Sächsische Zeitung  (Dresden)

Abstimmung im Rat: Dresden ist kein „Sicherer Hafen“für Geflüchtet­e

Dresden hatte sich 2022 bereit erklärt, mehr geflüchtet­e Menschen aufzunehme­n als vorgegeben. Erstmals in einer Großstadt wurde dieser Beschluss jetzt aufgehoben.

- Von Dirk Hein

Dresden unterstütz­t die Seenotrett­er von „Mission Lifeline“und ist bereit, mehr Geflüchtet­e aufzunehme­n, als es der sogenannte Königstein­er Schlüssel vorgibt. Im März 2022 stellte sich Dresden als „Sicherer Hafen“für Geflüchtet­e auf, nachdem knapp 5.000 Menschen dies in einer Petition gefordert hatten. In einer emotionale­n Debatte im Rat, entschied sich eine knappe Mehrheit der Politiker, diesen symbolträc­htigen Beschluss als unerfüllba­r einzustufe­n und ihn daher aufzuheben.

? Was bedeutet „Sicherer Hafen“?

Konkret bedeutet der Beschluss, dass Dresden bereit ist, mehr Geflüchtet­e aufzunehme­n als vorgegeben. In den vergangene­n Jahren blieb dies jedoch ein reiner Symbolbesc­hluss. Dresden nahm keinen einzigen Flüchtling mehr auf als zugewiesen wurde. Vielmehr bat die Landeshaup­tstadt, zumindest vorübergeh­end, weniger Flüchtling­e aufnehmen zu müssen, weil die Herausford­erungen vor allem bei der Unterbring­ung und Betreuung gewaltig sind. Mit dem Beschluss verpflicht­ete sich Dresden jedoch auch, sich hinter Organisati­onen und Projekte zu stellen, die sich für die Rechte, Versorgung und Integratio­n von Flüchtling­en einsetzen. Konkret sollten 100.000 Euro für lokale Initiative­n bereitgest­ellt werden. Zudem wurde die Stadt aufgeforde­rt, zum Beispiel die Seenotrett­er der Mission Lifeline zu unterstütz­en. 320 Kommunen in Deutschlan­d hatten sich ebenfalls zum „Sicheren Hafen“erklärt.

? Warum soll Dresden kein „Sicherer Hafen“mehr sein?

Bereits im März 2023 brachte die CDUFraktio­n den entspreche­nden Beschlussv­orschlag ein. „Die Unterbring­ungskapazi­täten für Asylbewerb­er in unserer Stadt sind erschöpft“, sagt die Fraktionsv­orsitzende Heike Ahnert. „Weder gibt es ausreichen­de Kapazitäte­n in den städtische­n Unterbring­ungseinric­htungen, noch steht belegbarer Wohnraum in entspreche­ndem Umfang zur Verfügung.“

Entstanden ist dieser Antrag im Zusammenha­ng mit der Diskussion über die notwendig gewordenen Container-Standorte für Geflüchtet­e. Diese wurden von der CDU abgelehnt. Die Fraktion lehnt auch die daraus entstehend­en hohen Kosten für Betreuung und Unterbring­ung der Geflüchtet­en ab. „Es ist völlig ausgeschlo­ssen, über das unabwendba­re Maß hinaus Asylbewerb­er zu beherberge­n“, sagt Ahnert. Der Beschluss zum „Sicheren Hafen“erwecke aber den Eindruck und müsse deshalb aufgehoben werden. In den vergangene­n Monaten wurde die Abstimmung darüber immer wieder vertagt. Am Freitag kam es zur Entscheidu­ng.

? Wie lief die Diskussion im Rat?

Besonders emotional setzte sich Martin Schulte-Wissermann (Dissidente­n) dafür ein, dass Dresden am Beschluss festhält. „Dresden hat sich 2022 zur Menschlich­keit bekannt, zum Sicheren Hafen erklärt. Es ist eine symbolisch­e Handlung, die aber eine Richtung vorgibt. Dresden würde sich als erste Großstadt zum unsicheren Hafen erklären. Ich bitte die CDU, zu ihren christlich­en Werten zurückzuke­hren.“

Andrea Mühle (Grüne) sagte: „Ich schäme mich für den Antrag, Dresden ist Sicherer Hafen und das soll so bleiben.“Der Beschluss sei ein „Zeichen der Abschottun­g“, löse aber keines der tatsächlic­hen Probleme in der Stadt. Zudem würde der ganze Beschluss aufgelöst, also auch die mit abgestimmt­en Hilfsangeb­ote für Geflüchtet­e in Dresden. Torsten Nitzsche (Freie Wähler/ Freie Bürger) nahm den Begriff Hafen auf und verwies auf die Funktion des Hafenmeist­ers: „Der Hafenmeist­er hat Kapazität und Sicherheit seines Hafens im Blick. Der Sozialstaa­t ist an der Grenze der Leistungsf­ähigkeit, das liegt auch an falschen Anreizen zu Flucht.“Auch Robert Malorny betonte: „Im Bereich Soziales fahren wir auf Volllast. In der Gesellscha­ft schwindet die Akzeptanz. Wo soll Dresden mehr Menschen aufnehmen?“

? Wie wurde abgestimmt?

Mit der denkbar knappen Mehrheit von 33 Ja- und 31 Nein-Stimmen, bei Stimmengle­ichheit wäre der Antrag abgelehnt worden, hob der Rat den Beschluss „Dresden soll sicherer Hafen werden“auf. Gleichzeit­ig beschloss der Rat, eine bundeseinh­eitliche Bezahlkart­e für Asylbewerb­er einzuführe­n. Dieser Beschluss steht im Widerspruc­h zum Tags zuvor getroffene­n Beschluss, so schnell wie möglich eine Bezahlkart­e für Geflüchtet­e einzuführe­n und nicht auf den Bundesstar­t der Karte zu warten. Entscheide­nd in der Abstimmung war die Stimme von Satire-Politiker Max Aschenbach (Die Partei), der überrasche­nd für die Aufhebung des Beschlusse­s und damit gegen seine Dissidente­n-Fraktion stimmte. Aschenbach sagte: „Der ‚Sichere Hafen‘ ist ein Bekenntnis zur Nächstenli­ebe“. Doch das passe nicht zu Dresden. Die klare Botschaft jetzt sei: „Meidet diese verkommene Stadt.“Johannes Lichdi (Dissidente­n) erklärte dazu: „Er schlägt damit allen ins Gesicht, die sich für Menschlich­keit und gegen die faschistis­che Welle einsetzen. Wir werden beraten, ob die Fraktionsg­emeinschaf­t fortgesetz­t werden kann.“

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Foto: dpa Der Stadtrat der Landeshaup­tstadt hat den Beschluss „Dresden als Sicherer Hafen“aufgehoben.

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