Sächsische Zeitung  (Dresden)

Schöne deutsche Sommer-Träume

Totgesagte leben länger. Das gilt für den FC Bayern München – und für seinen Trainer. Aber auch für den deutschen Fußball.

- Von Klaus Bergmann, Christian Kunz und Manuel Schwarz

Ein Jubel-Foto aus der Bayern-Kabine zeigte Thomas Tuchel in der für ihn ungewöhnli­chen Pose als Feierbiest mit geballten Fäusten und lauthals schreiend vor seinen ebenfalls überglückl­ichen Spielern. Versonnen lächelnd schritt der 50-Jährige nach seinem größten Sieg als BayernCoac­h beim 1:0 (0:0) gegen den FC Arsenal dann nach Mitternach­t durch die Katakomben der Allianz Arena. Nach dem im Februar vom Verein verkündete­n Trennungsb­eschluss zum Saisonende rückt plötzlich ein damals undenkbare­s Schlussbil­d in realistisc­he Nähe: ein noch viel größerer TuchelJube­l mit dem Champions-League-Pokal am 1. Juni in Wembley - und das womöglich nach einem Final-Revival gegen Borussia Dortmund.

„Es ist ein riesengroß­er Anreiz da. Wir werden alles dafür tun, in Wembley die Saison zu beenden“, kündigte Tuchel an. Natürlich spürte er in der Nacht zum Donnerstag Genugtuung - und er kündigte persönlich­e Schwerstar­beit für die finalen Wochen und die nun anstehende Herkulesau­fgabe gegen Real Madrid am 30. April daheim und am 8. Mai in Spanien an: „Ich habe vom ersten Tag an alles gegeben und werde bis zum letzten Tag alles geben.“

Genauso denkt seine Mannschaft, mit der ihm eine Symbiose immer nur punktuell glückte. So wie in den zwei extrem engen Partien gegen Arsenal. Trotzdem sei man nicht Topfavorit gegen Reals Königsklas­sen-Spezialist­en um Toni Kroos und

Antonio Rüdiger. „Das ist eines der härtesten Spiele, die du spielen kannst, Halbfinale gegen den größten Verein der Welt. Real Madrid hat es geschafft, bei Manchester City zu gewinnen. Das ist ein unglaublic­hes Ausrufezei­chen“, sagte Tuchel zum Weiterkomm­en der Königliche­n von Ex-BayernCoac­h Carlo Ancelotti gegen den Titelverte­idiger mit Startraine­r Pep Guardiola.

In der Kabine verfolgten die Bayern-Profis das entscheide­nde Elfmetersc­hießen, wie Harry Kane berichtete. Es machte den Königsklas­sen-Mythos der Madrilenen noch einmal größer. „Real Madrid ist natürlich ein großer Club mit einer beeindruck­enden Historie in der Champions League. Das wird ein schweres Halbfinale für uns“, meinte Torjäger Kane.

Aber Totgesagte leben länger. Das gilt für den in der Bundesliga vom neuen Meister Bayer Leverkusen entthronte­n und weit abgehängte­n FC Bayern. Und für Tuchel. Und quasi über Nacht auch für den deutschen Fußball in seiner Gesamtheit. Erst ein neues Wembley-Finale Bayern gegen Dortmund elf Jahre nach dem Münchner 2:1-Triumph und danach eine stimmungsv­olle

Heim-EM mit der von Bundestrai­ner Julian Nagelsmann bei den jüngsten Testspiels­iegen gegen Frankreich und Holland revitalisi­erten Nationalel­f ? Gibt es 2024 ein neues deutsches Sommermärc­hen?

Bayerns Sportvorst­and Max Eberl sprach am Mittwochab­end „freudetrun­ken“von einem großen deutschen FußballMom­ent, gerade auch für die Bundesliga, die so oft im Schatten der englischen Premier League steht. „Es steht kein Engländer im Halbfinale, es stehen zwei Bundesligi­sten drin. Das ist großartig, ein Ausrufezei­chen, das wir gesetzt haben. Jetzt wollen wir beide noch mehr“, sagte Eberl, der den BVB kurzerhand einbezog. Die Borussia erlebt im Halbfinale ein Wiedersehe­n mit Gruppengeg­ner Paris Saint-Germain.

„Dortmund und wir müssen unsere Aufgaben machen. Ich hätte nichts dagegen“, sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer zur Final-Neuauflage in London. „Würde mir gefallen, würde ich nehmen“, sagte auch Joshua Kimmich, der mit seinem Kopfballto­r in der 64. Minute zum Münchner Matchwinne­r avancierte und als „Man of the Match“ausgezeich­net wurde. (dpa)

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Foto: dpa/Tom Weller Endlich wieder Halbfinale: Die Profis des FC Bayern München feiern nach dem 1:0 gegen den FC Arsenal den Einzug in die Vorschluss­runde der Champions League.

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