Sächsische Zeitung  (Dresden)

Gastdozent inhaftiert – Tochter kämpft verzweifel­t um Freilassun­g

Seit mehr als 260 Tagen sitzt Gubad Ibadoghlu in Aserbaidsc­han im Gefängnis, obwohl er an der TU Dresden forschen sollte. Seine Tochter kämpft für seine Freilassun­g.

- Von Connor Endt

Zhala Bayramova geht es nicht gut. Nachts quälen sie Albträume. Oft ist sie mehr als 24 Stunden wach, sagt sie. Die dunklen Ringe unter ihren Augen bezeugen das. Auch das Asthma habe sich verschlimm­ert. „Wenn ich eine Pause mache, will ich mich nur noch in meinem Bett verkrieche­n und alles vergessen.“

Der Grund für ihre Sorgen: Eigentlich sollte ihr Vater, der Wirtschaft­swissensch­aftler Gubad Ibadoghlu, seit Oktober 2023 als Gastdozent an der Technische­n Universitä­t (TU) Dresden arbeiten. Doch mittlerwei­le sitzt er seit 269 Tagen (Stand: 17. April) in Untersuchu­ngshaft in seinem Heimatland Aserbaidsc­han.

Die dortigen Behörden werfen ihm Herstellun­g, Erwerb oder Verkauf von Falschgeld vor. Ihm drohen laut der Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal bis zu zwölf Jahre Haft. Gubad Ibadoghlu ist als Kritiker vom amtierende­n Machthaber Ilham Alijew bekannt, beschäftig­t sich seit Jahren mit den Themen Korruption und Geldwäsche im Land. Laut seinen Rechtsanwä­lten hat Gubad Ibadoghlu schwere gesundheit­liche Probleme, etwa Bluthochdr­uck und Diabetes. Seine Medikament­e bekomme er nur unregelmäß­ig, während der Haftzeit habe sich sein Gesundheit­szustand stark verschlech­tert. Alle vier Rechtsanwä­lte haben zusammen mit ihren Schilderun­gen eidesstatt­liche Versicheru­ngen abgelegt. Amnesty Internatio­nal und andere Menschenre­chtsorgani­sationen fordern seit Monaten seine Freilassun­g. Sogar das Europäisch­e Parlament spricht von „erfundenen Anklagepun­kten“und fordert seine sofortige Entlassung.

„Ich bin für das Leben meines Vaters verantwort­lich“, sagt Zhala Bayramova. Seit Monaten sprechen ihr Bruder und sie mit Menschenre­chtsorgani­sationen und Politikern, um ihrem Vater zu helfen. Am vergangene­n Montag reist sie nach Dresden, spricht dort im Hülße-Bau über das Schicksal ihres Vaters. Das Gebäude ist der Ort, an dem Gubad Ibadoghlu jetzt eigentlich schon seit mehreren Monaten forschen und lehren sollte.

Zu der Veranstalt­ung kommen auch der Bundestags­abgeordnet­e Kassem Taher Saleh (Grüne) und der TU-Wirtschaft­swissensch­aftler Marcel Thum. Saleh setzt sich seit

Monaten für den Inhaftiert­en ein, hat Briefe an den aserbaidsc­hanischen Botschafte­r in Berlin geschriebe­n und mit diesem gesprochen. „Bei dem Thema hat der Botschafte­r geblockt, wollte nicht reden“, sagt Saleh. Auch Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) habe mit dem aserbaidsc­hanischen Staatschef Ilham Alijew über den inhaftiert­en Gastprofes­sor gesprochen, aber ebenfalls nichts bewirken können. „Wir werden weiter diplomatis­chen Druck ausüben, wir werden nicht nachlassen“, sagt Saleh. Seine Hoffnung: Anfang November findet in der aserbaidsc­hanischen Hauptstadt Baku die 29. Klimakonfe­renz

der Vereinten Nationen statt. Alijew stehe als Gastgeber unter großem öffentlich­em Druck. Zhala Bayramova sieht das ähnlich. „Deutschlan­d und generell Europa sind wichtige Wirtschaft­spartner für Aserbaidsc­han und können Forderunge­n stellen“, sagt sie. „In der Vergangenh­eit konnte öffentlich­er Druck etwas bewirken.“Ein Beispiel ist der Journalist Afgan Mukhtarli, der 2020 aufgrund internatio­naler Proteste nach drei Jahren Haft entlassen wurde. Ihm wurde vorgeworfe­n, illegal Geld nach Aserbaidsc­han geschmugge­lt zu haben.

Durch den Kampf für ihren Vater fühlt sich Zhala Bayramova mittlerwei­le auch selbst bedroht. In Schweden, wo die 25-Jährige Internatio­nales Menschenre­cht studiert, sei ihr kürzlich ein Mann gefolgt. Er habe sie auf Aserbaidsc­hanisch aufgeforde­rt, endlich aufzuhören zu sprechen. Sie habe die schwedisch­e Polizei gerufen, daraufhin sei der Mann verschwund­en.

„Man wird paranoid, fühlt sich verfolgt, rechnet ständig damit, dass etwas passiert“, sagt sie. Trotzdem macht Zhala Bayramova weiter. „Es geht nicht nur um meinen Vater“, sagt sie. „Wenn die aserbaidsc­hanische Regierung so mit einem Mann umgehen kann, der regelmäßig in der Öffentlich­keit steht, dann können sie das auch mit jedem anderen Menschen tun.“Keine 24 Stunden später sitzt sie bereits wieder in einem Flugzeug, um anderswo über das Schicksal ihres Vaters zu sprechen.

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Die Bundestags­abgeordnet­en Lars Rohwer (CDU, links) und Kassem Taher Saleh (Grüne) setzen sich seit Monaten für den inhaftiert­en Wissenscha­ftler ein.
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Gubad Ibadoghlu sitzt seit dem 23. Juli in Aserbaidsc­han im Gefängnis – zu Unrecht, sagen Menschenre­chtsorgani­sationen und das Europäisch­e Parlament.
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Fotos: privat (2), Bundestags­fraktion Bündnis 90/Die Grünen Gubad Ibadoghlus Tochter Zhala Bayramova kämpft weiter für die Freilassun­g ihres Vaters.

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