Migrationsberatung auf Rädern
Adham Salameh fährt mit einem Kleinbus durch den Landkreis Bautzen, um geflüchtete Menschen in Migrationsfragen zu beraten. Ob das Projekt weitergeht, ist ungewiss.
Bautzen. In den Räumen des Vereins „Willkommen in Bautzen“sind an jenem Morgen alle Arbeitsplätze besetzt. Adham Salameh und seine drei Kollegen tippen am Computer, sortieren Dokumente, zwischendurch klingelt ein Handy. Der Verein ist für viele Geflüchtete im Landkreis Bautzen die erste Anlaufstelle für Fragen zu Behördengängen, Deutschkursen oder Handyrechnungen. Adham Salameh, 33 Jahre alt, weißer Kapuzenpulli, darüber eine schwarze Jeansjacke, packt seine Sachen. Er hat heute Außendienst. Das heißt, er fährt mit einem umfunktionierten Handwerkerbus nach Wehrsdorf oder Wilthen und leistet vor Ort eine mobile Migrationsberatung.
Das Projekt läuft seit März 2023. Anfang 2024 ist die Förderung ausgelaufen. Salameh fährt heute trotzdem nach Wehrsdorf. „Der Beratungsbedarf ist einfach so groß“, sagt Astrid Riechmann, Geschäftsführerin des Vereins. 1.200 Beratungen führen sie im Jahr durch. Zurzeit kann der Verein Salameh noch ein Honorar für seine Beratungen zahlen. Wie lange das noch geht: ungewiss.
Auf der Fahrt wird klar, wie groß der Hilfsbedarf ist. Er erzählt, er bekomme um die 20 Anrufe pro Tag. Die Anrufer brauchen Hilfe bei einer Übersetzung, suchen einen Deutschkurs oder müssen einen Antrag stellen. Salameh sagt: „Ich mache das gerne.“Das Wissen habe er sich über die Jahre angeeignet. Und in seiner Heimat Libyen habe er Betriebswirtschaftslehre studiert: „Da habe ich Statistik, Verwaltungen und Rechnungen gelernt.“Salameh ist vor 33 Jahren in Libyen geboren. Später lebte er eine Zeit lang im Libanon, seine Familie ist palästinensisch. Als er nach Deutschland
kam, wollte er sein Studium fortführen. „Aber ohne Zeugnisse, das funktioniert nicht“, sagt er heute. Vor sechs Jahren zog er nach Bautzen. Nun jobbt er mal als Sprachmittler bei „Willkommen in Bautzen“, mal als Paketzusteller für Amazon. Er sagt: „Eigentlich suche ich einen Job als Sozialarbeiter, aber hier in Bautzen habe ich wenig Hoffnung.“Die Asylunterkunft in Wehrsdorf liegt am Rand des Dorfes, anderthalb Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt. Ein Plattenweg führt auf den Parkplatz. Im Nieselregen warten bereits vier Syrer, drei weitere kommen die Treppe hinunter. Salameh kündigt sein Kommen immer einen Tag vorher in einer WhatsApp-Gruppe an. Die Männer freuen sich, ihn zu sehen. Salameh setzt sich auf die Rückbank des Busses, vor ihm ein kleiner Tisch, darauf klappt er seinen Laptop auf. Die Männer setzen sich um ihn herum. Salameh erklärt geduldig, nimmt sich Zeit, hört zu. Die Männer scheinen ihn zu mögen, und vor allem: ihm zu vertrauen. Nach zwei Stunden ist er alle Briefe durchgegangen. Er sagt: „Heute war viel los.“Bis Ende 2023 kam die Kamenzer Bildungsgesellschaft, kurz KaBi, einmal pro Woche nach Wehrsdorf, um all die Anliegen der Menschen zu klären. Seit Anfang 2024 hat die Caritas übernommen, die Beratungen vor Ort wurden jedoch eingestellt. Dazu komme, so erklärt es Astrid Riechmann, dass zu Beginn des Jahres alle Stellen für Sozialarbeiter in den Asylunterkünften vom Landratsamt gestrichen wurden.
Auf der Rückfahrt öffnet sich die Wolkendecke über Bautzen. Die Sonne spiegelt
Adham Salameh hilft geflüchteten Menschen im Landkreis Bautzen, im Dickicht der deutschen Verwaltung durchzusehen.
sich auf den roten Ziegeldächern. Salameh lächelt. Schön sei es, Bautzen. Aber bleiben will er nicht: „Wir leiden hier. Es gibt viel Stress gegen Ausländer. Ich kann wenigstens Deutsch, aber es ist trotzdem anstrengend.“Am liebsten wolle er nach Berlin. „Meine Lieblingsstadt.“
Auch Astrid Riechmann ist klar: „Wenn Adham eine andere Arbeit findet, ist er weg.“Unklar ist, wer dann den vielen Menschen hilft, die im deutschen Verwaltungssystem nicht alleine zurechtkommen.