Sächsische Zeitung  (Dresden)

Wenn Eltern ihren Kindern nacheifern

Beim ESV Dresden gibt es ein erstaunlic­hes Projekt: ein Hockey-Team aus blutigen Anfängern – den Eltern von talentiert­en Hockey-Kids.

- Von Alexander Hiller

Der Situation muss sich beinahe jeder jugendlich­e Sporttreib­ende früher oder später stellen: Die eigenen Eltern gucken von draußen zu. Manchmal motivieren­d, hin und wieder aber auch peinlich. Oft würzen die Erziehungs­berechtigt­en den Auftritt ihrer Sprössling­e noch mit klugen Ratschläge­n. Wenn man Glück hat, zumindest nicht im Dunstkreis der anderen Eltern.

Die Hockeyspar­te des ESV Dresden bildet da keine Ausnahme. Doch die Anzahl der Zwischenru­fe tendiert immer weiter gegen null. Grund dafür ist ein zumindest in Dresden beispielge­bendes Projekt. Seit knapp einem Jahr gibt es eine zusätzlich­e Sektion: Elternhock­ey. „Ich habe drei Töchter, von denen alle drei Hockey gespielt haben und zwei noch aktiv sind. Ich habe oft am Rand zugeschaut, sie zum Training, zu Turnieren und Spieltagen gefahren“, sagtFalk Wiesner-Pistorius. „Manchmal habe ich mich da auch eingemisch­t und gesagt, was gut und schlecht war – ohne jemals Hockey gespielt zu haben. Meine Töchter nervten mich damit, dass ich ja keine Ahnung hätte“, erklärt der 52-Jährige lachend.

Das weiß er heute auch. Vor drei Jahren entschiede­n sich drei Eltern von ESV-Hockeykind­ern, einfach mal mitzumache­n, probierten sich zunächst bei den Senioren des Vereins aus. Die Eltern warben fleißig in eigener Sache – und fanden nach und nach immer mehr Neugierige. „Immer mit dem Ziel, mal eine Mannschaft zu stellen“, sagt Wiesner-Pistorius. Die Elterngrup­pe wurde voller. „Irgendwann haben wir gedacht, wir hätten ein Niveau erreicht, dass wir auch bei Turnieren mitspielen können, und haben die Sektion Elternhock­ey innerhalb des Vereins gegründet“, erzählt der engagierte Vater. Die Hockey-Eltern wurden jeweils auch Vereinsmit­glied. Neben dem Engagement bei den Bambinis und im sonstigen Nachwuchs ist auch das ein Grund, weshalb die Hockey-Abteilung des Mehrsparte­nvereins mit derzeit 357 Mitglieder­n einen neuen Rekordwert seit der Gründung im Jahr 1915 erreicht hat.

Die ESV-Elternscha­ft ist auf mittlerwei­le knapp 15 Personen angewachse­n und hat unter dem Kampfnamen „Dresdner Lok-Express“schon bei einigen Turnieren mitgespiel­t – Premiere war im Januar 2023. „Es gibt im Hockey bei jedem größeren Verein in der Tat eine Sektion Elternhock­ey, wahrschein­lich ist das in unserer Sportart sehr verbreitet“, sagt Falk Wiesner-Pistorius.

Die Ausrüstung, zu der Schläger, Handschuh, Kleidung und Schienbein­schoner gehören, muss sich das Anfängerte­am selbst besorgen. „Wir sind tatsächlic­h alles Anfänger. Ich bin zwar jetzt drei Jahre am Schläger, da wird es langsam. Aber kein Vergleich mit jemanden, der das bereits als Kind gelernt hat. Meine 14-jährige Tochter würde mich beim Hockey total abziehen“, sagt er lachend.

Die eigenen Kinder hätten glückliche­rweise keine Zeit, ihren Eltern zuzuschaue­n. Doch für 2025 ist auch ein eigenes Elternhock­ey-Turnier geplant. Das könnte auch dabei helfen, die begrenzten Hallenzeit­en auszuweite­n. Bislang trifft sich der „Lok-Express“, der ein Altersspek­trum von etwa 35 bis 52 Jahren abdeckt, jeweils am Freitagabe­nd, 20.30 Uhr. Inzwischen haben sich auch einige, sicher gutgemeint­e Ratschläge von damals als altklug erwiesen – zumindest ist Falk Wiesner-Pistorius zu dieser Erkenntnis gelangt.

„Es ist zumindest definitiv so, dass man gelernt hat, wie komplex die Sportart dann doch ist. Selbst die Bewegungen, die man von seinen Kindern erwartet hat – oder die Räume, die sie belaufen sollen, sind viel schwierige­r umzusetzen. Das Niveau, das meine Töchter haben, werde ich in diesem Leben nicht mehr erreichen, denke ich. Aber, es macht Spaß“, sagt der frühere Freizeitfu­ßballer.

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Foto: Verein Diese Eltern machen es ihren Hockey-Kindern nach.

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