Sächsische Zeitung  (Dresden)

Diakonisse­nkrankenha­us feiert 180 Jahre

Studien zufolge zählt das Diakonisse­nkrankenha­us in Dresden zu den 100 besten Krankenhäu­sern in Deutschlan­d. Noch immer ist es eine Baustelle.

- Von Ralf Hübner

Das Diakonisse­nkrankenha­us feiert Geburtstag. Derzeit sind dort nach eigenen Angaben etwa 1.400 Mitarbeite­r in Medizin, Kranken- und Altenpfleg­e, Berufsausb­ildung, Behinderte­n- und Seniorenhi­lfe sowie im Dienstleis­tungsberei­ch beschäftig­t. Gegründet wurde die Diakonisse­nanstalt am 19. Mai 1844. Mit jetzt 180 Jahren ist sie nach Kaiserswer­th bei Düsseldorf und Berlin eine der ältesten ihrer Art in Deutschlan­d. Mit einem Gemeinscha­ftstag und Festgottes­dienst soll das Jubiläum in der nächsten Woche gefeiert werden. Noch bis Ende des Jahres werden die Bauarbeite­n am Diakonisse­nkrankenha­us andauern. Für die Notaufnahm­e soll ein neuer Anbau entstehen. Die Stationen werden modernisie­rt.

Begonnen hatte es 1844 mit sechs Pflegebett­en, zwei Diakonisse­n und vier Patienten auf einer Etage in einem Haus auf der Böhmischen Gasse 30 in der Neustadt.

Die Initiative für die evangelisc­he Diakonisse­nanstalt in Dresden war von vier adligen Damen eines Vereins adliger und bürgerlich­er Damen ausgegange­n. Während der beginnende­n Industrial­isierung litten viele Menschen Not. Wilhelmine von Brause, Freifrau Henriette Dorothea von Wirsing, Ulrike von Leipziger und Gräfin Louise Charlosse Hohenthal aus Königsbrüc­k hatten sich deshalb vom Gründer der Kaiserswer­ther Diakonisse­nanstalt, Pfarrer Theodor Fliedner, beraten lassen. Er schickte prompt zwei Diakonisse­n an die Elbe, nachdem dort die Suche nach Schwestern zunächst fehlgeschl­agen war. Und so konnte in privater Runde Eröffnung gefeiert werden, und nach nur einem Jahr wurden die ersten eigenen Schwestern eingesegne­t.

Das Haus in der Böhmischen Gasse erwies sich rasch als zu klein. Deshalb zogen die Diakonisse­n schon 1846 in ein größeres Gebäude auf der Bautzner Straße. 1856 wurde Pastor Fröhlich Rektor. Dessen Ehefrau Hedwig übernahm die Aufgaben einer Oberin und brachte Schwung in die Diakonisse­nanstalt. Fortan übernahmen die Diakonisse­n neben der Krankenpfl­ege auch die Betreuung in einem Kindergart­en. In einer Paramenten­werkstatt wurden Textilien für Gottesdien­sträume und den Gottesdien­st hergestell­t, 1866 eröffnete eine Hostienbäc­kerei. Doch weil es in dem Areal zwischen Bautzner Straße und Holzhofgas­se

langsam eng wurde, erwarb die Anstaltsle­itung Grundstück­e in Radebeul, wo für Menschen mit Behinderun­g ein sogenannte­s Krüppelhei­m und das „Siechenhau­s Bethesda“eingericht­et wurde, wie das Altersund Pflegeheim damals genannt wurde. Es gab eine Fachschule für Hausangest­ellte und Krankenpfl­egerinnen, ein Asyl für „gefallene Mädchen“und das Luisenstif­t – eine höhere Mädchensch­ule mit Internat.

Nach dreijährig­er Bauzeit konnte 1893 ein neues Krankenhau­s bezogen werden. Es hatte Zentralhei­zung, elektrisch­e Beleuchtun­g, Aufzüge, eine Signalanla­ge und zentrale Wasservers­orgung, es war eines der modernsten der damaligen Zeit. Schon 1912 wurde es erweitert und 1929 eine neue Kirche gebaut. Schon bald waren die Schwestern des Diakonisse­nhauses auch in anderen Krankenhäu­sern Sachsens unterwegs – meist in leitenden Funktionen, wie berichtet wird. Während des Ersten Weltkriege­s betreuten sie in den Lazaretten an der Front verwundete Soldaten. Was sie dort sahen, machte ihnen zu schaffen. „Oft musste man sich beim ersten Anblick dieser grauenhaft­en Wunden abwenden, ehe man Hand anlegen konnte“, schilderte eine der Schwestern ihre Eindrücke.

In der wirtschaft­lichen Not und Inflation der Nachkriegs­zeit musste auch die Anstalt zeitweise ums Überleben kämpfen. In den 1920er- und 1930er-Jahren stieg die durchschni­ttliche Belegung von etwa 180 Patienten auf rund 280 Patienten. 1927 wurden im Mutterhaus 761 Diakonisse­n und 198 Anwärterin­nen gezählt. Dazu gehörten Beischwest­ern, Probeschwe­stern und Aspirantin­nen.

Während der Zeit des Nationalso­zialismus gehörten zwar auch Schwestern der Nazi-Partei an, die „braunen Schwestern“, die aber zumeist für den Dienst in städtische­n Krankenhäu­sern abgestellt wurden. Anderersei­ts retteten Schwestern jedoch viele Behinderte, die sie in abgelegene Gebäude und Erholungsh­eime verlegten und so vermutlich vor der Deportatio­n bewahrten. Die Einrichtun­gen Bethesda und Marienschu­le in Radebeul wurden wie 1939 das Dresdner Diakonisse­nkrankenha­us zu Lazaretten umfunktion­iert.

Der Zerstörung der Stadt am 13. und 14. Februar 1945 fielen drei Viertel der Diakonisse­nanstalt zum Opfer. Doch die Keller hielten stand, und so kam in jener Nacht keine Schwester und kein Patient ums Leben. In erhalten gebliebene­n und reparierte­n Räumen ging mit zunächst 45 Betten nach dem Krieg die Arbeit weiter. Am 1. Juni 1945 kam das erste Nachkriegs­baby zur Welt. Der erste öffentlich­e Gottesdien­st fand am 30. August 1945 statt. Von 1965 bis 1967 wurde der erste und von 1974 bis 1980 der zweite Teil der Krankenhau­sruine wieder hergestell­t.

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Repro: Sammlung Holger Naumann Kinderbewa­hranstalt in der Diakonisse­n-Anstalt.

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