„Rammstein haben hier noch nicht gespielt“
Von der DDR-Großgarage zum Dresdner Musik-Leuchtturm für Livekonzerte – der Liveclub Tante Ju feiert zwei Tage lang 20-Jähriges Jubiläum.
Dort wo noch zu DDR-Zeiten ein bekannter Reißverschluss-Hersteller seine Autos parkte, spielten später Weltstars wie John McLaughlin und Al di Meola. Mit dem Liveclub Tante Ju im
Dresdner Industriegelände erfüllt sich
Gunther Rehlig seit
2004 Jugendträume musikalischer Art.
Der studierte Gitarrist, Bauunternehmer und HobbyPilot holt nicht nur seine Lieblingsmusiker in den eigenen
Club, sondern auch andere namhafte Künstler. Im Augusto-Interview zum 20jährigen Jubiläum erzählt Gunther Rehlig von Geburtstagsplänen, von harten Zeiten und neuen Chancen nach einem Brand und von brandneuen SommerfestivalPlänen.
Herr Rehlig, vor 15 Jahren trafen wir uns zum fünfjährigen Tante Ju-Jubiläum. Hätten Sie gedacht, dass wir 2024 wieder hier im Flugzeugsitz plaudern?
Nein, so weit habe ich nie gedacht. Ich bin 2004 einfach ins kalte Wasser gesprungen. Plötzlich hatte ich einen zweiten Vollzeitjob als Bauunternehmer und Clubbetreiber. Es hätte ja auch schiefgehen können. Ich weiß noch, wir waren einen Tag vor der Eröffnung im Club am Wuseln, da kam Bernd Aust um die Ecke und fragte sich, was hier passiert. Heute arbeiten wir hier bei vielen Konzerten zusammen.
Lange galt die Tante Ju als Konzerthalle für Rockmusik-Nostalgiker und eine Nischen-Hörerschaft. Wie ist das heute?
Vor 15 Jahren war die Tante Ju musikalisch noch schmaler aufgestellt. Da gab es meine Lieblingsmusik, also Fusion und Jazzrock, aber auch Blues und Bluesrock. In den letzten Jahren sind der Mainstream, Hip-Hop oder auch Singer-Songwriter-Musik dazugekommen. Die Veranstalter, die sich bei uns einmieten, bedienen eben auch andere Sparten. Ich denke aber, dass das richtig so ist, dass wir uns neuen Musikstilen öffnen. Natürlich schauen wir trotzdem noch, was es ist und sagen nicht bei jeder Anfrage ja.
Der Platz draußen ruft ja förmlich nach einem Sommerfestival?
Ab diesen Sommer werden wir eine überdachte Open-Air-Bühne haben. Geplant ist, von Mai bis November, Konzerte für bis zu 2.000 Gäste zu veranstalten. Da gibt es schon eine große Nachfrage. So etwas gibt es ja noch nicht in Dresden. Die Freilichtbühne Junge Garde muss schon 22 Uhr aufhören. Wir liegen ja nicht in einem Wohngebiet. Solange es keine Beschwerden gibt, können wir quasi die Nacht durchmachen.
2012 war ein Schicksalsjahr für die Tante Ju. Was ist damals passiert?
Jemand hatte in den frühen Morgenstunden die Fenster der Eingangstür eingeschlagen und Geld mitgenommen. Dann haben sie den Schreibtisch mit der Abendkasse angezündet. Nach dem Brand habe ich innerhalb von sechs Wochen den Club neu ausgebaut. Wir konnten sogar die Kapazität von circa 450 auf 800 Leute erhöhen. Heute kann ich es mir selber kaum noch vorstellen wie wir das überhaupt geschafft haben. Auf dem Tresen gibt es heute noch Brandspuren. Am 9. November 2012 haben wir den Club wieder spielfähig bekommen – auch mithilfe vieler Spender – und John McLaughlin spielte zur Wiedereröffnung.
Gab es mal etwas Unvorhergesehenes? Man sagt auch, Sie hätten selbst Künstler mit dem eigenen Jet eingeflogen?
2010 verhinderte eine riesige Aschewolke eines Vulkans in Island, dass ein Künstler einfliegen konnte. Da das Konzert gut besucht war, holten wir uns kurzentschlossen
eine befreundete Band aus Dresden und der Abend war gerettet. Und dass ich mal eine Band mit dem Flugzeug aus Berlin abgeholt habe, weil diese ihren Anschlussflug verpasst hatte, war eher mein privates Vergnügen. Da schließt sich dann auch der Kreis zur Tante Ju und zur eigenen Band Antonov.
Haben Sie selbst mal von einer großen Musikkarriere geträumt?
Zu Ost-Zeiten habe ich ja schon in bekannten Bands gespielt. Ich habe aber immer versucht, Musik zu machen, die mir Spaß macht. Das heißt auch, dass die Musikindustrie, wie sie aufgestellt ist, für mich nicht infrage kam. Auf diese Art ist auch die Tante Ju entstanden. Wir suchten zum Einjährigen nach einem Auftrittsort. Dann fanden wir diese Halle. Früher war es das DDR-Reißverschluss-Unternehmen „Solidor“, hier standen deren Fahrzeuge. Wir haben dann einen schwarz-weißen Flyer gemacht, kopiert und in der Neustadt verteilt. Am Ende waren 350 Leute da.
Haben Sie sich inzwischen alle MusikTräume erfüllen können?
Nur Rammstein haben hier noch nicht gespielt (lacht). Nein, aber John McLaughlin oder Al di Meola hier spielen zu sehen, das war schon ein Traum. Wünsche gibt es noch einige. Es wächst aber ja auch immer wieder etwas nach. Zum Beispiel war der Bluesmusiker Joe Bonamassa 2011 im Club, zu einer Zeit, in der er noch nicht so bekannt war. Aber es gab auch Künstler, die ich holen wollte und dann gestorben sind, die Blues-Legende B.B. King zum Beispiel.
Was passiert, wenn Tante Ju zum Geburtstag einlädt?
Zwei Bands und einen weiblichen Live-DJ wird es geben, Fräulein Clara, die schon beim Neujahrssingen dabei war und auch singen kann. Als Hauptband spielen The Crackers, eine polnische, 13-köpfige Band, die richtig Party machen wird. Und ich eröffne den Abend mit meiner Band Antonov. Da ist auch meine Tochter Romy dabei, die sonst bei den Souldiers singt. Im Hintergrund gibt es einen visuellen Rückblick zu den letzten 20 Jahren Tante Ju. Auch am zweiten Abend gibt es ein Doppelkonzert. Es soll eine ausgelassene musikalische Geburtstagsfeier für Musikliebhaber, Weggefährten werden, die einen Bezug zum Club und zu guter Livemusik haben.
Nächstes Jahr gibt die Band Pankow ein Abschiedskonzert im Club. Sie selbst sind nicht mehr der Allerjüngste – wie wird es weitergehen mit der Tante Ju?
Ich denke, es wird auch weiterhin Rockbands geben. Die alten Originale werden zwar immer weniger, aber deswegen machen wir ja diese Covermusik-Geschichten. Solange es mir weiterhin soviel Spaß macht wie bisher, gibt es keinen Grund aufzuhören.
Das gesamte Interview gibt's auf augusto-sachsen.de Die JU wird „20“, 1. März, 20 Uhr mit The Crackers & Antonov ft. Romy Rehlig
funkJUnight 2024, 2. März, 20 Uhr mit Funky Times & Searching For Home web www.liveclub-dresden.de