Sollte die AfD verboten werden?
Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, ist gegen die Prüfung eines Parteiverbots, die SPD-Abgeordnete Maja Wallstein dafür. Ein Streitgespräch.
Wie stehen Sie zu der Forderung, ein Verbot der AfD prüfen zu lassen?
Maja Wallstein: Mit der AfD gibt es eine Partei, die unseren Rechtsstaat, unsere Freiheiten, unsere Grundwerte angreift und damit unsere Demokratie unterwandern möchte. Es ist unser Job, das zu verhindern und prüfen zu lassen, ob sie verfassungswidrig ist oder nicht.
Johannes Winkel: Als Jurist halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass der Antrag Erfolg hat. Abgesehen vom Juristischen: Ein Verbot zu fordern ist auch politisch zu einfach. Schwieriger ist es, die Probleme zu lösen, die die Menschen unzufrieden machen und den Protest hervorrufen.
Wallstein: Es geht nicht darum, dass ich die AfD loswerden will. Im Gegenteil, bei der Entscheidung über einen solchen Prüfantrag darf genau das keine Rolle spielen. Auch Wahlergebnisse oder Umfragen dürfen keine Rolle spielen.
Sondern?
Wallstein: Das Entscheidende ist, dass uns das Grundgesetz vorgibt, dass wir die Demokratie verteidigen und eine Partei auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen müssen, wenn es daran so erhebliche Zweifel gibt. Als Abgeordnete kann ich die AfD nicht verbieten. Aber wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, müssen wir vor dem Bundesverfassungsgericht einen Prüfantrag stellen.
Winkel: Ich halte die Verbotsdiskussion für politisch denkfaul.
Wie meinen Sie das?
Winkel: Die entscheidende Frage ist doch: Warum ist die AfD eigentlich so groß geworden? Das sollten wir eher diskutieren, als uns auf eine Verbotsdebatte zu konzentrieren.
Wallstein: Da bin ich anderer Meinung. Die Debatte ist schon da, und als Mandatsträgerinnen und Mandatsträger werden wir natürlich gefragt, wie wir uns positionieren.
Herr Winkel, Sie sind gegen ein Verbot, weil Sie davon ausgehen, dass das Verfahren scheitern wird. Was spricht dagegen, es einfach zu probieren?
Winkel: Die Debatte dazu bringt uns keinen Zentimeter weiter. Wenn man der Meinung ist, dass die AfD verboten werden muss, dann sollte man einen Antrag stellen – und ansonsten eben nicht. Wenn wir über Jahre hinweg so eine Debatte führen, ist es das größtmögliche Wahlkampfgeschenk, das wir der AfD machen können.
Warum?
Winkel: Weil es das politische Narrativ der AfD zu 100 Prozent bestätigt. Das lautet: Alle haben sich gegen uns verschworen und wissen sich am Ende des Tages nur durch ein Verbot zu helfen.
Wallstein: Glauben Sie, dass die AfD von ihrem Opfernarrativ Abstand nimmt, wenn man auf ein Prüfverfahren verzichtet?
Winkel: Nein, aber sie müssen es auf der anderen Seite auch nicht andauernd bestätigen.
Frau Wallstein, fürchten Sie nicht, dass sich die AfD als Opfer stilisieren könnte?
Wallstein: Das Opfernarrativ bringt die AfD
Dafür Maja Wallstein,
媠37, stammt aus Cottbus, studierte Polonistik und Verwaltungswissenschaften. Die zweifache Mutter setzte sich bei der Bundestagswahl 2021 im Wahlkreis CottbusSpree-Neiße mit weniger als zwei Prozentpunkten Vorsprung gegen den Kandidaten der AfD durch. bei jeder Gelegenheit. Das sollte uns aber auf keinen Fall abschrecken oder dazu führen, dass wir uns aus der Verantwortung ziehen.
Wo sehen Sie, dass die AfD das Opfernarrativ nutzt?
Wallstein: Im Parlament beschwert sie sich, dass die Abgeordneten von ihrem freien Mandat Gebrauch machen und ihrem Gewissen folgen, wenn sie keine AfD-Kandidaten ins Präsidium wählen. Gleichzeitig fordern sie für sich selbst das Recht ein, keine grüne Vizepräsidentin zu wählen. Sie machen die Medien verächtlich und behaupten, sie kämen nicht vor, während das öffentlich-rechtliche Fernsehen ihnen zuletzt im Januar fast jeden Tag ein großes Podium geboten hat. Sie machen unsere Freiheiten verächtlich, in dem sie verbal alle Grenzen des Anstands überschreiten, Deutsche „nach Anatolien entsorgen“wollen und Kritik an ihren Äußerungen als Meinungsdiktatur bezeichnen.
Winkel: Ich glaube, wir haben vor allem ein Problem im Umgang mit der AfD. Das gilt für Politiker, aber auch für Medien. Es gibt einen Überbietungswettbewerb, wer die AfD oder AfD-Politik am schlimmsten beleidigt. Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt. Ich habe auch nie verstanden, warum man fordert, AfD-Politiker nicht zu Talkshows einzuladen. Das ist keine besonders kluge Strategie. Es ist sinnvoller, die Wählerschaft der AfD zurückzugewinnen, als die Partei zu verbieten.
D| a| g| e| g| e| n|||||||||||||||||||||||||||||媠 Johannes Winkel,
32, wuchs bei Siegen in Nordrhein-Westfalen auf. Im Alter von 19 Jahren trat er der Jungen Union bei. Der Volljurist ist in der Rechtsabteilung eines Industrieunternehmens tätig. 2022 wurde er zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewählt.
Wie soll das gelingen?
Winkel: Wir haben einige große Probleme in diesem Land. Migration und Energie gehören sicherlich dazu. Wenn wir die nicht lösen, sondern nur noch verstärken, dann wählen immer mehr Leute AfD.
Wallstein: Genau darum darf es nicht gehen. Wollen wir Positionen der AfD aufgreifen und deren Politik umsetzen? Dann machen wir uns zu deren politischen Steigbügelhaltern. Und es zeigen zahlreiche Studien, dass die Menschen trotzdem das Original wählen. Das ist auch ein Rat, den ich der Union geben möchte.
Winkel: Die AfD ist so stark, weil die Ampel so schlechte Arbeit macht.
Wallstein: Sie sollten sich fragen, warum die AfD in Sachsen so hohe Zustimmungswerte hat.
Winkel: Wegen der Unzufriedenheit mit der Bundesregierung.
Wallstein: Die AfD gibt es aber nicht erst seit gestern. Und die hohen Zustimmungswerte nicht erst seit der Ampel.
Winkel: In der CDU führen wir seit zwei Jahren einen selbstkritischen Prozess. Wir korrigieren dabei auch Positionen aus der Regierungszeit der CDU, die Mitglieder und auch viele Bürger für falsch gehalten haben, allem voran die Migrationspolitik. Wenn Sie sich diese Selbstkritik nicht zutrauen, dann wird die SPD in Sachsen nicht mal in den Landtag einziehen.
Umfragen zeigen, dass die Umfragewerte der AfD neuerdings sinken. Kann das Verfahren, egal, wie es ausgeht, nicht auch unentschiedene Wähler aufrütteln?
Winkel: Man kann die AfD nicht mehr stigmatisieren, als sie jetzt schon stigmatisiert ist. Selbst wenn ein Antrag erfolgreich wäre, würde dadurch nicht der politische Unmut in Deutschland verschwinden. Die Betroffenen würden schlicht und ergreifend eine andere Partei gründen.