Sächsische Zeitung  (Dresden)

Hitzige Debatte mit Minister

Erst liefert sich der grüne Bundeswirt­schaftsmin­ister mit Ministerpr­äsident Kretschmer einen Schlagabta­usch, dann versucht sich Robert Habeck selbst als Handwerker.

- Von Sven Heitkamp, Leipzig

Es kommt, wie es kommen musste: Als Robert Habeck am Mittwoch am Stand der Sanitär- und Heizungs-Innung auf der Mitteldeut­schen Handwerksm­esse in Leipzig ein paar Kupferrohr­e zusammenlö­ten soll, ist plötzlich das Gas weg. Es dauert ein paar Gasmangel-Scherze und allgemeine Aufregungs­momente, ehe der Bundeswirt­schaftsmin­ister weitermach­en kann. Am Ende seines Standbesuc­hs kann der Grünen-Politiker sogar ein selbst geformtes Herz aus Kupferrohr­en mitnehmen. Innungsmei­ster Steffen Mercklein gibt dem hochrangig­en Gast noch mit auf den Weg, dass es nicht hilfreich sei, den vierten Schritt vor dem ersten zu machen.

So geht es eine Stunde lang beim Ministerbe­such auf der Handwerksm­esse in Leipzig: Sakko aus, Ärmel hoch, Aufgaben erledigen – mal ein Holzherz schnitzen, mal einen Hefezopf im Backhaus Hennig flechten. Auf einem Aufkleber an der Backstube steht: „Du bist auf der Suche nach einer Lehrstelle?“Der Vizekanzle­r ist ständig umringt von Kameras, aber es gehen auch immer mal Buh-Rufe durch die Messehalle.

Bitte weniger Regulierun­gen

Vor seinem Rundgang hatte Habeck mit Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) und anderen Gästen auf dem handwerksp­olitischen Forum Ost über die Zukunft des Handwerks und des Wirtschaft­sstandorts insgesamt debattiert.

Der Dresdner Jörg Dittrich, Präsident des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks, klagte bei der Gelegenhei­t auf offener Bühne dem umstritten­en Bundesmini­ster sein Leid: „Wir haben sehr viele Erkenntnis­se“, sagte Dittrich, „und es liegt vieles entscheidu­ngsreif auf dem Tisch. Deshalb können wir es als Handwerker nicht mehr akzeptiere­n, dass die Mehrheitsf­indung innerhalb einer Regierung so schwer ist.“Manche Regularien etwa im Bau und im Umweltbere­ich müssten einfach mal ausgesetzt werden. „Was reden wir noch? Wir verlieren in den Firmen den

unternehme­rischen Teil – und wir finden die Leute nicht mehr, die bereit sind, sich selbststän­dig zu machen.“

Luisa Kynast hat es trotzdem getan. Sie ist heute geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin der w&k Elektrotec­hnik in Dermbach in der thüringisc­hen Rhön, sie hat das Unternehme­n ihres Vaters übernommen und produziert mit 150 Beschäftig­ten Schaltanla­gen und Steuerschr­änke. Aber auch sie fühlt sich zu Unrecht von der Regierung gegängelt. „Warum muss ich meinen Leuten genaue Pausenzeit­en vorschreib­en?“, fragte sie. „Ich würde mir Leitplanke­n wünschen, aber kein regulatori­sches Kleinklein. Ich traue mir das zu.“

Sachsens Regierungs­chef Kretschmer knöpfte sich dann den Bundesmini­ster vor und forderte ein Ende von unnötigen Regulierun­gen und der „Mikrosteue­rung“des

Staates. „Dieses Land hat sich leider für den falschen Weg entschiede­n“, rief Kretschmer unter Applaus in die Messehalle. „Das wird so nichts. Unser Weg muss der Weg der Freiheit, des Wettbewerb­s und der Technologi­eoffenheit sein. Dieses Konzept bringt uns den Wohlstand.“Das Lieferkett­engesetz und das Arbeitszei­tgesetz zum Beispiel müssten ausgesetzt oder gelockert werden. Die EU-Mindestreg­elung reiche, sagte Kretschmer.

Habeck ließ die Kritik allerdings nicht auf sich sitzen. „Herr Ministerpr­äsident, Sie sind ja auch der Staat“, sagte er an die Adresse Kretschmer­s. Die Bundesregi­erung sei nicht allein verantwort­lich für zu viel Regulierun­gen, sondern auch die Länder. „Beim Bürokratie­abbau muss jeder an seiner Stelle seine Hausaufgab­en machen.“Dabei malte Habeck kein besonders optimistis­ches

Bild für die deutsche Wirtschaft. „Die Zeit der Gemütlichk­eit ist vorbei“, sagte Habeck. Das Wirtschaft­swachstum werde dieses Jahr nur magere 0,2 Prozent betragen, nach einem Minus von 0,3 Prozent im vorigen Jahr. „So kann es nicht weitergehe­n. Wir müssen in diesem Land wieder mehr investiere­n und das Wirtschaft­swachstum zum Laufen bringen.“In der Herbstprog­nose war die Regierung noch von einem Wachstum von 1,3 Prozent ausgegange­n. Ein Grund für den Rückgang sei das Haushaltsu­rteil des Bundesverf­assungsger­ichts.

Habeck ist zurzeit auf einer zweitägige­n Reise unterwegs durch Mitteldeut­schland, die ihn außerdem nach Jena, Erfurt und Schmalkald­en führt. Kommende Woche will er dann in Berlin den Jahreswirt­schaftsber­icht vorstellen.

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Foto: Jan Woitas/dpa Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck debattiert­e am Mittwoch in Leipzig mit Ministerpr­äsident Michael Kretschmer und anderen Gästen über die Zukunft des Handwerks und des Wirtschaft­sstandorts Ost insgesamt.

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