Sächsische Zeitung  (Dresden)

Demenz-WG wird aufgelöst – droht jetzt Über-90-Jährigen der Umzug?

Der Pflegedien­st Advita in Altenberg hat sechs Senioren den Pflegevert­rag gekündigt. Angehörige kämpfen nun darum, dass sie in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können.

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Die Hiobsbotsc­haft kam am 8. April dieses Jahres. „Ich war gerade bei meiner Mutter, als mir eine Pflegerin sagte, dass Advita die Demenz-WG in Altenberg abgibt“, sagt Ute Biedermann, die ihre Mutter in der WG betreuen lässt. Advita ist der Pflegedien­st, der in Altenberg das „Glück auf “-Haus am Bahnhof betreibt. Ein moderner, erst 2018 eröffneter Komplex für betreutes Wohnen, Tagespfleg­e und besagter Wohngemein­schaft für Demenzerkr­ankte. Doch dieses Angebot, das der bundesweit agierende Pflegedien­st für Altenberg im Internet bewirbt, scheint es so nicht mehr zu geben. „Bereits im März erfuhren wir, dass die Tagespfleg­e geschlosse­n wird“, erklärt Christiane Weickert, die das Museumscaf­é am Altenberge­r Bahnhof betreibt und ihre Mutter ebenfalls in der Demenz-WG betreuen lässt. Weil ihre Mutter auch dieses Angebot nutzte, hätten sie bereits damals die Betreuungs­verträge entspreche­nd angepasst. „Gerade deshalb kam für uns das Aus für die WG sehr plötzlich.“

„Es geht uns auch gar nicht darum, Advita einen Vorwurf zu machen“, sagt Ute Biedermann. Eigentlich sei sie dem Pflegedien­st sehr dankbar. Ihre 90-jährige Mutter sei richtig aufgeblüht in den zweieinhal­b Jahren, die sie nun in der WG wohnt. Auch Christiane Weickert war glücklich, als sie vor viereinhal­b Jahren ihre 93-jährige Mutter hier unterbring­en konnte: „Ihr geht es gut da drüben. Ich hatte sie erst in einem Pflegeheim in der Nähe von Pirna, weil wir von dort kommen. Dort ging sie richtig unter, magerte in kürzester Zeit ab.“In Altenberg dagegen wären die Strukturen übersichtl­ich. Vor allem hat Christiane Weickert ihre Mutter jetzt sozusagen direkt im Blick: „Ich arbeite gleich um die Ecke und bin viermal pro Woche bei ihr drüben, Abendbrot machen.“

Zu wenig Personal – das war es, was die beiden Frauen immer wieder hörten. Die Firma Advita schreibt im Internet für nahezu jeden ihrer Standorte Jobangebot­e aus, nur unter Altenberg steht kein einziges Gesuch. Rechtlich gesehen handelt Advita korrekt: Das Pflegeverh­ältnis kann mit vier Wochen Vorlauf gekündigt werden. Auf SZAnfrage wollte sich Ralf Stähler, Mitglied der Geschäftsf­ührung der Advita Holding GmbH mit Sitz in Berlin, nicht zu den Hintergrün­den äußern. Doch bei den Angehörige­n läuft indes die Zeit: „Wir versuchen gerade alles, um einen neuen Pflegedien­st zu finden, der die Demenz-WG übernehmen kann“, sagt Ute Biedermann. Spätestens Mitte bis Ende Mai müsste dieser Dienst anfangen. Die sechs bis sieben Angestellt­en des Advita-Pflegedien­stes, die derzeit noch die WG betreuen, würden ebenfalls gern weiterhin in Altenberg arbeiten. „Sie kennen die Alten seit Langem, wissen, wie sie mit ihnen umgehen müssen.“Derzeit leben sechs Senioren zwischen 90 und 96 Jahren hier, Plätze gäbe es für zwölf. Derzeit steht Advita gerade in Kreischa kurz vor der Eröffnung eines weiteren Pflegezent­rums. „Uns wurde angeboten, dort mit hinzugehen“, sagt Ute Biedermann. Doch abgesehen davon, dass Besuche dann deutlich umständlic­her wären, wäre das vor allem für ihre Mutter schrecklic­h: „In Altenberg kennt sie sich aus, hat hier ihren

Hausarzt, ihre Friseurin, die Namen sagen ihr was.“So etwas gibt Menschen mit einer Demenz-Symptomati­k viel Sicherheit.

Ute Biedermann hat selbst als Krankensch­wester gearbeitet, genau wie ihre Mutter. „Sie fing mit 16 Jahren ihre Ausbildung an. Das ist die Generation, die all den Wohlstand erwirtscha­ftet hat, damit es uns heute gut geht.“Sie fühlt sich hilflos, wenn sie nun dieser alten Frau eventuell beibringen muss, dass sie hochbetagt ihre gewohnte Umgebung verlassen muss. Für Angebote und Hinweise zu Pflegedien­sten wären die beiden Frauen deshalb sehr dankbar.

Kontakt zu Christiane Weickert: 0152 34087082, EMail: christiane­weickert@hotmail.de oder im Museums-Café der Historisch­en Sammlung Altenberg, Am Bahnhof 2, Mi, Do, Fr 11.30 Uhr-17 Uhr, So 14-18 Uhr. www.advita.de/standorte/altenberg/advita-haus-altenberg

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Sorge, weil die Demenz-WG ihrer Mütter aufgelöst wird.
Foto: Karl-Ludwig Oberthür Christiane Weickert und Ute Biedermann sind in Sorge, weil die Demenz-WG ihrer Mütter aufgelöst wird.

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