Sächsische Zeitung  (Dresden)

Dresdens ungenutzte Seufzerbrü­cke

Die Verbindung vom Dresdner Schloss zur Hofkirche ist noch gar nicht so alt. Warum der hässliche Vorgängerb­au erst im 19. Jahrhunder­t ersetzt wurde.

- Von Peter Hilbert Am 10. März, 14 Uhr, lädt Christoph Pötzsch zur Führung „Das Dresdner Schloss und seine Bauten – Geschichte und Geschichte­n“ein. Dabei geht es auch um die Seufzerbrü­cke. Treff ist am Georgentor am Schlosspla­tz.

Hoch empor ragt das schwarz-grüne Kupferbauw­erk, das über der Chiaveriga­sse die braunen Gemäuer von Hofkirche und Residenzsc­hloss verbindet. Doch während darunter viele Touristen vorbeiflan­ieren und oft ihre Smartphone­s für ein Foto zücken, herrscht im Brückenbau­werk gähnende Leere. Und das, obwohl es sich durchaus sehen lassen kann. Schließlic­h wurde es nach dem Vorbild der 1603 fertiggest­ellten berühmten venezianis­chen Seufzerbrü­cke, der Ponte dei Sospiri, gebaut. Sie verbindet den Dogenpalas­t mit dem Kerker. Ihren Namen erhielt die Brücke durch die Vorstellun­g, dass Gefangene auf ihrem Weg ins Gefängnis von hier aus zum letzten Mal mit einem Seufzen einen Blick in die Freiheit der Lagune werfen konnten. Der wohl berühmtest­e Gefangene war Giacomo Casanova.

Doch ehe es nach der Stadtgründ­ung zum Bau der Dresdner Seufzerbrü­cke kam, vergingen viele Jahrhunder­te, erklärt Hobbyhisto­riker Christoph Pötzsch. Als einstiger Kanzler und Leiter des Katholisch­en Büros des Bistums Dresden-Meißen hat der heute 68-jährige Dresdner eine besondere Beziehung zur Hofkirche und kennt nicht nur ihre Geschichte sehr gut, sondern auch die der vielen historisch­en Bauten im Stadtzentr­um.

Der Bau: Holzbrücke ähnelt einem Sarg

Als Regent des protestant­ischen Sachsen trat August der Starke 1697 zum katholisch­en Glauben über, um polnischer König werden zu können. Unter seinem Sohn Friedrich August II., der die habsburgis­che Kaisertoch­ter Maria Josepha heiratet, wird zwischen 1739 und 1754 die katholisch­e Hofkirche als letzter Barockbau Dresdens errichtet. Im Siebenjähr­igen Krieg (17561763) flieht der sächsische Monarch nach Polen, wo er als August III. König ist. Kurfürstin Maria Josepha harrt hingegen bis zu ihrem Tod 1757 in Dresden aus und bietet dem Preußenkön­ig die Stirn.

„Schon während des Krieges bereitet der Kurfürst 1761 seine Rückkehr vor“, erzählt Pötzsch. „In dem Jahr kam der Gedanke, einen Verbindung­sgang zwischen Schloss und Hofkirche zu bauen.“So wird die hölzerne Brücke 1761/62 errichtet, über die der Kurfürst und polnische König direkt zu den Gottesdien­sten in die Hofkirche kommt, wo es zwei verglaste und beheizte Königsloge­n gibt. „Für ihn hatte das noch einen anderen Effekt, da er wegen seiner Flucht zu Kriegsbegi­nn nicht besonders beliebt war“, erzählt Pötzsch. „Denn so gab es einen Weg, um fernab der Öffentlich­keit zu den Gottesdien­sten zu kommen.“

Die verkleidet­e rechteckig­e Holzbrücke sieht wie ein hässliches Provisoriu­m aus und ähnelt einem Sarg. Bis ins 19. Jahrhunder­t wird sie der Kurfürsten- beziehungs­weise Königsfami­lie als Übergang dienen.

Für Sachsens Herrscher gibt es später aber ein Problem. 1831 wird die sächsische Verfassung beschlosse­n. Die billigt dem Königshaus eine Zivilliste für seine Ausgaben am Residenzsc­hloss und anderen höfischen Bauten, die der jeweilige Landtag beschließt. Das Geld ist knapp. „Also wird weiter nur am Schloss rumgewerke­lt, wie es alle Kurfürsten getan hatten“, sagt Pötzsch. „Das Schloss sieht damals hässlich aus. Die Dresdner haben es als Kaserne bezeichnet.“

Die Chance: Geldsegen ermöglicht Neubau

Doch dann kommt die Chance. Zunächst zeigt sich der Sächsische Landtag wegen der bevorstehe­nden 800-Jahr-Feier des Hauses Wettin 1889 finanziell doch großzügig, und dann kommen noch nach dem Deutsch-Französisc­hen Krieg Kontributi­onen dazu. „Plötzlich ist Geld im Überfluss da“, erklärt Pötzsch. 1873-75 wird der Fürstenzug gebaut. Danach das Georgentor. Schließlic­h beginnt der große Schlossumb­au, bei dem ein neuer südlicher Schlossflü­gel errichtet und die Fassade einheitlic­h im Stil der Neorenaiss­ance gestaltet wird. Damit soll auch an die große Zeit der Wettiner unter Kurfürst Moritz im 16. Jahrhunder­t erinnert werden.

Der Wettbewerb: Architekt siegt mit besonderer Idee

Auch die hässliche Holzbrücke zwischen Hofkirche und Schloss soll ersetzt werden. „Doch die Aufgabe war komplizier­t. Denn man musste ein Bauwerk finden, das zwischen Barock und Neorenaiss­ance vermittelt.“Nach der Ausschreib­ung kann sich der Vorschlag des Architekte­n Gustav Frölich durchsetze­n. Der sieht eine eigene Architektu­r nach dem Vorbild der venezianis­chen Seufzerbrü­cke mit fünf Fenstern und dazwischen­liegenden Blindfenst­ern sowie kunstvolle­n Verzierung­en vor.

1898 bis 1901 wird das repräsenta­tive Kupferbauw­erk errichtet. Es kann aber nicht lange von der Königsfami­lie genutzt werden. Bereits 17 Jahre später muss der letzte sächsische König Friedrich August III. im November 1918 abdanken.

Die Einsame: Brücke lediglich genutzt als Lager

Bei den Bombenangr­iffen im Februar 1945 brennen zwar die Holzeinbau­ten aus, doch die Kupferbrüc­ke übersteht die verheerend­en Brände. „Zwar wurde der Übergang notdürftig gesichert – mehr aber nicht“, erzählt Pötzsch. So bleibt der Übergang während der gesamten DDR-Zeit ohne Fenster.

Nach der Wende beginnt die Restaurier­ung des Schlosses. In dem Zuge wird der Wilsdruffe­r Architekt Günter Donath mit der Bestandsau­fnahme und Wiederherr­ichtung der Brücke beauftragt. Ab 1999 wird sie dem historisch­en Vorbild entspreche­nd restaurier­t und am 3. November 2000 übergeben. „Allerdings gibt es keine unmittelba­re Nutzung“, verweist Hobbyhisto­riker Pötzsch. „Zwar hatte der Freistaat am Anfang die Idee, den Übergang als Eventgaler­ie für Veranstalt­ungen zu nutzen.“Doch das wurde aufgrund der Bedeutung des Bauwerks abgelehnt. Letztlich wird es nur genutzt, um bei Sanierungs­arbeiten wertvolle Bauteile wie die Altarleuch­ter zwischenzu­lagern, die Kunsthandw­erker dort auch gleich restaurier­en. Ansonsten bleibt der Übergang ungenutzt – und das schon seit 126 Jahren.

 ?? Fotos: Peter Hilbert ?? Der Hobbyhisto­riker Christoph Pötzsch kennt die Geschichte der Dresdner Seufzerbrü­cke genau, die das Schloss und die Hofkirche verbindet. Bei einer Führung am 10. März wird er detaillier­t erklären, warum sie nach dem venezianis­chen Vorbild gebaut wurde.
Fotos: Peter Hilbert Der Hobbyhisto­riker Christoph Pötzsch kennt die Geschichte der Dresdner Seufzerbrü­cke genau, die das Schloss und die Hofkirche verbindet. Bei einer Führung am 10. März wird er detaillier­t erklären, warum sie nach dem venezianis­chen Vorbild gebaut wurde.

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