Staufalle Radeburger Straße – wann verschwindet die Baustelle?
Seit Ende Januar ist eine Spur auf der Radeburger Straße in Dresden gesperrt. Staus sind die Folge. Was dort passiert und wann die Sperrung wieder aufgehoben wird.
Unablässig strömen Autos morgens auf die Radeburger Straße – von der Autobahn aus Richtung Chemnitz und Görlitz, aber auch aus den nördlichen Dresdner Stadtteilen. Mehr als 19.000 Fahrzeuge pro Tag. Zwei Fahrspuren führen normalerweise in die Innenstadt. Eine davon ist allerdings seit zwei Wochen gesperrt. Die Folge: Autofahrer stehen teils mehr als eine halbe Stunde lang im Stau. Das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben.
Autofahrer wurden von der Sperrung überrascht, sie wurde vorab nicht angekündigt, wie es bei größeren Baustellen sonst üblich ist. Nur wer sich regelmäßig im Online-Themenstadtplan der Landeshauptstadt informiert, dürfte von der Staugefahr gewusst haben. Dort ist von erheblichen Einschränkungen seit dem 29. Januar die Rede. Gearbeitet werde im Auftrag der Stadtentwässerung Dresden.
Das Unternehmen teilt auf Anfrage mit, dass die Arbeiten im Zusammenhang mit einem neuen Kanal stehen, der die Abwässer der Dresdner Chipindustrie direkt zum Kaditzer Klärwerk leiten soll.
Der neue, etwa zehn Kilometer lange Kanal soll bei Infineon an der Königsbrücker Straße beginnen, dann über den Heller bis zum A4-Anschluss Wilder Mann verlaufen und von dort an der Autobahn zum Klärwerk führen. Entlang der Trasse sind bereits hunderte Bäume gefällt worden, darunter auch an der Radeburger Straße. Die Fällungen seien auf ein Mindestmaß begrenzt worden, so die Stadtentwässerung. Im Anschluss an die Arbeiten seien verschiedene Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Spätestens 2027 soll der Kanal fertig sein. Kosten: rund 70 Millionen Euro.
Die Sperrung der Fahrspur auf der Radeburger Straße sei nötig, da die Baugruben am Straßenrand liegen, wo sich auch die bestehenden Abwasserkanäle befinden, sagt Torsten Fiedler, Sprecher der Dresdner Stadtentwässerung. Man bemühe sich, die Verkehrsbeeinträchtigungen auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren.
Nötig ist der neue Kanal aufgrund der wachsenden Halbleiterindustrie im Norden der Stadt. Bisher floss das Abwasser von Infineon, Globalfoundries und Co. zunächst in den Neustädter Hauptkanal und dann nach Kaditz. Nun soll es einen direkten Weg geben.
Sperrung noch bis Ende April
Etwa zehn Millionen Kubikmeter Industrieabwasser fließen aktuell zur Kläranlage. „Allein die Werke von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab leiten schon jetzt 93 Prozent der Dresdner Industrie-Abwässer ein“, rechnet die Stadtentwässerung vor. Sie geht in den kommenden Jahren von einer Verdoppelung der Industrieabwassermenge aus. Der Grund: Infineon erweitert sein Werk derzeit. Bis zu 1.000 Arbeitsplätze sollen zusätzlich entstehen. Der Produktionsstart ist für 2026 geplant. Im neuen Werk werden in Zukunft Halbleiter für Elektroautos, Ladesäulen oder Windparks gefertigt. In diesem Jahr soll außerdem der Bau des neuen TSMC-Werkes beginnen. Der Produktionsstart wird für 2027 angestrebt. Das vorhandene Kanalnetz wäre mit den neuen Abwassermengen überlastet.
Der neue Kanal wird jeweils zur Hälfte in offener und geschlossener Bauweise hergestellt. Offen heißt, dass Gräben ausgebaggert und Rohre verlegt werden. Beim geschlossenen Verfahren werden Stahlbetonröhren durch die Erde gepresst.
Zwischen der A4-Anschlussstelle Wilder Mann und der Radeburger Straße wird derzeit für die offene Bauweise gebaggert, daher die Sperrung an der Bundesstraße. Diese wird voraussichtlich bis Ende April 2024 dauern. Zwischen Radeburger Straße und Königsbrücker Straße fahren die Bauleute anschließend in geschlossener Bauweise fort. Dafür müsse die Radeburger Straße allerdings nicht noch einmal gesperrt werden, so die Stadtentwässerung. In der Zwischenzeit bleibt Autofahrern nur die Möglichkeit, alternativ über die Großenhainer oder die Königsbrücker Straße ins Stadtzentrum zu gelangen. Die Ausweichstrecken dürften nach dem Ende der Winterferien aber ebenfalls voll sein im Berufsverkehr.
Weitere Straßensperrungen werden im Zuge der Kanalarbeiten in Dresden unumgänglich sein: So wird die Neuländer Straße aufgerissen. Jetzt im Februar sollen die Arbeiten für den neuen „Industriesammler“dort beginnen. Dauer: 29 Monate. Im Anschluss daran soll die Straße auf einer Länge von 1,1 Kilometern saniert werden. Anwohner zeigten sich davon bei einer Versammlung im Januar wenig begeistert. Sie fürchten ein Parkchaos. Die Alternative wäre, auf der anderen Autobahnseite durch die Heide zu bauen. Dies wäre jedoch sechs Millionen Euro teurer. Begonnen haben im November auch die Kanalarbeiten an der Kläranlage in Kaditz. Dort entsteht zunächst ein Rohrtunnel in Richtung Norden.