Dresdens neuer Hockey-Weltmeister
Der 64-jährige Klaus Schabel führt Deutschland als Kapitän zum Titel – und ihn der Beruf zuvor in den Osten. Für die Hockey-Abteilung des ESV Dresden ein echter Glücksfall.
Einmal auf dem Spielfeld ist Klaus Schabel nicht mehr zu bremsen. „Wollen Sie mal probieren?“, fragt er mit solcher Betonung, die eigentlich kein Nein zulässt. Vorher gibt Schabel selbst Anschauungsunterricht, greift sich seinen Schläger mit der leicht gekrümmten Kelle und donnert den Ball zum x-ten Mal gekonnt und leichthändig ins Hockeytor. Sieht einfach aus – und ist das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit.
Wer sich mit Schabel über sein liebstes Hobby unterhält, bekommt nach wenigen Minuten den Eindruck: Der 64-Jährige vom ESV Dresden ist fast schon missionarisch in Sachen Hockey unterwegs – und das weltweit sowie ziemlich erfolgreich. Leidenschaftlich wie problemlos erzählt er minutenlang über Hockeyschläger und deren unterschiedliche Beschaffenheit. Ähnlich begeistert berichtet Schabel auch von der Weltmeisterschaft kürzlich in Nottingham und seinen Erlebnissen dort.
Als Kapitän führte er die deutsche Nationalmannschaft bei der Hallenmeisterschaft zum WM-Titel – in der Altersklasse Ü 60. „Es ist eine Ehre, solchen Spielern als
Kopf vorn anzustehen, die über Jahrzehnte Erfahrung im Hockey haben. Das macht mich stolz“, sagt Schabel. Möglicherweise kommt bald noch ein weiterer Triumph hinzu bei der Feldhockey-WM im Oktober n Auckland.
Auch auf dem Feld ist Schabel Spielmacher und Kapitän des Nationalteams. „Ich fühle mich diesem Alter nicht zugehörig. Das ist eine Zahl, nicht mehr. Ich trainiere mindestens zweimal die Woche, ich laufe, fahre Fahrrad. Ich investiere viel in Fitness, Körper, Gesundheit, so dass man in einem verzögerten Rahmen altert“, erklärt er. Und das, obwohl es beim ESV Dresden gar nicht genügend Oldies gibt, um in verschiedenen Altersklassen eine Mannschaft zu stellen. Es gibt lediglich die Sektion Seniorensowie Elternhockey, die hin und wieder an Turnieren teilnehmen.
„Die haben sich im Verein verdient gemacht, aber von der Qualität her wäre mir das zu wenig“, meint Schabel – und spielt deshalb in der zweiten Männermannschaft des ESV in der Verbandsliga. Mit Männern also, die bis zu 30 Jahre jünger sind. Erst vor wenigen Tagen hat sich der Routinier vom Team bestätigen lassen, dass sie ihn tatsächlich weiter brauchen. „Dafür bin ich dankbar. Ich dränge mich nicht auf. Aber das hält mich fit für die Nationalmannschaft“, sagt er.
Außerdem kümmert sich Schabel mit einem Kollegen als Trainer um die männliche U 14 des Vereins. „Zu uns kommen weniger Kinder als zu anderen Sportarten“, stellt er besorgt fest - und geht verbal in die Offensive: „Dabei ist das so eine komplexe
Sportart. Wer in sein Kind investieren will, in koordinative und kognitive Fähigkeiten, Schnelligkeit, Athletik, Ausdauer, der sollte sich Hockey näher angucken. Wir sind eine der erfolgreichsten Teamsportarten in Deutschland.“Und Dresdens neuer Weltmeister taugt als bestes Beispiel, dass Hockey bis ins hohe Alter fit hält.
Schabel ist in Fürth aufgewachsen und hat 16 Jahre für die Hockey-Gesellschaft Nürnberg in der 1. und 2. Bundesliga auf dem Feld und in der Halle die Knochen hingehalten, ehe er ins Masters-Metier wechselte, also zu den Alten Herren. „Ein kleiner Seitenhieb an die Fußballer: Ich habe über 2.000 Spiele absolviert“, erklärt Schabel, was gar nicht arrogant klingen soll. Er ist einfach stolz auf das Erreichte.
„Zauber-Klaus“entdeckt den Osten
Immerhin darf nicht jeder in den MasterAuswahlteams des Deutschen Hockey-Bundes mitspielen. Teilweise werden in sieben bis acht Lehrgängen pro Jahr die Kader für die Saisonhöhepunkte zusammengestellt. „Da müssen wir gewisse Kriterien erfüllen, wie Fitness, Spielpraxis und Technik“, sagt Schabel. In der Szene nennt man ihn aufgrund seiner technischen Fertigkeiten den „Zauber-Klaus“. Auch das erzählt der frühere Badminton- und Fußballspieler mit einer Mischung aus Stolz und Selbstironie.
Ehrlich gibt er zu, dass man sich das Hobby Hockey auch leisten können muss. Für Reisekosten und Logis kommen die Oldies bei ihren Turnieren selbst auf, nur die Anmeldegebühren übernimmt der Dachverband. „Ich hänge bei den meisten Turnieren
mit meiner Lebensgefährtin Katrin den Urlaub dran. Alles, was geht, mache ich mit ihr“, so Schabel.
Der gelernte Kfz-Mechaniker und -Mechatroniker, der in Rostock ein Studium zum Diplomingenieur für Fahrzeugtechnik abgeschlossen hat, wechselte 2010 von Nürnberg nach Dresden – um bei der Joynext GmbH als Ingenieur für Fahrzeugtechnik vor allem für BMW, Porsche, Audi und für die Stellantis-Group die Infrastruktur für Fahrzeuge zu entwickeln. Vor dem Umzug hat er seinem Arbeitgeber offen erklärt, dass seine berufliche Expertise nicht ohne gewisse Freiheiten für sein Hobby zu haben ist.
Den Osten erkundete Schabel dann staunend und interessiert. „Der kulturelle Reichtum hat mich begeistert, das hatte ich so nicht erwartet“, gesteht er. Mit manchen Eigenheiten fremdelt der Weltenbummler jedoch immer noch. „Bei einigen Geschäftsführern oder Unternehmen aus dem Osten habe ich eine Art unterwürfige Bescheidenheit festgestellt. Das haben sie nicht nötig. Die Leute hier können so viel. Stellt euch doch mal mit breiter Brust hin und sagt: Wir können das“, meint Schabel.
Er hat diese Maxime verinnerlicht und einen kleinen persönlichen Makel damit aufgearbeitet. Denn in die deutsche Männer-Nationalmannschaft hat er es nie ganz geschafft, stand lediglich ein paar Mal auf der Kaderliste. „Ich habe mich damals für Familie und Beruf entschieden“, erklärt er und gibt zu: „Das kratzt ein bisschen an der Ehre, bereut habe ich es aber nicht. Ich habe jetzt ja meinen Weltmeistertitel.“