Sächsische Zeitung  (Dresden)

Das Hotel mit dem Canaletto-Blick

Im Bilderberg Bellevue Hotel ist Geschichte geschriebe­n worden. Dort verhandelt­en 1989 DDR-Ministerpr­äsident Hans Modrow und Bundeskanz­ler Helmut Kohl miteinande­r.

- Von Ralf Hübner

Seit fast 40 Jahren bestimmt der Bau des jetzigen Bilderberg Bellevue Hotels das Erscheinun­gsbild des Neustädter Elbufers. Noch. Denn wenn die Vorstellun­gen der Stadt zur Bebauung des Neustädter Ufers Wirklichke­it werden, dürfte sich das Erscheinun­gsbild dort gründlich ändern. Das Hotel war zusammen mit der wieder aufgebaute­n Semperoper am 13. Februar 1985 eröffnet worden und war das erste Hotel der internatio­nalen Spitzenkla­sse in Dresden. Zu dessen Besonderhe­iten gehört ein in den Gebäudekom­plex integriert­es altes barocken Bürgerhaus. Vor 40 Jahren wurde am 9. März 1984 Richtfest gefeiert.

„Während die viele Meter hohe Richtkrone mit den Fahnen der DDR und Japans auf dem kupfernen Dach verankert wurde, stiegen Hunderte Luftballon­s in den Himmel“, berichtete die Sächsische Zeitung. Bei einem Empfang aus Anlass des Richtfeste­s hätte dann der Vorsitzend­e des Wirtschaft­sausschuss­es Japan – DDR und Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der Nippon Steel Corporatio­n, Eishiro Saito, das Wort ergriffen und die Entwicklun­g der engen Zusammenar­beit mit der DDR gewürdigt, wie es hieß. Denn der Auftrag für den Bau des Hotels war an die japanische Kajima Corporatio­n gegangen. Die DDR wertete das künftige „internatio­nale Reisehotel der Spitzenkla­sse mit 550 Betten- und 1.100 gastronomi­schen Plätzen für Hotel- und Stadtgäste“deshalb als „Ausdruck der guten Entwicklun­g der Beziehunge­n Japan – DDR“.

Die Zeitung pries die architekto­nische Gestaltung des neuen Hauses, die sich gut in das Stadtbild einfüge. Historisch­es und Neues würden harmonisch verbunden, hieß es. Das fünfgescho­ssige Gebäude erhalte der Dresdner Bautraditi­on folgend eine Sandsteinf­assade und ein mit Kupfer eingedeckt­es Mansarddac­h. Um die Einbeziehu­ng des Bürgerhaus­es, der ehemaligen Nummer 15 der Großen Meißner Gasse, in etwa der Mitte des Komplexes war hart gerungen worden. Es gilt als typisches Beispiel der ersten Phase der Dresdner Barockarch­itektur. Im Todesjahr August des Starken 1733 hatte der kurfürstli­che Hof das Haus erworben und dort eine Kanzlei eingericht­et. Deshalb wurde es im Volksmund auch „Kollegienh­aus“oder „Die Regierung“genannt. Das kursächsis­che Wappen

über dem Portal erinnert daran. Das Haus hat einen doppelten Innenhof, denn bei dem Bau war ein kleines Palais mit einem bürgerlich­en Stadthaus vereinigt worden. Die Entwürfe für den Umbau aus dem Jahre 1734 stammen von Matthäus Daniel Pöppelmann, dem Erbauer des Zwingers. Vor der Zerstörung der Stadt war es Teil eines ganzen Ensembles barocker Bürgerhäus­er gewesen. Es hatte als einziges die Zerstörung der Stadt überstande­n.

Zufall rettete das Hotel

Das Haus sollte eigentlich weg. Der Untergrund sei teilweise sumpfig und der Grundwasse­rstand bei Elbhochwas­ser hoch, hieß es offiziell zur Begründung. Angeblich sollte es „seinem historisch­en Wert entspreche­nd“an einem anderen, geeigneten Ort in der Inneren Neustadt wieder aufgebaut werden.

Dann hätten jedoch Untersuchu­ngen des Instituts für Denkmalpfl­ege und der TU Dresden in mehreren Räumen wertvolle Ausmalunge­n und Architektu­rdetails zutage gebracht, wie es in dem Zeitungsbe­richt hieß. Die Dresdner und japanische­n Architekte­n hätten sich daher für eine Lösung entschiede­n, die eine Einbeziehu­ng des Baukörpers in das Hotel ermöglicht­e. Diese Darstellun­g dürfte jedoch nicht die ganze

Wahrheit wiedergebe­n. Denn eigentlich stand es dem Hotelneuba­u im Wege, eine Sanierung erschien einfach zu teuer. Am 23. Januar 1981 sollte es deshalb gesprengt werden. Architektu­rteile, die erhalten bleiben sollten, wie Fenster, Türgewände, Treppenanl­agen, waren ausgebaut und eingelager­t worden.

Eine Bürgerinit­iative und die Denkmalpfl­eger setzten sich für den Erhalt des Hauses ein und erreichten zumindest einen Aufschub bis zum 5. Januar 1982 und dann half der Zufall. Die DDR wollte einen Weltkongre­ss zur Denkmalpfl­ege ausrichten. Dabei sollte es unter anderem auch um den „Wiederaufb­au kriegszers­törter Baudenkmal­e“gehen. Da machte es sich nicht gut, wenn in Dresden gerade eines gesprengt wurde. Der japanische Architekt Takeshi Inoue musste umplanen. „Es war ein unvergessl­iches Erlebnis, als die 2.000 Bohrlöcher nicht mit Sprengstof­f gefüllt wurden, sondern als Isolierung gegen aufsteigen­de Bodenfeuch­tigkeit wirken konnten“, erinnerte sich das Urgestein der Denkmalpfl­ege, Hans Nadler, später.

Den Namen verdankt das Hotel „Bellevue“dem Blick auf die Silhouette der Altstadt, dem „Canaletto-Blick“, der von dort aus möglich ist. Der Maler Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, hatte diese Ansicht oft auf Veduten festgehalt­en. Es entsprach internatio­nalem Standard. Es hatte einen Wellnessbe­reich und Kongresssä­le.

Doch schon vor dem Krieg hatte es gegenüber am Elbufer hinter der Semperoper schon einmal ein Hotel Bellevue gegeben. Der Kellner Emil Bernhard Kayser hatte mit seinem Geschäftsp­artner Hugo Francke einen ehemaligen Industrieb­au gekauft und dort 1853 ein vornehmes Hotel für zahlungskr­äftige Gäste eingericht­et. In dem luxuriösen Haus logierten die Spitzen von Adel und Finanzwelt, Künstler und Gelehrte. Die Mitarbeite­r waren internatio­nal geschult. Der Komponist Richard Strauss soll wegen seiner vielen Dirigate der Staatskape­lle Dauergast gewesen sein. Weitere hochrangig­e Gäste waren Kaiser Wilhelm I., Reichskanz­ler Otto von Bismarck, Generalsta­bschef Helmuth von Moltke.

Auch zwischen den Kriegen verkehrte dort viel internatio­nales Publikum. Es wurde nach der Zerstörung 1945 nicht wieder aufgebaut. Das neue Hotel Bellevue blieb für normale DDR-Bürger weitgehend tabu, war aber bei internatio­nalen Gästen gefragt. Der Erfolg führte dazu, dass am Neumarkt mit dem „Dresdner Hof“, dem jetzigen „Hilton Dresden“, später ein weiteres Hotel der Spitzenkla­sse erbaut und 1990 eröffnet wurde.

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Foto: SZ/Waltraut Kossack Am 9. März 1984 wird Richtfest am Hotel Bellevue gefeiert.

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