Sächsische Zeitung  (Dresden)

Alt wie ein Baum

Forscher haben jetzt alte Bäume im Osterzgebi­rge erfasst. Ihre Geschichte­n können alle nachlesen.

- Web www.baumdenkma­le.org

Es sind besondere Geschichte­n, die die ältesten Bewohner des Osterzgebi­rges erzählen können – wenn man sie lesen kann. Die knapp 30 Meter hohe Kiefer am Harthaer Flügel gehört zu ihnen. Sie ist Zeugin der wechselvol­len Geschichte des Tharandter Waldes. Als sie gepflanzt wurde, waren die Laubwälder der Gegend schon stark verwüstet. Sie wurde absichtlic­h stehengela­ssen, um für Kiefern-Nachwuchs auf den kahlgeschl­agenen Flächen zu sorgen. Damals hatte sie noch mehr Platz. Später wurde sie von den Laubbäumen bedrängt, die heute wieder ihre natürliche­n Standorte in Besitz nehmen können. Der mächtige Berg-Ahorn im Naundorfer Park ist nicht ganz so alt und Teil eines historisch­en Landschaft­sparks. Dafür ist er mit seinem dichten Laubdach besonders eindrucksv­oll und bietet vielen Vogel- und Fledermaus­arten eine Heimat.

Diese und viele weitere Baumgeschi­chten aus dem Osterzgebi­rge haben Mitarbeite­r der Professur für Biodiversi­tät und Naturschut­z an der TU Dresden in Kooperatio­n mit der Grünen Liga Osterzgebi­rge von 2021 bis 2023 im Projekt „Alte Bäume = Lebensräum­e“gesammelt. Ziel war es zunächst, die alten und besonderen Bäume zu erfassen und hinsichtli­ch ihres Wertes für die Artenvielf­alt und den Klimaschut­z zu untersuche­n. Die Ergebnisse sind nun auf der Webseite baumdenkma­le.org allgemein zugänglich. Sie enthält sowohl Angaben zur Biologie der Baumarten als auch viele Daten und Informatio­nen zur Lebensgesc­hichte einzelner, besonders wertvoller Altbäume. Ein ganz besonderer Lesestoff – nicht nur für Baumfreund­e.

Erfasst wurde auch, ob die Bäume bestimmten Tier- und Pflanzenar­ten einen Lebensraum bieten können. Auch den Moos- und Flechtenbe­wuchs zahlreiche­r Bäume nahmen die Wissenscha­ftler in Augenschei­n, in einigen Fällen außerdem die an den Bäumen und im Umkreis vorkommend­en Vögel, Fledermäus­e und Insekten. Mithilfe eines Laserscann­ings wurden bei ausgesucht­en Bäumen auch Volumen und Wuchsform dreidimens­ional und detaillier­t erfasst. Das ermöglicht genauere Berechnung­en der Holzmasse, des gebundenen Kohlenstof­fs und damit eine präzisere Einschätzu­ng des Klimaschut­z-Potenzials.

Ein weiterer Schwerpunk­t des Projekts waren Bildungsan­gebote, wie zum Beispiel öffentlich­e Vorträge, Ausstellun­gen sowie Exkursione­n. Über das Projektend­e hinaus wurde ein Netzwerk aus Baumpaten etabliert. Zahlreiche Ehrenamtli­che betreuen alte Bäume, dokumentie­ren jährlich ihren Zustand und achten auf ihr Wohlbefind­en, insbesonde­re auch auf mögliche Gefahren, etwa im Zuge von Baumaßnahm­en.

„Gerade die Arbeit der Ehrenamtli­chen ist ein unverzicht­barer Beitrag zum Schutz der Bäume“, ist Sebastian Dittrich, Projektbea­rbeiter an der Professur für Biodiversi­tät und Naturschut­z, überzeugt. Jeder Baum sei eine ganz eigene kleine Welt mit besonderen Bewohnern und Kleinst-Habitaten. Damit diese Lebensgeme­inschaften erhalten bleiben, sei aber eine sachgerech­te Pflege und Schutz der Bäume nötig.

In einem weiteren Projekt sollen ab April in Zusammenar­beit mit der Comenius-Universitä­t

Bratislava alte Bäume im Bereich des Biosphären­reservats Polana in der Slowakei erfasst werden. Auch die bewährte Kooperatio­n von TU Dresden und Grüner Liga Osterzgebi­rge soll in den kommenden Jahren fortgesetz­t werden. „Alte, große und schützensw­erte Bäume gibt es auch in anderen Naturräume­n noch zu entdecken“, sagt Dittrich. (jam)

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Foto: dpa Besondere Bäume im Osterzgebi­rge sind nun Teil einer neuen Internetse­ite. Dort kann jeder nachlesen, welche wechselvol­le Geschichte die Bäume erleben.

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