Wenn Eltern ihren Kindern nacheifern
Beim ESV Dresden gibt es ein erstaunliches Projekt: ein Hockey-Team aus blutigen Anfängern – den Eltern von talentierten Hockey-Kids.
Der Situation muss sich beinahe jeder jugendliche Sporttreibende früher oder später stellen: Die eigenen Eltern gucken von draußen zu. Manchmal motivierend, hin und wieder aber auch peinlich. Oft würzen die Erziehungsberechtigten den Auftritt ihrer Sprösslinge noch mit klugen Ratschlägen. Wenn man Glück hat, zumindest nicht im Dunstkreis der anderen Eltern.
Die Hockeysparte des ESV Dresden bildet da keine Ausnahme. Doch die Anzahl der Zwischenrufe tendiert immer weiter gegen null. Grund dafür ist ein zumindest in Dresden beispielgebendes Projekt. Seit knapp einem Jahr gibt es eine zusätzliche Sektion: Elternhockey. „Ich habe drei Töchter, von denen alle drei Hockey gespielt haben und zwei noch aktiv sind. Ich habe oft am Rand zugeschaut, sie zum Training, zu Turnieren und Spieltagen gefahren“, sagtFalk Wiesner-Pistorius. „Manchmal habe ich mich da auch eingemischt und gesagt, was gut und schlecht war – ohne jemals Hockey gespielt zu haben. Meine Töchter nervten mich damit, dass ich ja keine Ahnung hätte“, erklärt der 52-Jährige lachend.
Das weiß er heute auch. Vor drei Jahren entschieden sich drei Eltern von ESV-Hockeykindern, einfach mal mitzumachen, probierten sich zunächst bei den Senioren des Vereins aus. Die Eltern warben fleißig in eigener Sache – und fanden nach und nach immer mehr Neugierige. „Immer mit dem Ziel, mal eine Mannschaft zu stellen“, sagt Wiesner-Pistorius. Die Elterngruppe wurde voller. „Irgendwann haben wir gedacht, wir hätten ein Niveau erreicht, dass wir auch bei Turnieren mitspielen können, und haben die Sektion Elternhockey innerhalb des Vereins gegründet“, erzählt der engagierte Vater. Die Hockey-Eltern wurden jeweils auch Vereinsmitglied. Neben dem Engagement bei den Bambinis und im sonstigen Nachwuchs ist auch das ein Grund, weshalb die Hockey-Abteilung des Mehrspartenvereins mit derzeit 357 Mitgliedern einen neuen Rekordwert seit der Gründung im Jahr 1915 erreicht hat.
Die ESV-Elternschaft ist auf mittlerweile knapp 15 Personen angewachsen und hat unter dem Kampfnamen „Dresdner Lok-Express“schon bei einigen Turnieren mitgespielt – Premiere war im Januar 2023. „Es gibt im Hockey bei jedem größeren Verein in der Tat eine Sektion Elternhockey, wahrscheinlich ist das in unserer Sportart sehr verbreitet“, sagt Falk Wiesner-Pistorius.
Die Ausrüstung, zu der Schläger, Handschuh, Kleidung und Schienbeinschoner gehören, muss sich das Anfängerteam selbst besorgen. „Wir sind tatsächlich alles Anfänger. Ich bin zwar jetzt drei Jahre am Schläger, da wird es langsam. Aber kein Vergleich mit jemanden, der das bereits als Kind gelernt hat. Meine 14-jährige Tochter würde mich beim Hockey total abziehen“, sagt er lachend.
Die eigenen Kinder hätten glücklicherweise keine Zeit, ihren Eltern zuzuschauen. Doch für 2025 ist auch ein eigenes Elternhockey-Turnier geplant. Das könnte auch dabei helfen, die begrenzten Hallenzeiten auszuweiten. Bislang trifft sich der „Lok-Express“, der ein Altersspektrum von etwa 35 bis 52 Jahren abdeckt, jeweils am Freitagabend, 20.30 Uhr. Inzwischen haben sich auch einige, sicher gutgemeinte Ratschläge von damals als altklug erwiesen – zumindest ist Falk Wiesner-Pistorius zu dieser Erkenntnis gelangt.
„Es ist zumindest definitiv so, dass man gelernt hat, wie komplex die Sportart dann doch ist. Selbst die Bewegungen, die man von seinen Kindern erwartet hat – oder die Räume, die sie belaufen sollen, sind viel schwieriger umzusetzen. Das Niveau, das meine Töchter haben, werde ich in diesem Leben nicht mehr erreichen, denke ich. Aber, es macht Spaß“, sagt der frühere Freizeitfußballer.