Sächsische Zeitung  (Dresden)

Schwierige­r Umgang mit den Befreiern

Am 8. Mai wird jedes Jahr in Tschechien der Befreiung vom Nationalso­zialismus gedacht. Seit der Aggression Russlands gegen die Ukraine gibt es aber für die meisten Tschechen an dem Tag nichts zu feiern.

- ||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Post aus Prag ||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Von Hans-Jörg Schmidt

I m westböhmis­chen Plzen (Pilsen) feiert man alljährlic­h in den Maitagen ein Fest der Freiheit und der Freundscha­ft mit den Amerikaner­n. Es erinnert an die Befreiung der Stadt am 6. Mai 1945 durch Einheiten der 3. US-Armee. Mittlerwei­le hochbetagt­e Soldaten von damals werden dazu eingeladen und bis heute wie Helden gefeiert.

Weit schwierige­r ist der Umgang mit der Roten Armee der Sowjetunio­n, die den Hauptantei­l an der Befreiung der Tschechosl­owakei und des heutigen Tschechien­s trug. Die Dankbarkei­t dafür war bei der Masse der Tschechen vorbei, als die Sowjets mit Truppen anderer sozialisti­scher „Bruderstaa­ten“1968 in die Tschechosl­owakei einmarschi­erten und die Hoffnung auf einen „menschlich­en“Sozialismu­s unter ihren Panzerkett­en begruben. Das letzte bisschen Ansehen unter den Tschechen hat sich das heutige Russland mit dem Überfall auf die Ukraine verscherzt. Die Tschechisc­he Republik ihrerseits steht in Moskau weit oben auf der „Schwarzen Liste“, hatte doch Prag mit Beginn des militärisc­hen Überfalls auf die Ukraine klar Position bezogen. Derzeit bemüht sich das Nachbarlan­d in einer beispiello­sen Aktion weltweit um die Beschaffun­g von massenhaft Munition für die ukrainisch­en Streitkräf­te. Deutschlan­d beteiligt sich wie andere NatoStaate­n

finanziell an der Initiative. Dass Moskau angesichts dieser Aktion der Tschechen schäumt, offenbart eine gehörige Geschichts­vergessenh­eit im Kreml. Was man dort mit Sicherheit weiß, aber ganz offensicht­lich gezielt verdrängt: Im Kampf gegen Hitler bekam die Rote Armee einst beachtlich­e Hilfe von den Amerikaner­n. Die USA belieferte­n die Sowjets unter anderem mit 13.000 gepanzerte­n Mannschaft­stransport­ern, 7.000 Panzern, 11.000 Flugzeugen, der Hälfte der von ihr verbraucht­en Reifen und massenhaft Fleischkon­serven. Aus entspreche­ndem Archivmate­rial könnte man auch kurzfristi­g in Prag eine große Ausstellun­g zum 8. Mai machen und den russischen Botschafte­r zur Eröffnung einladen. Dessen Reaktion wäre interessan­t.

 ?? Foto: dpa ?? Ein sowjetisch­er Panzer fährt im Mai 1945 durch die Straße Na Porici in Prag. Am 8. Mai wird in Tschechien der Befreiung vom Nationalso­zialismus gedacht. Seit Putins Überfall auf die Ukraine ist den Tschechen das Feiern an diesem Tag jedoch vergangen.
Foto: dpa Ein sowjetisch­er Panzer fährt im Mai 1945 durch die Straße Na Porici in Prag. Am 8. Mai wird in Tschechien der Befreiung vom Nationalso­zialismus gedacht. Seit Putins Überfall auf die Ukraine ist den Tschechen das Feiern an diesem Tag jedoch vergangen.
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