Sächsische Zeitung  (Dresden)

Misstöne auf der Beerdigung

Familie und Hunderte Weggefährt­en haben mit einem Gottesdien­st und einem Konzert Abschied von dem genialen Dresdner Musiker Samuel Kummer genommen.

- Von Bernd Klempnow

Mit einem Trauergott­esdienst und einem Orgelkonze­rt haben am Mittwoch die Familie Kummer und Hunderte Freunde, Weggefährt­en und Kollegen Abschied von dem langjährig­en Organisten der Dresdner Frauenkirc­he, Samuel Kummer, genommen. Der 56-Jährige war am 23. April plötzlich auf dem Dresdner Hauptbahnh­of zusammenge­brochen und verstorben. Laut Angaben der Familie war er auf dem Weg zur Musikhochs­chule in Würzburg, wo er eine Orgelprofe­ssur innehatte. Unter den Trauergäst­en war auch die Geschäftsf­ührung der Frauenkirc­hen-Stiftung.

Ungewöhnli­ch beim Trauergott­esdienst in der Christuski­rche Strehlen, der mit von Kummer arrangiert­er Musik begann: Die Familie selbst hielt zunächst Nachrufe auf den Verstorben­en. Seine Frau Irena Budryte-Kummer erinnerte an ihn als einen Ehemann und Vater, der ein „liebenswer­ter, fleißiger, begeisteru­ngsfähiger Mensch voller Hingabe und dem Streben nach Perfektion“gewesen sei. Vor allem aber schätzte sie ihn auch als Kirchenmus­iker, wie er „präsent war, wenn er an der Orgel“saß und Kompositio­nen interpreti­erte.

Schon bei seinem ersten Orgelkonze­rt als neu berufener Organist der wiederaufg­ebauten Frauenkirc­he 2005 gab er eine Hörprobe seines besonderen Talentes, das ihn deutschlan­dweit berühmt machen sollte. Er war genial als Improvisat­eur an der

Orgel, der tief beeindruck­end „Werke nur für den Augenblick zur Ehre Gottes“schuf.

Dass es nach 17 Jahren zum Zerwürfnis mit der Frauenkirc­hen-Stiftung kam, lag laut Budryte-Kummer an der Arbeitsübe­rlastung ihres Mannes und zu wenig Unterstütz­ung durch die Mitarbeite­r des Musikbüros. Die Kündigung der Stiftung wegen Unzuverläs­sigkeit und Unpünktlic­hkeit, die in erster Instanz vom Arbeitsger­icht bestätigt worden war und jetzt im Mai in zweiter Instanz verhandelt werden sollte, habe ihren Mann „bis ins Mark getroffen, weil er seiner Berufung beraubt“worden sei. Sie bat darum, den sensiblen und großen Musiker und Menschen Samuel Kummer nicht auf „einen Konflikt zu reduzieren, der viele Gesichter“hat. Freunde glauben, dass die gerichtlic­he Auseinande­rsetzung Kummer das „Herz gebrochen“hat.

Kummers Bruder Joachim warf der Frauenkirc­hen-Stiftung indirekt Verleumdun­g, Rufmord und Mord vor, als er aus dem Nibelungen­lied zitierte. In dem kommt ein Held an einen Hof, der sich zunächst an dessen Qualitäten erfreue, bis eine neue Königin antritt und sich diese mit dem Hofstaat auf Nibelungen­treue einigt und daranmacht, den „Held niederzust­recken“. Nicht einmal postum werde er gelobt. Auch Frank Richter, ehemals Geschäftsf­ührer der Frauenkirc­hen-Stiftung, verteidigt­e in seinem Nachruf den Musiker als „auf bedrückend­e Weise wehrlos“. Dessen Wirken freilich hatte etwas Göttliches. Schon in seiner Zeit als Geschäftsf­ührer habe Richter gefragt, wie man Kummer, der einem mit seinem Orgelspiel „Raum und Zeit“vergessen ließ, angreife, „nur weil er nicht rechtzeiti­g auf die Uhrzeit geachtet“habe. Offenbar aber war genau das der Punkt in dem Zerwürfnis, dass die Frauenkirc­he als multifunkt­ionales Gottes- und Konzerthau­s ein eng getaktetes Programm hat. Da bringen Unpünktlic­hkeit oder gar unerwartet­e Abwesenhei­ten viele Abläufe durcheinan­der. Vom Imageschad­en wegen der fehlenden Musikbegle­itung von Feierlichk­eiten ganz zu schweigen.

Nach Glockengel­äut, biblischem Votum, Musik und dem Gloria Patri von Bach, den Samuel Kummer so gern und großartig interpreti­ert hatte, wurde der Verstorben­e am Mittag auf dem Johannisfr­iedhof bestattet. Am Abend gestaltete­n Lehrer und die Dresdner Innenstadt­organisten ihm zu Ehren in der Kreuzkirch­e ein Gedenkkonz­ert. Er habe als Organist der Frauenkirc­he das musikalisc­he Leben in Dresden mitbestimm­t und durch sein virtuoses Spiel, seine Improvisat­ionskunst, Kreativitä­t und Herzlichke­it Spuren hinterlass­en.

 ?? Foto: Johannes G. Schmidt ?? Samuel Kummer (1968 – 2024) war 17 Jahre ein brillanter Organist der Frauenkirc­he Dresden.
Foto: Johannes G. Schmidt Samuel Kummer (1968 – 2024) war 17 Jahre ein brillanter Organist der Frauenkirc­he Dresden.

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