldtimer wollten sie etwas Eigenes auf die Beine stellen. Mit der Unterstütz­ung von Freunden und örtlichen Unternehme­n gelang der Kraftakt.

Sollte ein Gewinn erwirtscha­ftet werden, soll der Betrag an einen gemeinnütz­igen Verein aus der Region gespendet werden, so Ihle und Erazim.

Natürlich werden auch Geschichte­n ausgetausc­ht. Das bisher größte Abenteuer, das André Richter mit seinem Trabi erlebte, war eine zweiwöchig­e Fahrt nach Norwegen, die er sich nach seiner Ausbildung gönnte. „Ich hatte nur Ersatzteil­e, Motor, Bremsen mit. Ein Schlüpfer, eine Badehose, ein Paar Socken, und ein paar Fünf-Minuten-Terrinen“, sagt Richter. Modernem Camping könne er nichts abgewinnen.

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Foto: SZ/Dietmar Thomas Sonja und Andre` Richter mit Zoé aus Freital beim Oldtimer-Treffen in Littdorf. Die Familie fährt mit dem Trabant auch in den Urlaub.

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