Dresdens englische Kolonie
Zum Ende des 19. Jahrhunderts lebten in Dresden bis zu 1.200 Briten. Sie brachten die Straßenbahn und den Fußball mit. Die Gebäude dieser Zeit wurden 1945 zerstört. Der Freundschaftsvertrag mit Coventry erinnert auch daran.
Es waren die letzten steinernen Zeitzeugen eines besonderen Kapitels in der Stadtgeschichte. Diese historischen Postkarten zeigen eine Kirche, Hotels, Restaurants, eine Straßenbahn. Während die einst hier heimischen Briten Dresden im Ersten Weltkrieg verlassen hatten, standen die Häuser bis zum 13. Februar 1945. Die Spreng- und Brandbomben der anglo-amerikanischen Fliegerstaffeln trafen auch die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten Gebäude der einstigen englischen Kolonie zwischen Bürgerwiese und Wiener Straße.
Statistiken zufolge lebten hier um 1890 etwa 1.200 Briten. Sie seien „very special“gewesen, schreibt Ralf Richter in den Dresdner Heften des Geschichtsvereins zum Thema: „Nicht nur die Sprache, auch die Religion zeichnete sie aus – außerdem waren sie wohlhabend, überwiegend jung, weiblich sowie kunst- und kulturinteressiert.“Die Erklärung lieferte wiederum ein Zitat der Gräfin von Baudissin von 1907: „Dresden ist diesen Fremden eben die erste Kunststadt Deutschlands, und durch seine Konservatorien und berühmten Gesangslehrer und -lehrerinnen, durch seine Galerien und Museen, durch die Unterricht erteilenden Maler und Malerinnen, vor allem durch seine Konzerte und die Oper, die immer noch als die beste Deutschlands gilt, hat es diesen Ruf erhalten.“
Deshalb schickten gut betuchte Briten ihre Kinder gern zum Studium nach Sachsen, vor allem ihre Töchter, denn von den Schülern und Studenten waren fast zwei Drittel weiblich. Und so traf man beim Spaziergang im Großen Garten englische Reiterinnen, gut zu erkennen an ihren großen Hüten. Die Briten übernahmen auch die Straßenbahn. Am 6. Mai 1879 gründete der Ingenieur Alfred Parish aus London die „Tramways Company of German Limited“ und pachtete die Linie Blasewitz-Plauen. 1895 beförderte die Gesellschaft fast 25 Millionen Fahrgäste. Der Rat der Stadt erschwerte die Vergabe von Konzessionen an die Briten und vergab diese 1889 an die „Deutsche Straßenbahngesellschaft“. Diese fuhr zunächst mit roten Wagen, weil die britische Bahn mit gelben unterwegs war.
Zum Fußball trafen sich Engländer spätestens ab 1874 auf den Wiesen an der Lennéstraße.
Sie gründeten den Dresden Football Club (D. F. C.), mutmaßlich der erste Fußballverein auf dem europäischen Festland. Die Mannschaft soll mehr als 20 Jahre ungeschlagen geblieben sein, berichtete die Wiener „Allgemeine Sport-Zeitung“im Jahr 1894: „Der Dresden English Football Club, der ca. zwanzig Jahre besteht, hat bis 10. März 1894 weder ein Goal noch ein Spiel verloren.“Diese Erfolgsserie riss im
März 1894 mit 0:2 bei Viktoria Berlin. Nach Querelen traten 1898 mehrere Mitglieder aus und gründeten den Dresdner SC.
Die Zeit der englischen Kolonie in Dresden endete mit dem Ersten Weltkrieg, im Zweiten wurden die meisten der Gebäude zerstört oder so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten. Ein ähnlich dramatisches Schicksal wie Dresden hatte Coventry durch drei Angriffe der deutschen Luftwaffe 1940, 1941 und 1942 erlitten. Zur Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages mit Dresden vor 60 Jahren am 14. Februar 1964 würdigte die Bürgermeisterin der englischen Stadt, Mrs. Elsie Jones, „die guten Beziehungen zwischen unseren Städten, die im vergangenen Krieg so Schreckliches erdulden mussten“. Und sie erklärte: „Unser aller Anliegen ist es, dass der Frieden erhalten wird.“