23-Jährige kommt mit einem blauen Auge davon
Eine junge Frau sticht einer anderen in die Schulter. Für die Staatsanwaltschaft ein versuchter Totschlag, doch das Schwurgericht findet das nicht.
Nach zweieinhalb Monaten endete am Dienstag der Prozess gegen eine 23-jährige Frau am Landgericht Dresden. Als der Vorsitzende Richter Herbert Pröls das Strafmaß verkündet, bricht die Angeklagte in Tränen aus. Offensichtlich hatte sie dieses Urteil nicht erwartet. Jaqueline S. erhält eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten – wegen gefährlicher Körperverletzung. So hatte es auch ihr Verteidiger Ulf Israel gefordert. Die Staatsanwältin war bis zuletzt von einem versuchten Totschlag ausgegangen und hatte drei Jahre und acht Monate Haft gefordert. Einig waren sich alle Beteiligten, dass die drogensüchtige Frau vermindert schuldfähig war.
Am 22. Juni vergangenen Jahres hatte Jaqueline S. „spontan und aus Wut“einer früheren Freundin und Mitbewohnerin mit einem Messer von hinten in die linke Schulter gestochen. Die Verletzung sei glücklicherweise nicht lebensbedrohlich gewesen, so Pröls. In seiner Urteilsbegründung beschreibt der Vorsitzende, wie es zu der Eskalation auf dem Gelände des ehemaligen Linoleumwerks im Hohnsteiner Ortsteil Kohlmühle gekommen war.
Die Angeklagte hatte dort seit 2021 gelebt. Der Besitzer der Ruine bietet Leuten Wohnraum, die dort kleinere Sanierungsarbeiten durchführen. Auch das 38-jährige Opfer hatte später dort gewohnt, war zunächst gut mit Jaqueline befreundet. Man habe sich gut verstanden und „wechselseitig unterstützt“, so Pröls, auch was den Bezug von Crystal anging. Irgendwann jedoch hätten sich die beiden Frauen zerstritten, die 38-Jährige soll mit dem Stiefvater der Angeklagten, der ebenfalls in dem Komplex lebte eine Beziehung, ein „wie auch immer geartetes Näheverhältnis“eingegangen sein, während die Angeklagte mit deren Ex-Freund eine Beziehung eingegangen sein soll. Kurz: Es war kompliziert.
Am Tattag habe es zunächst Streit mit dem Freund gegeben, den Jaqueline S. bei der Auseinandersetzung geschlagen habe. In der Folge habe sie dann auch auf die 38Jährige eingestochen. Pröls sprach von „einem Aggressionspotenzial, das nach Entladung gesucht habe“. Einen Tötungsvorsatz verneinte das Gericht, die Angeklagte habe nach dem ersten Stich abgelassen.
Die Frau sitzt seit der Tat in Haft, wo sie dabei ist, einen Hauptschulabschluss zu machen. Sie stammt aus einer prekären Familie, kam mit 13 in ein Heim und nimmt seitdem Crystal. Die Vorwürfe hatte sie zum Prozessauftakt gestanden. Am Montag bedauerte sie die Tat erneut und bat um eine Therapie.