Wie die Freien Sachsen in der Region Döbeln rechte Kräfte bündeln
Das Kulturbüro Sachsen warnt vor rechten Mehrheitsverhältnissen nach den Wahlen. In Mittelsachsen kam es bereits zu Überschneidungen bei AfD und Freien Sachsen – trotz Unvereinbarkeitsliste.
Es sei das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine extrem rechte Partei eine reale Machtposition bei den diesjährigen Wahlen hat.
Mit diesen Worten eröffnete Melanie Riedlinger, Sprecherin des Kulturbüros Sachsen, die Vorstellung der Broschüre „Sachsen rechts unten“. In der zehnten Ausgabe konzentrierte sich der Verein auf „den Kampf um die Parlamente und in den Parlamenten“, so Riedlinger weiter.
Gemeint ist damit die AfD, deren sächsischer Ableger im Dezember 2023 vom Verfassungsschutz Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Neben der AfD könnten aber auch die Freien Sachsen in viele Stadt- und Ortschaftsräte sowie Kreistage einziehen. Auch in der Region Döbeln und Mittelsachsen treten sie flächendeckend an. Laut dem Kulturbüro sei davon auszugehen, dass Dutzende ihrer Kandidaten im Juni 2024 kommunale Mandate erringen werden. Wie Geschäftsführer des Vereins, Michael Nattke, bei der Vorstellung der aktuellen Broschüre erklärte, haben sich die Freien Sachsen im Schatten der AfD als noch radikalere, neonazistische Partei etabliert.
Die Besonderheit der Freien Sachsen sei, dass sie Doppelmitgliedschaften nicht nur erlaube, sondern sie auch erwünscht sind. „Die Mitglieder können weiterhin bei dem dritten Weg oder der Heimat sein“, erläuterte Nattke. In seiner Veröffentlichung schreibt das Kulturbüro außerdem, dass sich auf den geplanten Listen der Freien Sachsen zu den Kommunalwahlen alle Spektren der extrem rechten Szene, von Völkischen Siedlern, Anhängern von Reichsbürgerideen, Funktionären der Partei die Heimat bis hin zu rechten Verschwörungsideologen fänden. Auch in der Region Döbeln ist das zu beobachten. So war Stefan Trautmann, der in diesem Jahr als Spitzenkandidat der Freien Sachsen für den Stadtrat Döbeln antritt, bereits vor ein paar Jahren für die NPD (mittlerweile Die Heimat) im Stadtrat und ist noch immer in der Partei aktiv. In Leisnig kandidieren Christian Fischer und Lutz Giesen, die zu den Völkischen Siedlern zählen, aber auch seit Jahren aktiv in der Neonazi-Szene sind, für die Freien Sachsen. Im April haben sie in Leisnig einen Ortsverband gegründet. Damit könne der Strukturaufbau in und um Leisnig weiter ausgebaut und zielgerichtet vorangetrieben werden, äußerte sich der Vorsitzende Christian Fischer. Mit der Gründung des Ortsverbandes sei laut Fischer ein weiterer Schritt zur regionalen Verankerung getan, der „mittelfristig weitere Möglichkeiten der politischen Einflussnahme“eröffnen werde.
Die Freien Sachsen konnten laut dem Kulturbüro von den Protestdynamiken während der Corona-Pandemie profitieren. „Mit einer geschickten Mischung aus Onlineund Offline-Vernetzung haben sie es geschafft, die extreme Rechte in Sachsen zu mobilisieren“, heißt es weiter.
Warum Menschen die Freien Sachsen wählen, sei laut Nattke vielschichtig. „Das muss man sich wie ein riesiges Puzzle vorstellen mit wahnsinnig vielen Teilen“, erklärte er. Zum einen liege es daran, dass circa ein Fünftel der Sachsen problematische Einstellungen bei Themen wie Rassismus oder Antisemitismus haben. Auch die verschiedenen Demokratieerfahrungen in Sachsen würden eine Rolle spielen. „Nicht alle Menschen haben verstanden, wie Demokratie
funktioniert. Dass man für viele Dinge selbst verantwortlich ist und selbst anpacken muss“, sagte er weiter. Als dritten Grund nannte der Geschäftsführer beispielhaft, dass der Rechtsextremismus im Freistaat zu lange heruntergespielt wurde.
Laut dem Kulturbüro sehen sich die Freien Sachsen als ergänzendes Netzwerk ohne Alleinstellungsanspruch. Es gebe keine Unvereinbarkeitslisten oder Distanzierungen von anderen extrem rechten Kräften. So hat die Bundes-AfD beispielsweise die Freien Sachsen auf ihrer Unvereinbarkeitsliste stehen. Dass in Mittelsachsen die AfD diese nicht unbedingt einhält, zeigt die aktuelle Publikation des Kulturbüros. So haben bei den Demonstrationen in Kriebethal gegen die Unterkunft für junge Geflüchtete, nicht nur lokale AfD-Politiker bei den Protesten der Freien Sachsen teilgenommen, sondern sich teilweise auch mit ihnen bei der Anmeldung der Demos abgewechselt.
Auch die Freiberger AfD-Bundestagsabgeordnete Carolin Bachmann trat laut dem Verein im Januar 2024 auf einer Demonstration der Freien Sachsen in Dresden auf. Dort soll sie unter anderem gesagt haben, dass es überhaupt nicht darum gehe, in welcher Partei die Demonstranten sind, sondern darum, was sie im Herzen tragen und, ob sie die Liebe zum Vaterland haben.
Das Kulturbüro geht davon aus, dass extrem rechte Kommunalabgeordnete, wie die Kandidaten der Freien Sachsen, zukünftig für veränderte Mehrheitsverhältnisse sorgen könnten, die sie zusammen mit der AfD und anderen rechten oder rechtsoffenen Wählergruppen in Parlamenten herstellen könnten.