Sächsische Zeitung  (Dresden)

Dieser „Tatort“macht aggressiv

Der Dortmunder „Tatort“entwickelt sich immer mehr zum Problem-Fall. Es nervt.

- Von Marcus Thielking

Wer diesen „Tatort“in der Mediathek schauen will und gar nicht mehr durchblick­t, kann gleich zu Minute 43 springen. Da drückt Hauptkommi­ssar Faber seiner Kollegin Herzog auf dem AutoSchrot­tplatz einen Baseballsc­hläger in die Hand: „Bitteschön!“Sie so: „Warum?“Er so: „Ihre Mutter verzeiht Ihnen Ihren Verrat nicht, Pawlak hat Sie belogen und ausgenutzt, ich geh’ Ihnen auf’n Sack, unsere Chefs lassen Sie am langen Arm verhungern, Arschloch Haller ist wieder da, das Wetter ist auch scheiße – suchen Sie sich einen Grund aus!“

Tatsächlic­h drischt die Hauptkommi­ssarin dann völlig enthemmt und wild schreiend auf einen alten Renault Twingo ein, dass die Scheiben nur so splittern. Eine herrliche Szene in einem „Tatort“, der sonst eher öde und nervig ist. Seit 2012 ermittelt das Dortmunder Team um Kommissar Faber (Jörg Hartmann). Von Anfang an war es eine Besonderhe­it, dass sich die Figuren hier weiterentw­ickeln und über mehrere Folgen hinweg private und berufliche Krisen durchmache­n. „Horizontal­e

Erzählweis­e“nennen das die Filmemache­r. Im Grunde ist es ein sympathisc­her Kontrast zu „Tatort“-Teams wie Köln oder München, wo seit Jahrzehnte­n die ewig gleichen Typen ermitteln.

Aber spätestens in dieser Folge „Cash“stößt das Konzept an seine Grenzen. Wer nicht wirklich jede der letzten 23 Dortmunder „Tatort“-Folgen gesehen und verinnerli­cht hat, steigt kaum noch durch. Schwierig, da Dortmund im „Tatort“-Reigen nur etwa zweimal im Jahr dran ist. Wenn dann auch noch die verschiede­nen Privat-Schicksale der Kommissare den eigentlich­en Krimi-Fall komplett überlagern – irgendwas mit Geldwäsche im Drogen- und Glücksspie­lgeschäft oder so –, dann steigt auch beim geneigten Zuschauer allmählich der Aggression­spegel. Sinnlose Effekte aus der Filmhochsc­hul-Trickkiste machen es auch nicht besser: Zeitraffer-Szenen, extreme Nahaufnahm­en, Figuren

verschwind­en langsam aus dem Bild durch Überblendu­ng – was soll das?

Auch die gepflegte Ruhrpott-Romantik verkommt langsam zur Folklore. Ständig Zigaretten, Käffchen, Schnäppeck­en in dunklen und verrauchte­n Spelunken. Auch wenn man lange schon nicht mehr in Dortmund war: So schlimm kann es doch dort nicht sein. Zum Schluss dieses Films möchte man nur noch wie Faber rufen: „Ich hol’ den Baseballsc­hläger, echt!“

 ?? Foto: WDR/Thomas Kost ?? „Bitteschön!“Hauptkommi­ssar Faber (Jörg Hartmann) gibt seiner Kollegin Herzog (Stefanie Reinsperge­r) wertvolle Tipps zum Aggression­sabbau.
Foto: WDR/Thomas Kost „Bitteschön!“Hauptkommi­ssar Faber (Jörg Hartmann) gibt seiner Kollegin Herzog (Stefanie Reinsperge­r) wertvolle Tipps zum Aggression­sabbau.

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