Neue Sicherheitsdebatte im Eiskanal
Nach den Stürzen der Top-Teams mit den Weltklasse-Bobpiloten Vogt und Lochner gibt es kurz vor der WM eine Sicherheitsdebatte – und die Forderung, den Weltcup in Altenberg abzusagen.
Die Bob- und Rennschlittenbahn in Altenberg gehört zu den anspruchsvollsten der Welt, selbst für Top-Athleten ist der Eiskanal im Osterzgebirge eine Herausforderung – wie gleich das erste Training für den Bob- und Skeleton-Weltcup an diesem Wochenende wieder gezeigt hat.
Beim Vormittagstraining am Dienstag stürzte der deutsche Top-Pilot Johannes Lochner aus Berchtesgaden mit seinem Viererbob in der kniffligen Kurvenkombination 13/14. Entgegen dem ersten Eindruck, der Weltcupführende sei mit dem Schrecken davongekommen, erlitt er doch ernstere Verletzungen.
„Johannes Lochner ist auf dem Weg nach München und hat dort einen MRTTermin, um seine Verletzung an der Halswirbelsäule untersuchen zu lassen“, erklärte Bundestrainer René Spies am Mittwoch. In jedem Fall muss Lochner, der vergangene Saison erstmals Zweierbob-Weltmeister wurde und mit dem früheren Dresdner Georg Fleischhauer als Anschieber momentan der dominierende Mann ist, mindestens auf den Weltcup in Altenberg verzichten. „Jetzt müssen wir schauen, ob es für die WM in Winterberg reicht“, sagte Spies. Der Saisonhöhepunkt im Hochsauerland beginnt in der kommenden Woche.
Entwarnung gibt es indes für Lochners Anschieber Erec Bruckert, der beim Sturz aus dem Bob geschleudert und danach zur Untersuchung ins Krankenhaus gefahren wurde. Auch er fällt für den Weltcup aus, ein WM-Start scheint – Stand jetzt – offenbar möglich zu sein.
Mit schwerwiegenderen Folgen endete am Dienstagnachmittag dagegen der Sturz des Schweizer Teams um den WeltklassePiloten Michael Vogt. Wie der Schweizer Verband „Swiss Sliding“bekannt gab, verletzte sich Anschieber Sandro Michel dabei schwer. Demnach kippte der Bob, mit rund
130 km/h in diesem Trainingslauf der Schnellste, ebenfalls im unteren Teil der Bahn um und rutschte auf der Seite liegend in den aufsteigenden Zielbereich – dann aber wieder unkontrolliert zurück und erfasste den in der Bahn befindlichen und nach SZ-Informationen dort benommen liegenden Michel. In einer solchen Situation kann der rund 600 Kilogramm schwere Viererbob eine Geschwindigkeit von rund 50 bis 60 Kilometer pro Stunde erreichen.
Der 27-jährige Anschieber, den es beim Sturz aus dem Schlitten schleuderte, wurde sofort notärztlich versorgt, mit einem Hubschrauber in die Uniklinik nach Dresden geflogen und dort in der Nacht zum Mittwoch operiert. Laut Verband bestand für Michel zeitweise Lebensgefahr, mittlerweile befinde er sich in stabilem Zustand. „Michel zog sich Verletzungen im Beckenund Oberschenkelbereich zu“, heißt es in einer Medienmitteilung. Und weiter: „Das genauere Ausmaß der Verletzungen von
Sandro Michel, der auch im Brustkorb verletzt wurde, sollen die weiteren Untersuchungen ergeben.“Der 26 Jahre alte Pilot Vogt wurde ebenfalls schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt. Er erlitt eine schwere Gehirnerschütterung sowie Prellungen und kam in ein umliegendes Krankenhaus. Die zwei weiteren Anschieber des Vierers, Andreas Haas und Dominik Hufschmid, blieben ohne größere Blessuren.
„Der Trainingssturz von Michael Vogt und seinem Team und die dadurch entstandenen teils schwersten Verletzungen sind ein tragisches Unglück, das uns zutiefst erschüttert und betroffen macht“, sagte der Altenberger Bahnchef Jens Morgenstern. Zugleich dankte er den Rettungskräften, „die die verletzten Athleten vor Ort auf höchstem Niveau versorgt und anschließend ins Krankenhaus gebracht haben“sowie dem DRK-Kriseninterventionsteam, „das sowohl unseren Mitarbeitern als auch dem Schweizer Team unterstützend zur Seite steht“. Den verletzten Athleten wünsche er „von Herzen alles Gute und eine schnelle Genesung“.
Das Training in Altenberg war das erste überhaupt für dieses neu zusammengestellte Schweizer Team. Vogt und Michel sind im Zweier bereits seit Jahren ein eingespieltes und erfolgreiches Duo, das insbesondere in dieser Saison zu den stärksten Konkurrenten der deutschen Teams um den viermaligen Olympiasieger Francesco Friedrich aus Pirna sowie Weltmeister Lochner zählt. Bei Olympia 2022 wurden Vogt/Michel zuletzt Vierte. Vor einem Jahr bei der WM in St. Moritz gewannen sie die Bronzemedaille, und im Dezember 2023 im französischen La Plagne fuhr das Duo zu seinem ersten Weltcupsieg. Um mit Blick auf die bevorstehende WM in Winterberg sowie Olympia 2026 auch im Viererbob noch konkurrenzfähiger zu sein, wurden Vogt nun für den großen Schlitten die besten Anschieber des Landes zugeteilt.
Der Verband hat es den anderen Schweizer Teams freigestellt, ob sie an den Trainings- und Wettkampffahrten teilnehmen. Zugleich erklärte „Swiss Sliding“, dass an der Bahn in Altenberg mittlerweile eine Untersuchung zum Unfallhergang eingeleitet worden ist. Unabhängig davon ist eine neuerliche Sicherheitsdiskussion in der Rennsportart Bob entbrannt. Auf der Instagram-Seite „the.brakeman“, einer internationalen Kommunikationsplattform von und für Anschieber, heißt es in Richtung Weltverband IBSF: „Es gibt Sicherheitsbedenken in unserem Sport, und als Athleten müssen wir unsere Meinung mit mehr Nachdruck vertreten. Wir müssen sehen, dass die IBSF die Sicherheit der Athleten tatsächlich ernst nimmt.“
Der Unfall sei einer, „der buchstäblich gewartet hat zu passieren, weil man verunglückte Schlitten auffängt oder nicht auffängt. Das muss sich ändern.“Die persönliche Forderung eines Anschiebers, die für Samstag (17.2.) und Sonntag (18.2.) angesetzten Weltcup-Rennen in Altenberg aufgrund der aktuellen Ereignisse abzusagen, lehnte der Weltverband ab.