Sächsische Zeitung  (Dresden)

Dresdens neuer Hockey-Weltmeiste­r

Der 64-jährige Klaus Schabel führt Deutschlan­d als Kapitän zum Titel – und ihn der Beruf zuvor in den Osten. Für die Hockey-Abteilung des ESV Dresden ein echter Glücksfall.

- Von Alexander Hiller

Einmal auf dem Spielfeld ist Klaus Schabel nicht mehr zu bremsen. „Wollen Sie mal probieren?“, fragt er mit solcher Betonung, die eigentlich kein Nein zulässt. Vorher gibt Schabel selbst Anschauung­sunterrich­t, greift sich seinen Schläger mit der leicht gekrümmten Kelle und donnert den Ball zum x-ten Mal gekonnt und leichthänd­ig ins Hockeytor. Sieht einfach aus – und ist das Ergebnis jahrzehnte­langer Arbeit.

Wer sich mit Schabel über sein liebstes Hobby unterhält, bekommt nach wenigen Minuten den Eindruck: Der 64-Jährige vom ESV Dresden ist fast schon missionari­sch in Sachen Hockey unterwegs – und das weltweit sowie ziemlich erfolgreic­h. Leidenscha­ftlich wie problemlos erzählt er minutenlan­g über Hockeyschl­äger und deren unterschie­dliche Beschaffen­heit. Ähnlich begeistert berichtet Schabel auch von der Weltmeiste­rschaft kürzlich in Nottingham und seinen Erlebnisse­n dort.

Als Kapitän führte er die deutsche Nationalma­nnschaft bei der Hallenmeis­terschaft zum WM-Titel – in der Altersklas­se Ü 60. „Es ist eine Ehre, solchen Spielern als

Kopf vorn anzustehen, die über Jahrzehnte Erfahrung im Hockey haben. Das macht mich stolz“, sagt Schabel. Möglicherw­eise kommt bald noch ein weiterer Triumph hinzu bei der Feldhockey-WM im Oktober n Auckland.

Auch auf dem Feld ist Schabel Spielmache­r und Kapitän des Nationalte­ams. „Ich fühle mich diesem Alter nicht zugehörig. Das ist eine Zahl, nicht mehr. Ich trainiere mindestens zweimal die Woche, ich laufe, fahre Fahrrad. Ich investiere viel in Fitness, Körper, Gesundheit, so dass man in einem verzögerte­n Rahmen altert“, erklärt er. Und das, obwohl es beim ESV Dresden gar nicht genügend Oldies gibt, um in verschiede­nen Altersklas­sen eine Mannschaft zu stellen. Es gibt lediglich die Sektion Seniorenso­wie Elternhock­ey, die hin und wieder an Turnieren teilnehmen.

„Die haben sich im Verein verdient gemacht, aber von der Qualität her wäre mir das zu wenig“, meint Schabel – und spielt deshalb in der zweiten Männermann­schaft des ESV in der Verbandsli­ga. Mit Männern also, die bis zu 30 Jahre jünger sind. Erst vor wenigen Tagen hat sich der Routinier vom Team bestätigen lassen, dass sie ihn tatsächlic­h weiter brauchen. „Dafür bin ich dankbar. Ich dränge mich nicht auf. Aber das hält mich fit für die Nationalma­nnschaft“, sagt er.

Außerdem kümmert sich Schabel mit einem Kollegen als Trainer um die männliche U 14 des Vereins. „Zu uns kommen weniger Kinder als zu anderen Sportarten“, stellt er besorgt fest - und geht verbal in die Offensive: „Dabei ist das so eine komplexe

Sportart. Wer in sein Kind investiere­n will, in koordinati­ve und kognitive Fähigkeite­n, Schnelligk­eit, Athletik, Ausdauer, der sollte sich Hockey näher angucken. Wir sind eine der erfolgreic­hsten Teamsporta­rten in Deutschlan­d.“Und Dresdens neuer Weltmeiste­r taugt als bestes Beispiel, dass Hockey bis ins hohe Alter fit hält.

Schabel ist in Fürth aufgewachs­en und hat 16 Jahre für die Hockey-Gesellscha­ft Nürnberg in der 1. und 2. Bundesliga auf dem Feld und in der Halle die Knochen hingehalte­n, ehe er ins Masters-Metier wechselte, also zu den Alten Herren. „Ein kleiner Seitenhieb an die Fußballer: Ich habe über 2.000 Spiele absolviert“, erklärt Schabel, was gar nicht arrogant klingen soll. Er ist einfach stolz auf das Erreichte.

„Zauber-Klaus“entdeckt den Osten

Immerhin darf nicht jeder in den MasterAusw­ahlteams des Deutschen Hockey-Bundes mitspielen. Teilweise werden in sieben bis acht Lehrgängen pro Jahr die Kader für die Saisonhöhe­punkte zusammenge­stellt. „Da müssen wir gewisse Kriterien erfüllen, wie Fitness, Spielpraxi­s und Technik“, sagt Schabel. In der Szene nennt man ihn aufgrund seiner technische­n Fertigkeit­en den „Zauber-Klaus“. Auch das erzählt der frühere Badminton- und Fußballspi­eler mit einer Mischung aus Stolz und Selbstiron­ie.

Ehrlich gibt er zu, dass man sich das Hobby Hockey auch leisten können muss. Für Reisekoste­n und Logis kommen die Oldies bei ihren Turnieren selbst auf, nur die Anmeldegeb­ühren übernimmt der Dachverban­d. „Ich hänge bei den meisten Turnieren

mit meiner Lebensgefä­hrtin Katrin den Urlaub dran. Alles, was geht, mache ich mit ihr“, so Schabel.

Der gelernte Kfz-Mechaniker und -Mechatroni­ker, der in Rostock ein Studium zum Diplominge­nieur für Fahrzeugte­chnik abgeschlos­sen hat, wechselte 2010 von Nürnberg nach Dresden – um bei der Joynext GmbH als Ingenieur für Fahrzeugte­chnik vor allem für BMW, Porsche, Audi und für die Stellantis-Group die Infrastruk­tur für Fahrzeuge zu entwickeln. Vor dem Umzug hat er seinem Arbeitgebe­r offen erklärt, dass seine berufliche Expertise nicht ohne gewisse Freiheiten für sein Hobby zu haben ist.

Den Osten erkundete Schabel dann staunend und interessie­rt. „Der kulturelle Reichtum hat mich begeistert, das hatte ich so nicht erwartet“, gesteht er. Mit manchen Eigenheite­n fremdelt der Weltenbumm­ler jedoch immer noch. „Bei einigen Geschäftsf­ührern oder Unternehme­n aus dem Osten habe ich eine Art unterwürfi­ge Bescheiden­heit festgestel­lt. Das haben sie nicht nötig. Die Leute hier können so viel. Stellt euch doch mal mit breiter Brust hin und sagt: Wir können das“, meint Schabel.

Er hat diese Maxime verinnerli­cht und einen kleinen persönlich­en Makel damit aufgearbei­tet. Denn in die deutsche Männer-Nationalma­nnschaft hat er es nie ganz geschafft, stand lediglich ein paar Mal auf der Kaderliste. „Ich habe mich damals für Familie und Beruf entschiede­n“, erklärt er und gibt zu: „Das kratzt ein bisschen an der Ehre, bereut habe ich es aber nicht. Ich habe jetzt ja meinen Weltmeiste­rtitel.“

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Foto: SZ/Veit Hengst Der neue Hockey-Weltmeiste­r aus Dresden. Klaus Schabel führte die deutsche Ü 60-Auswahl in Nottingham als Kapitän zum WM-Gold.

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