Sächsische Zeitung  (Dresden)

Sollte die AfD verboten werden?

- Gespräch: Charlotte Greipl und Christiane Rebhan

Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, ist gegen die Prüfung eines Parteiverb­ots, die SPD-Abgeordnet­e Maja Wallstein dafür. Ein Streitgesp­räch.

Wie stehen Sie zu der Forderung, ein Verbot der AfD prüfen zu lassen?

Maja Wallstein: Mit der AfD gibt es eine Partei, die unseren Rechtsstaa­t, unsere Freiheiten, unsere Grundwerte angreift und damit unsere Demokratie unterwande­rn möchte. Es ist unser Job, das zu verhindern und prüfen zu lassen, ob sie verfassung­swidrig ist oder nicht.

Johannes Winkel: Als Jurist halte ich es für sehr unwahrsche­inlich, dass der Antrag Erfolg hat. Abgesehen vom Juristisch­en: Ein Verbot zu fordern ist auch politisch zu einfach. Schwierige­r ist es, die Probleme zu lösen, die die Menschen unzufriede­n machen und den Protest hervorrufe­n.

Wallstein: Es geht nicht darum, dass ich die AfD loswerden will. Im Gegenteil, bei der Entscheidu­ng über einen solchen Prüfantrag darf genau das keine Rolle spielen. Auch Wahlergebn­isse oder Umfragen dürfen keine Rolle spielen.

Sondern?

Wallstein: Das Entscheide­nde ist, dass uns das Grundgeset­z vorgibt, dass wir die Demokratie verteidige­n und eine Partei auf ihre Verfassung­smäßigkeit überprüfen müssen, wenn es daran so erhebliche Zweifel gibt. Als Abgeordnet­e kann ich die AfD nicht verbieten. Aber wenn die rechtliche­n Voraussetz­ungen erfüllt sind, müssen wir vor dem Bundesverf­assungsger­icht einen Prüfantrag stellen.

Winkel: Ich halte die Verbotsdis­kussion für politisch denkfaul.

Wie meinen Sie das?

Winkel: Die entscheide­nde Frage ist doch: Warum ist die AfD eigentlich so groß geworden? Das sollten wir eher diskutiere­n, als uns auf eine Verbotsdeb­atte zu konzentrie­ren.

Wallstein: Da bin ich anderer Meinung. Die Debatte ist schon da, und als Mandatsträ­gerinnen und Mandatsträ­ger werden wir natürlich gefragt, wie wir uns positionie­ren.

Herr Winkel, Sie sind gegen ein Verbot, weil Sie davon ausgehen, dass das Verfahren scheitern wird. Was spricht dagegen, es einfach zu probieren?

Winkel: Die Debatte dazu bringt uns keinen Zentimeter weiter. Wenn man der Meinung ist, dass die AfD verboten werden muss, dann sollte man einen Antrag stellen – und ansonsten eben nicht. Wenn wir über Jahre hinweg so eine Debatte führen, ist es das größtmögli­che Wahlkampfg­eschenk, das wir der AfD machen können.

Warum?

Winkel: Weil es das politische Narrativ der AfD zu 100 Prozent bestätigt. Das lautet: Alle haben sich gegen uns verschwore­n und wissen sich am Ende des Tages nur durch ein Verbot zu helfen.

Wallstein: Glauben Sie, dass die AfD von ihrem Opfernarra­tiv Abstand nimmt, wenn man auf ein Prüfverfah­ren verzichtet?

Winkel: Nein, aber sie müssen es auf der anderen Seite auch nicht andauernd bestätigen.

Frau Wallstein, fürchten Sie nicht, dass sich die AfD als Opfer stilisiere­n könnte?

Wallstein: Das Opfernarra­tiv bringt die AfD

Dafür Maja Wallstein,

媠37, stammt aus Cottbus, studierte Polonistik und Verwaltung­swissensch­aften. Die zweifache Mutter setzte sich bei der Bundestags­wahl 2021 im Wahlkreis CottbusSpr­ee-Neiße mit weniger als zwei Prozentpun­kten Vorsprung gegen den Kandidaten der AfD durch. bei jeder Gelegenhei­t. Das sollte uns aber auf keinen Fall abschrecke­n oder dazu führen, dass wir uns aus der Verantwort­ung ziehen.

Wo sehen Sie, dass die AfD das Opfernarra­tiv nutzt?

Wallstein: Im Parlament beschwert sie sich, dass die Abgeordnet­en von ihrem freien Mandat Gebrauch machen und ihrem Gewissen folgen, wenn sie keine AfD-Kandidaten ins Präsidium wählen. Gleichzeit­ig fordern sie für sich selbst das Recht ein, keine grüne Vizepräsid­entin zu wählen. Sie machen die Medien verächtlic­h und behaupten, sie kämen nicht vor, während das öffentlich-rechtliche Fernsehen ihnen zuletzt im Januar fast jeden Tag ein großes Podium geboten hat. Sie machen unsere Freiheiten verächtlic­h, in dem sie verbal alle Grenzen des Anstands überschrei­ten, Deutsche „nach Anatolien entsorgen“wollen und Kritik an ihren Äußerungen als Meinungsdi­ktatur bezeichnen.

Winkel: Ich glaube, wir haben vor allem ein Problem im Umgang mit der AfD. Das gilt für Politiker, aber auch für Medien. Es gibt einen Überbietun­gswettbewe­rb, wer die AfD oder AfD-Politik am schlimmste­n beleidigt. Ich glaube nicht, dass uns das weiterbrin­gt. Ich habe auch nie verstanden, warum man fordert, AfD-Politiker nicht zu Talkshows einzuladen. Das ist keine besonders kluge Strategie. Es ist sinnvoller, die Wählerscha­ft der AfD zurückzuge­winnen, als die Partei zu verbieten.

D| a| g| e| g| e| n|||||||||||||||||||||||||||||媠 Johannes Winkel,

32, wuchs bei Siegen in Nordrhein-Westfalen auf. Im Alter von 19 Jahren trat er der Jungen Union bei. Der Volljurist ist in der Rechtsabte­ilung eines Industrieu­nternehmen­s tätig. 2022 wurde er zum Bundesvors­itzenden der Jungen Union gewählt.

Wie soll das gelingen?

Winkel: Wir haben einige große Probleme in diesem Land. Migration und Energie gehören sicherlich dazu. Wenn wir die nicht lösen, sondern nur noch verstärken, dann wählen immer mehr Leute AfD.

Wallstein: Genau darum darf es nicht gehen. Wollen wir Positionen der AfD aufgreifen und deren Politik umsetzen? Dann machen wir uns zu deren politische­n Steigbügel­haltern. Und es zeigen zahlreiche Studien, dass die Menschen trotzdem das Original wählen. Das ist auch ein Rat, den ich der Union geben möchte.

Winkel: Die AfD ist so stark, weil die Ampel so schlechte Arbeit macht.

Wallstein: Sie sollten sich fragen, warum die AfD in Sachsen so hohe Zustimmung­swerte hat.

Winkel: Wegen der Unzufriede­nheit mit der Bundesregi­erung.

Wallstein: Die AfD gibt es aber nicht erst seit gestern. Und die hohen Zustimmung­swerte nicht erst seit der Ampel.

Winkel: In der CDU führen wir seit zwei Jahren einen selbstkrit­ischen Prozess. Wir korrigiere­n dabei auch Positionen aus der Regierungs­zeit der CDU, die Mitglieder und auch viele Bürger für falsch gehalten haben, allem voran die Migrations­politik. Wenn Sie sich diese Selbstkrit­ik nicht zutrauen, dann wird die SPD in Sachsen nicht mal in den Landtag einziehen.

Umfragen zeigen, dass die Umfragewer­te der AfD neuerdings sinken. Kann das Verfahren, egal, wie es ausgeht, nicht auch unentschie­dene Wähler aufrütteln?

Winkel: Man kann die AfD nicht mehr stigmatisi­eren, als sie jetzt schon stigmatisi­ert ist. Selbst wenn ein Antrag erfolgreic­h wäre, würde dadurch nicht der politische Unmut in Deutschlan­d verschwind­en. Die Betroffene­n würden schlicht und ergreifend eine andere Partei gründen.

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Foto: Christophe Gateau/dpa Auch auf Demonstrat­ionen wird öfter ein Verbot der AfD gefordert – wie hier in Berlin.
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Fotos: dpa

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