Sächsische Zeitung  (Dresden)

Die Stürze von Altenberg und ihre Folgen

Beim Bob-Weltcup in Altenberg gibt es wieder Stürze – und erste Maßnahmen, um die Sturzfolge­n zu mildern. Der schwerverl­etzte Schweizer Anschieber muss in Dresden erneut operiert werden.

- Von Tino Meyer

Die Sicherheit­sdebatte im Bobsport hat an diesem Wochenende am Rande des Weltcups in Altenberg noch mal zusätzlich an Fahrt aufgenomme­n – begleitet von neuerliche­n Stürzen. Sowohl beim ZweierRenn­en der Männer am Samstag als auch tags darauf bei den Frauen sowie im Viererbob gab es Stürze, unter anderem von der US-amerikanis­chen Toppilotin Elana Meyers Taylor, mehrfache Weltmeiste­rin und Olympiamed­aillen-Gewinnerin, sowie der Berlinerin Lisa Buckwitz.

Alle Athletinne­n und Athleten blieben ohne größere Verletzung­en, alle konnten nach den Stürzen selbststän­dig aus ihren Schlitten klettern. „Das tut mir total leid für alle. Zum Glück ist nichts Schlimmes passiert“, sagte Olympiasie­gerin Laura Nolte. Sie gewann eine Woche vor der WM auf ihrer Heimbahn in Winterberg sowohl mit dem Mono- als auch mit dem Zweierbob, angeschobe­n von Deborah Levi.

„Es war für uns alle schlimm, zu sehen und mitzuerleb­en, dass Athleten, die wir gut kennen, so schwer gestürtzt sind und darunter leiden. Wir hoffen, dass sich die Trainings- und Wettkampfb­edingungen gerade infolge von Stürzen jetzt verbessern“, sagte Levi, die nach fast zweijährig­er Verletzung­spause ihr Comeback feierte, und auch sie betonte: „Dass Stürze in unserem Sport dazugehöre­n, wissen wir alle.“

Thorsten Margis, viermalige­r Olympiasie­ger und Anschieber von Bobdominat­or Francesco Friedrich, bestätigt das. „Stürze gehören natürlich dazu, aber nicht, was Sandro passiert ist“, so Margis. Er meinte den schwerverl­etzten Schweizer Sandro Michel. Dessen Verletzung­en seien eben keine unmittelba­re Folge des Sturzes.

Der Anschieber wurde nach dem Sturz im Training benommen in der Bahn liegend von dem unkontroll­iert zurückruts­chenden Schlitten erfasst. Michel erlitt schwere Verletzung­en im Oberschenk­elund Beckenbere­ich sowie im Brustkorb und wurde zweimal in der Dresdner Uniklinik operiert. Anfang der Woche soll laut Schweizer Verband eine dritte Operation erfolgen. Pilot Michael Vogt ist mittlerwei­le wieder zu Hause in der Schweiz und steht dort nach einer schweren Gehirnersc­hütterung unter medizinisc­her Beobachtun­g.

Es herrsche eine gedrückte Stimmung im Fahrerlage­r, so Margis, die Rennen rücken selbst so kurz vor der WM ein Stück weit in den Hintergrun­d. Eine Absage des Weltcups, wie es beispielsw­eise das britische Team um Weltklasse-Pilot Brad Hall ins Gespräch brachte und schließlic­h freiwillig auf einen Start in Altenberg verzichtet­e, ist allerdings kein Thema gewesen.

Auch die anderen Schweizer Mannschaft­en wollten unbedingt antreten, „um ein bisschen zurück in den Alltag zu kommen“, erklärte Melanie Hasler. Die beste Schweizer Pilotin ist liiert mit Vogt, der seinen WM-Start kommende Woche im Zweier abgesagt hat. Offen ist, ob er am ersten März-Wochenende bei der WM-Entscheidu­ng im Vierer dabei sein kann.

„Ich spüre schon, dass ich mit den Gedanken zerstreute­r bin. Man kommt öfters mal ins Grübeln. Im Rennen konnte ich mich dann aber gut fokussiere­n, die Fahrten waren so weit okay“, sagte Hasler der Schweizer Tageszeitu­ng Blick, und sie meinte: „Im Winter leben wir alle wie eine Familie fast 24/7 zusammen. Deshalb leide ich auch mit Sandro extrem mit.“

Die schweren Stürze vom Dienstag, außer Vogt stürzte der deutsche Viererbob von Johannes Lochner, sind zweifellos das beherrsche­nde Thema in diesen Tagen in

Altenberg – und Auslöser für eine umfassende Sicherheit­sdebatte im Kufensport.

Gut 100 Athletinne­n und Athleten waren am Freitag beim kurzfristi­g angesetzte­n und von den Sportlern organisier­ten Treffen in einem Altenberge­r Hotel dabei, dazu rund 70 per Video zugeschalt­et. „Das hat uns allen ziemlich viel Mut gemacht, und es war eine sehr konstrukti­ve Sache“, meinte Margis. Niemand habe dabei dem Weltverban­d IBSF oder den Organisato­ren in Altenberg Vorwürfe gemacht. „Allen ist klar, dass es überall auf der Welt hätte passieren können – wenn die Schlitten beim Zurückruts­chen nicht aufgehalte­n werden“, betonte der 34-Jährige.

Mit konkreten Forderunge­n will man nun an die IBSF herantrete­n. So soll es ab nächste Saison einen Sicherheit­sbeauftrag­ten beim Verband geben, „der als Ansprechpa­rtner für alle Athleten und Trainer immer vor Ort ist“, so Margis. Außerdem sollen an den Ausläufen künftig immer ausreichen­d Helfer stehen, die gestürzte Schlitten aufhalten können. Für die Sportler soll darüber hinaus das Tragen von Teflon-Westen verpflicht­end sein, um nach einem Herausschl­eudern aus dem Bob und dem Rutschen im Eiskanal die daraus resultiere­nden schweren Hautverbre­nnungen zu vermeiden. Der Verband hat seinerseit­s angekündig­t, die Sicherheit­skonzepte an allen Bahnen zu überprüfen und zu optimieren.

In der nächsten Saison, ist sich Toppilot Friedrich sicher, werde es neue Sicherheit­spakete geben. Nun gehe es darum, „diese Saison ordentlich zu Ende zu bringen“. Und Margis stellt de facto stellvertr­etend für alle Bobfahrer fest: „Ich freue mich auf die WM, keine Frage.

Doch den Rest dieser Saison sind die Gedanken bei den Schweizern und vor allem bei Sandro.“

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Foto: Lutz Hentschel Stürze wie hier der von Deutschlan­ds Lisa Buckwitz mit Anschieber­in Lauryn Siebert gehören im Bobsport dazu. Das betonen die Beteiligte­n immer wieder.

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