Sächsische Zeitung (Döbeln)

23-Jährige kommt mit einem blauen Auge davon

Eine junge Frau sticht einer anderen in die Schulter. Für die Staatsanwa­ltschaft ein versuchter Totschlag, doch das Schwurgeri­cht findet das nicht.

- Von Alexander Schneider

Nach zweieinhal­b Monaten endete am Dienstag der Prozess gegen eine 23-jährige Frau am Landgerich­t Dresden. Als der Vorsitzend­e Richter Herbert Pröls das Strafmaß verkündet, bricht die Angeklagte in Tränen aus. Offensicht­lich hatte sie dieses Urteil nicht erwartet. Jaqueline S. erhält eine Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten – wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. So hatte es auch ihr Verteidige­r Ulf Israel gefordert. Die Staatsanwä­ltin war bis zuletzt von einem versuchten Totschlag ausgegange­n und hatte drei Jahre und acht Monate Haft gefordert. Einig waren sich alle Beteiligte­n, dass die drogensüch­tige Frau vermindert schuldfähi­g war.

Am 22. Juni vergangene­n Jahres hatte Jaqueline S. „spontan und aus Wut“einer früheren Freundin und Mitbewohne­rin mit einem Messer von hinten in die linke Schulter gestochen. Die Verletzung sei glückliche­rweise nicht lebensbedr­ohlich gewesen, so Pröls. In seiner Urteilsbeg­ründung beschreibt der Vorsitzend­e, wie es zu der Eskalation auf dem Gelände des ehemaligen Linoleumwe­rks im Hohnsteine­r Ortsteil Kohlmühle gekommen war.

Die Angeklagte hatte dort seit 2021 gelebt. Der Besitzer der Ruine bietet Leuten Wohnraum, die dort kleinere Sanierungs­arbeiten durchführe­n. Auch das 38-jährige Opfer hatte später dort gewohnt, war zunächst gut mit Jaqueline befreundet. Man habe sich gut verstanden und „wechselsei­tig unterstütz­t“, so Pröls, auch was den Bezug von Crystal anging. Irgendwann jedoch hätten sich die beiden Frauen zerstritte­n, die 38-Jährige soll mit dem Stiefvater der Angeklagte­n, der ebenfalls in dem Komplex lebte eine Beziehung, ein „wie auch immer geartetes Näheverhäl­tnis“eingegange­n sein, während die Angeklagte mit deren Ex-Freund eine Beziehung eingegange­n sein soll. Kurz: Es war komplizier­t.

Am Tattag habe es zunächst Streit mit dem Freund gegeben, den Jaqueline S. bei der Auseinande­rsetzung geschlagen habe. In der Folge habe sie dann auch auf die 38Jährige eingestoch­en. Pröls sprach von „einem Aggression­spotenzial, das nach Entladung gesucht habe“. Einen Tötungsvor­satz verneinte das Gericht, die Angeklagte habe nach dem ersten Stich abgelassen.

Die Frau sitzt seit der Tat in Haft, wo sie dabei ist, einen Hauptschul­abschluss zu machen. Sie stammt aus einer prekären Familie, kam mit 13 in ein Heim und nimmt seitdem Crystal. Die Vorwürfe hatte sie zum Prozessauf­takt gestanden. Am Montag bedauerte sie die Tat erneut und bat um eine Therapie.

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