Eskaliert der Streit um eine Straße für die Künstlerin Lea Grundig?
Die Malerin Lea Grundig war Verfolgte des NS-Regimes und später Stasi-Funktionärin. In Dresden soll eine Straße nach ihr benannt werden. Ein schier endlos scheinender Streit.
Seit mehr als einem Jahr gibt es Streit darüber, ob eine Straße nach der Malerin Lea Grundig benannt werden darf. Nachdem der für Straßennamen eigentlich zuständige Stadtbezirksbeirat dafür gestimmt hatte, löste die Stellungnahme eines Historikers eine Debatte aus, weil Grundigs Rolle als Stasi-Funktionärin zweifelhaft sei. Jetzt soll der Stadtrat entscheiden. Es wird eine Debatte um die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in der NS-Diktatur und den „Versuch, eine kommunistische Künstlerin abzuschießen“erwartet.
Weshalb die Benennung umstritten ist
Lea Grundig wurde 1906 in Dresden geboren und starb 1977. Als Jüdin und Kommunistin wurde sie unter dem Hitler-Regime verfolgt und inhaftiert, ihre Werke als „entartete Kunst“bezeichnet. Nach ihrer Flucht kehrte sie nach Dresden zurück, stieg auf bis zur Präsidentin des Verbands Bildender Künstler der DDR und wurde Mitglied im Zentralkomitee der SED. Holger Starke, Kurator im Dresdner Stadtmuseum und Mitglied der Arbeitsgruppe Straßennamen der Stadt, rät in seiner Einschätzung, die vor rund einem Jahr bekannt wurde, davon ab, jetzt eine Straße nach Lea Grundig zu benennen.
Er hat Hinweise gefunden, dass Grundig sehr „parteikonform“gewesen sei. Es sei nicht ausreichend untersucht, ob sie möglicherweise nicht SED-konformen Künstlern in der DDR aus ihrer Stellung heraus geschadet habe.
Wann die Entscheidung fallen soll
Aufgrund dieser Einschätzung verschob die Stadt die Entscheidung zur Straßenbenennung und gab ein Gutachten in Auftrag. Historikerinnen von der Universität Halle-Wittenberg kommen darin zu dem Schluss, dass die Frage offenbar nicht geklärt werden kann, sie bezeichnen Grundig als „SED-Hardlinerin“und fanden heraus, dass sie und ihr Mann Hans als „geheimer Informator“der Stasi geführt wurden. Andererseits dürfe ihre jüdische Herkunft und ihre Erfahrungen als Mehrfachmigrantin nicht ausgeblendet werden.
Der Stadtbezirksbeirat Altstadt hat sich bereits viermal mit dem Thema befasst und zweimal dafür gestimmt, die neue Straße an den zunächst als Käthe-KollwitzUfer 9 bis 12 bezeichneten Neubauten nach Lea Grundig zu benennen. Doch das Thema wurde in den Stadtrat gehoben. Der soll am Donnerstag endgültig über das Thema entscheiden. Der vorberatende Bauausschuss hatte bereits mehrheitlich dagegen gestimmt.
Wer sich für die Lea-Grundig-Straße einsetzt
Für die Ehrung Gundigs machen sich Stadtbezirksbeirätin Esther Ludwig und Stadtrat Tilo Wirtz (beide Linke) stark. Ludwig ist selbst Historikerin. „In den Gutachten wurde vieles nicht gewürdigt oder abgetan“, sagt sie. So gebe es auch Dissertationen, in denen festgestellt wird, ohne Gundig wären die Vorgaben in der Kunst der DDR viel strenger geworden. „Sie wurde kritisiert, weil sie Menschen nicht wie in der DDR gewünscht dargestellt hat.“Zudem habe Grundig sich auch für Künstler eingesetzt und diese gefördert, die von der DDR-Führung als nicht „parteikonform“eingestuft wurden. Noch klarer wird Wirtz, was die Straßenbenennung angeht. „Die dreifache Verfolgungsgeschichte – als Kommunistin, als Jüdin und als ‚entartete Kunst‘ – reicht dafür alleine aus. Da stellt sich nicht die
Frage, ob ein Mensch immer politisch sauber war. Die Stadt Dresden ist das Lea Grundig schuldig.“Denjenigen, die den Namen auf einem Straßenschild verhindern wollen, unterstellt Wirtz: „Es wird nach einem Anlass gesucht, um eine kommunistische Künstlerin abzuschießen.“Das würde Grundigs Werk nicht schmälern. „Es wäre aber ein Trauerspiel für die Stadt.“
Wer gegen die Benennung nach Grundig ist
CDU-Stadtrat Mario Schmidt sieht die Sache anders als Wirtz. „Die eigentliche Frage, inwiefern Lea Grundig ihre Ämter möglicherweise genutzt hat, um anderen Schaden zuzufügen, ist nach wie vor unbeantwortet. Eine Straßenbenennung ist nicht nur ein Akt der Erinnerung, sondern der Ehrung einer Person.“Dafür müsse die gesamte Biografie berücksichtigt werden. „Von den Nazis verfolgte Künstlerin jüdischen Glaubens gewesen zu sein, ist kein ausreichender Grund zum jetzigen Zeitpunkt.“Die Ablehnung solle keine Schädigung der Person Lea Grundig sein. „Im Gegenteil. Wir wollen das Ansehen schützen, indem wir ihr Wirken ausführlich erforscht sehen wollen“, so Schmidt. „Denn nichts wäre schlimmer, als wenn in späteren vertieften Forschungen Dinge hochkommen, die eine Umbenennung der Straße erforderlich machen würden.“