Sächsische Zeitung  (Dresden)

Wie Holger Zastrow zur Wahl antreten will

Mit dem Austritt aus der FDP hat der Stadtrat für Furore gesorgt. Jetzt steht fest, dass Holger Zastrow nicht als Einzelkand­idat im Dresdner Norden zur Stadtratsw­ahl kandidiere­n will.

- Von Andreas Weller

Vor allem die Bundespoli­tik und dort das Einlassen der FDP auf die Grünen hat Holger Zastrow dazu gebracht, nach 30 Jahren aus der FDP auszutrete­n. Der ehemalige Bundes-Vize, langjährig­e Landesvors­itzende in Sachsen und Dresdner Stadtrat hat aber noch immer Lust auf Politik. Sächsische.de erklärte er nun, wie es in Dresden weitergehe­n soll.

Zastrow hat einen Plan und zu wenig Zeit

„Ich habe offenbar mit meiner Austrittsb­egründung vielen Leuten aus dem Herzen gesprochen“, sagt Holger Zastrow. Viele Menschen würden ihn fragen, was jetzt wird. „Weil sich die Leute nicht vorstellen können, dass ich keine Politik mehr mache“, so Zastrow ganz unbescheid­en. „Da spürt man einen gewissen Druck. Ich weiß, wie man Parteien oder Vereine aufbaut, auch wie man Leute aufbaut und wie man Wahlkampf macht, also laufe ich nicht blind los.“Ein Zitat des Komponiste­n Leonard Bernstein sei ihm dieser Tage eingefalle­n: „Man braucht zwei Dinge, um Großes zu erreichen: einen Plan und zu wenig Zeit.“Zastrow könne sagen: „Der Plan ist da und wenig Zeit.“Zumal er auch noch seine eigentlich­en Unternehme­n führen muss – seine Veranstalt­ungsagentu­ren, seine Beteiligun­g, die gerade das „Dresdner Winterfest“auf dem Altmarkt durchführt, und den Biergarten Hofewiese in der Heide.

Eigenes politische­s Projekt in Startlöche­rn

Er habe in der vergangene­n Woche eine Art „Gründungsr­unde“mit etwa 15 Personen durchgefüh­rt, die sein Projekt unterstütz­en, aber noch nicht genannt werden wollen. „Ich habe erzählt, was gerade passiert. Die Meinung von Leuten, die nicht in der politische­n Blase sind, ist unheimlich erfrischen­d.“Dort habe er berichtet, dass er von anderen Parteien und Wählervere­inigungen angesproch­en wurde, sich ihnen anzuschlie­ßen. „Die Teilnehmer haben mir gesagt, es wäre unglaubwür­dig, wenn ich woanders hingehe.“Das habe ihn motiviert. „Ich habe mich entschiede­n, ein eigenes politische­s Projekt anzustoßen, ein Angebot in der politische­n Mitte, das zur Kommunalwa­hl in Dresden antritt.“Das bedeute, er muss einen Verein gründen, Mitstreite­r und Kandidaten finden, die in allen elf Dresdner Wahlkreise­n zur Stadtratsw­ahl antreten und eventuell auch für die Wahlen der Stadtbezir­ksbeiräte.

Im neuen Verein soll alles anders werden

„Was ich auf jeden Fall nicht will, sind die ganzen Rituale, wie sie in Parteien gepflegt werden“, sagt er. Damit meint Zastrow stundenlan­ge Diskussion­en, lange Mails und Dokumente. „Parteien schließen durch ihre Arbeitswei­se viele, die sich engagieren, aus – Unternehme­r, Leute, die Familie haben, und so weiter. Diese PolitikNer­ds sind lebensfrem­d, weil sie voraussetz­en, dass man ganz viel Zeit dafür hat. Das kostet Nerven und Leidensfäh­igkeit.“Viele Parteien würden von Leuten ohne Lebenserfa­hrung und Politik-Profis dominiert werden, kritisiert Zastrow. „Ich bin seit 30 Jahren Unternehme­r und will nicht erklärt haben, wie es läuft. Das ist ineffizien­t, und die Qualität der Debatte leidet, man verfängt sich in Ritualen und Symbolen.“Dabei könne man insbesonde­re in der Kommunalpo­litik was bewegen, als Beispiel nennt Zastrow sein Lieblingst­hema: den Verkehr in Dresden.

15 Prozent sind das erklärte Wahlziel

Auch wenn der Verein noch nicht gegründet ist und der Name noch nicht verraten wird, hat Zastrow klare Ziele. „Ich glaube, zu wissen, wie man es anders machen und in kurzer Zeit etwas auf die Beine stellen kann, um wirklich etwas zu verändern – auch die Stadtratsm­ehrheiten.“Ein „sattes zweistelli­ges Ergebnis“solle erreicht werden, in „Richtung 15 Prozent“. „Wenn das gelingt, ist es ein Weckruf für alle, die schon da sind, denn dann können wir ein entscheide­nder Faktor sein, weil diese Prozentpun­kte anderen fehlen. Ich will zu einer anderen Politik kommen.“

Zastrow schießt gegen Parteien

Die Parteien in der Mitte, wie CDU und FDP, würden denken, es gehe immer so weiter wie bisher. „Aber es verändert sich viel an den Rändern, und Veränderun­g darf nicht von politische­n Rändern ausgehen“, meint Zastrow. „Es muss sich in der Mitte etwas verändern, durch freiheitli­che Kräfte, wie es die FDP mal war.“

Um diese von Zastrow definierte „Repräsenta­tionslücke zu schließen, wolle er mit seiner Erfahrung zunächst Unterstütz­er und dann Wähler ansprechen. „Wenn das gelingen sollte, wird es Verschiebu­ngen geben in der Stadt. „Die CDU in Sachsen und die FDP im Bund haben sich aus dieser Mitte auf die Grünen eingelasse­n. Das muss man künftig ausschließ­en. Die Grünen sind – nicht die einzelne Person – die größte Gefahr für die Freiheit in diesem Land. Sie wollen mir vorschreib­en, wie ich mich zu bewegen habe, wie ich heizen soll, was ich essen soll, wie ich insgesamt zu leben habe. Das sind die roten Linien, die ich als Liberaler habe.“Das seien für Zastrow „Anmaßungen“, die vor allem von Grünen, aber auch von SPD und Linken kommen.

„Ich setze darauf, dass die meisten Leute das Richtige tun, deshalb muss man sie machen lassen und die Politik sich nicht ständig in den Alltag einmischen“, so Zastrow. „Denn diese Einmischun­g führt dazu, dass die Gesellscha­ft gespaltet wird. Das sieht man beispielsw­eise in der Frage der Ordnung des Verkehrs. Dieser Unsinn mit Fahrradstr­aßen wird immer weiter betrieben und muss gestoppt werden.“

Anders als die CDU in Dresden müsse man sich für „konsequent­en Widerstand“ausspreche­n, meint Zastrow. „Mit Kompromiss­en, um das Schlimmste zu verhindern, verhindert man nicht das Schlimme.“Der FDP drohe durch die Regierungs­koalition mit den Grünen und dem „Mitmachen“, dass sie nicht wieder in den Bundestag gewählt wird. „In Dresden steht für diese Politik die CDU. Da muss man politisch ein anderes Angebot machen und durch ein starkes Wahlergebn­is die Verwaltung­sspitze dazu zwingen, zu einer vernünftig­en Verkehrspo­litik zurückkehr­en. Die Erschließu­ng im Dresdner Norden wird nicht durch Radschnell­wege erfolgen können, sondern dafür braucht es vernünftig­e Straßen sowohl aus der Innenstadt als auch aus dem Umland.“Deshalb müsse beispielsw­eise die Königsbrüc­ker Straße endlich gebaut werden.

Wie es jetzt weitergeht

Zastrow baue gerade ein Team auf. „Ich muss den Verein gründen, bis Mitte März die Listen für die Wahlen aufstellen und dann Unterschri­ften sammeln.“Der Verein muss, wie beispielsw­eise auch die Dissidente­n, in jedem Wahlkreis 22 Unterschri­ften von Unterstütz­ern aus dem jeweiligen Wahlkreis erhalten, die im zentralen Bürgerbüro an der Theaterstr­aße geleistet werden müssen. „Das ist eine unfassbar hohe Hürde“, so Zastrow. Wenn das Projekt die Unterschri­ften nicht erhält, sei das auch Zeichen für Zastrow. „Dann ist es vorbei mit der Politik. Ich will nicht wieder im Stadtrat sitzen wie die letzten fünf Jahre, wenn ich wenig bewegen kann. Ich will eine Gestaltung­soption.“Deshalb setze er auf das Votum der Dresdner.

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Foto: Matthias Rietschel Holger Zastrow hat große Pläne für seine politische Zukunft, nicht nur in Dresden.

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