Schwieriger Umgang mit den Befreiern
Am 8. Mai wird jedes Jahr in Tschechien der Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht. Seit der Aggression Russlands gegen die Ukraine gibt es aber für die meisten Tschechen an dem Tag nichts zu feiern.
I m westböhmischen Plzen (Pilsen) feiert man alljährlich in den Maitagen ein Fest der Freiheit und der Freundschaft mit den Amerikanern. Es erinnert an die Befreiung der Stadt am 6. Mai 1945 durch Einheiten der 3. US-Armee. Mittlerweile hochbetagte Soldaten von damals werden dazu eingeladen und bis heute wie Helden gefeiert.
Weit schwieriger ist der Umgang mit der Roten Armee der Sowjetunion, die den Hauptanteil an der Befreiung der Tschechoslowakei und des heutigen Tschechiens trug. Die Dankbarkeit dafür war bei der Masse der Tschechen vorbei, als die Sowjets mit Truppen anderer sozialistischer „Bruderstaaten“1968 in die Tschechoslowakei einmarschierten und die Hoffnung auf einen „menschlichen“Sozialismus unter ihren Panzerketten begruben. Das letzte bisschen Ansehen unter den Tschechen hat sich das heutige Russland mit dem Überfall auf die Ukraine verscherzt. Die Tschechische Republik ihrerseits steht in Moskau weit oben auf der „Schwarzen Liste“, hatte doch Prag mit Beginn des militärischen Überfalls auf die Ukraine klar Position bezogen. Derzeit bemüht sich das Nachbarland in einer beispiellosen Aktion weltweit um die Beschaffung von massenhaft Munition für die ukrainischen Streitkräfte. Deutschland beteiligt sich wie andere NatoStaaten
finanziell an der Initiative. Dass Moskau angesichts dieser Aktion der Tschechen schäumt, offenbart eine gehörige Geschichtsvergessenheit im Kreml. Was man dort mit Sicherheit weiß, aber ganz offensichtlich gezielt verdrängt: Im Kampf gegen Hitler bekam die Rote Armee einst beachtliche Hilfe von den Amerikanern. Die USA belieferten die Sowjets unter anderem mit 13.000 gepanzerten Mannschaftstransportern, 7.000 Panzern, 11.000 Flugzeugen, der Hälfte der von ihr verbrauchten Reifen und massenhaft Fleischkonserven. Aus entsprechendem Archivmaterial könnte man auch kurzfristig in Prag eine große Ausstellung zum 8. Mai machen und den russischen Botschafter zur Eröffnung einladen. Dessen Reaktion wäre interessant.