Sächsische Zeitung  (Dresden)

Schluss mit dem Jugend-Bashing!

Das Bild, das von der „Generation Z“in der Öffentlich­keit gezeichnet wird, ist zu einseitig und negativ. Wir unterschät­zen das Potenzial einer ganzen Generation.

- Von Pia Meier

Meckern ist einfach. „Die schaffen nichts.“„Die sind doch alle faul!“„Die Jungen der ,Generation Z‘ wissen gar nicht mehr, was Arbeit eigentlich bedeutet.“Doch nur über die Generation zu meckern, wie es gerade so viele Menschen und Medien tun, das ist mir zu einfach.

Als Personalve­rantwortli­che in einem mittelstän­dischen Industrieb­etrieb möchte ich lieber konstrukti­v denken. Ich möchte verstehen, warum diese Generation so anders tickt als die anderen, was sie braucht und wie wir alle erfolgreic­h zusammenar­beiten und zusammenle­ben können. In meinen Mitarbeite­rgespräche­n höre ich deswegen genau hin. Denn ich möchte wissen, was die jungen Menschen umtreibt.

Wie ist sie also – die Jugend von heute? Und warum komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass die „Generation Z“viel besser ist als ihr Ruf ? Was genau macht diese Generation aus meiner Sicht so besonders und lässt mich optimistis­ch in die Zukunft schauen?

Fleiß, Motivation, die Bereitscha­ft, Verantwort­ung zu übernehmen. All das sehe ich bei unseren Auszubilde­nden und jungen Mitarbeite­rn. Ich erlebe die jungen Menschen als sehr engagiert – wenn das, was sie tun, für sie einen Sinn ergibt. Wenn ihre Arbeit mit ihren Werten und Überzeugun­gen übereinsti­mmt. Wenn Sie das Gefühl haben, von ihren Kollegen und Vorgesetzt­en Wertschätz­ung zu erfahren.

Natürlich sind nicht alle so. Na klar, gibt es auch junge Kollegen, die bei uns im Betrieb anecken. Woran liegt das? Aus meiner Sicht sind junge Menschen, die demotivier­t wirken, meistens am falschen Platz. Wie ein Stück Mandarine, das in eine Knoblauchz­ehe gesteckt wurde. Nicht selten erlebe ich, dass Heranwachs­ende eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, das gar nicht zu ihrer Persönlich­keit, ihren Interessen und Stärken passt. Und dort verkümmern sie dann, wie ein Pflänzchen, das nicht gegossen wird.

Vielleicht, weil sie gar nicht genau wissen, wo ihr Platz ist. Vielleicht auch, weil ihre Eltern davon eine sehr konkrete Vorstellun­g haben … Ich denke: In dieser wichtigen und prägenden Phase ihres Lebens brauchen die jungen Menschen Verständni­s von allen Seiten. Sie brauchen Eltern, die sie nicht in eine Richtung drängen, sondern sie bei ihren Träumen unterstütz­en. Sie brauchen Bildungsei­nrichtunge­n, die die Stärken der jungen Leute fördern. Sie brauchen Unternehme­n, die einen guten Rahmen setzen, die sich die Zeit nehmen, ihre Mitarbeite­r als Individuen zu betrachten.

„Ich hab’ das Gefühl, Andreas kann es überhaupt nicht erwarten, nach Hause zu kommen! Pia, so ein Desinteres­se!“, sagte einmal ein Ausbildung­sleiter zu mir. Wenn ich solche Rückmeldun­gen bekomme, spreche ich selbst mit dem betroffene­n

Mitarbeite­r, in diesem Fall eben mit dem Auszubilde­nden Andreas. Ganz offen nannte ich den Eindruck, der in seiner Abteilung entstanden war. „Was ist da los?“, fragte ich. Und Andreas begann zu erzählen. Von seinem Vater, der nach einem Unfall mit Gipsbein das Bett hüten musste. Von der Landwirtsc­haft. Den Tieren, die jeden Tag versorgt werden müssten. Davon, wie er versuchte, seine Familie zu unterstütz­en. Morgens vor der Schule, nachmittag­s direkt nach der Arbeit im Betrieb.

Wenn ich höre, die „Generation Z“sei nicht bereit, Verantwort­ung zu übernehmen, muss ich direkt an Andreas denken. Und an die vielen anderen großartige­n jungen Menschen, die sich engagieren. Manche geben alles auf der Arbeit, andere in ihrer Freizeit. Ich muss an die vielen jungen Menschen denken, die sich für die Umwelt einsetzen. Die in der Vereinsarb­eit aufblühen. An die, die sich für eine gerechtere Gesellscha­ft und eine bessere Zukunft einsetzen. Bevor ein Missverstä­ndnis aufkommt, möchte ich es Ihnen ganz klar sagen: Ich habe großen Respekt vor der Lebensleis­tung der Nachkriegs­generation. Diese Menschen haben hart geschuftet, um unser Land wieder aufzubauen. Und sie haben sich ein Ziel gesetzt: „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“Das ist ihnen gelungen – davor ziehe ich meinen Hut. Schon die Baby-Boomer, zu denen auch ich gehöre, durften deshalb anders aufwachsen. Aber auch diese Generation leistet viel und arbeitet hart. Sie wollten ihren Kindern etwas Gutes hinterlass­en – und das haben sie geschafft.

Die jungen Menschen von heute sind weitgehend behütet aufgewachs­en. Die meisten müssen nicht mehr körperlich hart arbeiten. Das ist das Verdienst ihrer Großeltern und Eltern. Gleichzeit­ig sollten wir Älteren das ihnen nicht vorwerfen, sondern uns für sie freuen. Die jungen Menschen heute arbeiten anders, nicht mehr hart – sondern smart. Vielleicht sind ihre Forderunge­n nicht frech oder zeugen von Faulheit – sondern sie sind einfach clever. Und noch etwas ist bei der Generation

Z“grundlegen­d anders: Wer in den letzten 20 Jahren auf die Welt kam, ist mit dem Internet ganz selbstvers­tändlich aufgewachs­en. Die jungen Menschen denken digital – und das ist großartig, denn für viele Herausford­erungen der Zukunft brauchen wir digitale Lösungen. Deshalb ist der Blick dieser Generation auf die Welt so wertvoll. Was mich zu der Überzeugun­g bringt: Die „Generation Z“ist die beste Generation für die Zeit und Umstände, in denen wir leben! Ja, die Herausford­erungen Ebenen sind gewaltig. Aber ich glaube an die Jungen. Ich glaube daran, dass sie in der Lage sind, ihnen zu begegnen, wenn die Älteren sie dabei unterstütz­en.

Aber wie können Sie und ich – wie können wir die jungen Menschen stärken, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können? Indem wie ihnen nicht mit Vorurteile­n, sondern mit Verständni­s begegnen. Indem wir ihnen zeigen, dass eine Zukunft vor ihnen liegt, für die es sich lohnt, sich zu engagieren.

Es ist doch so: Was die jungen Leute auf ihren Smartphone­s lesen, macht nicht gerade Hoffnung. Krieg, Umweltzers­törung, Wirtschaft­skrise usw. Bei all diesen HorrorNach­richten muss sich niemand darüber wundern, wenn junge Menschen denken, sie seien die letzte Generation auf dieser Erde. Aber was ist die Konsequenz? Entmutigte, hoffnungsl­ose junge Menschen. Warum heute noch anstrengen, wenn morgen schon die ganze Welt untergeht?

Zu zeigen, dass es sich lohnt, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten, das ist aus meiner Sicht die Aufgabe von uns Älteren. Dass wir als Eltern Mut machen, als Verantwort­liche in den Medien auch mal von positiven Vorbildern berichten. Von jungen Menschen, die ihren Platz gefunden haben und nun einen wertvollen Beitrag für die ganze Gesellscha­ft leisten. Denn diese jungen Menschen gibt es! Also lassen Sie uns bitte mehr von ihnen sprechen, anstatt ständig auf die Jugend zu schimpfen. Lassen Sie uns den jungen Menschen zeigen, dass Leistung auch weiterhin zählt. Dass Anstrengun­g sich lohnt. Dass, wer fleißig ist, es in diesem Land zu etwas bringen kann. Lassen Sie uns Eltern sein, die an der Seite unserer Kinder stehen. Die unsere Kinder unterstütz­en, aber auch loslassen können. Die akzeptiere­n, dass unsere Kinder andere Interessen haben als wir und ihren eigenen Weg finden dürfen.

Lassen Sie uns den jungen Leuten wieder Vertrauen entgegenbr­ingen – und gleichzeit­ig zeigen, dass sie uns vertrauen können. Dass wir unserer Verantwort­ung gerecht werden und alles tun, um die jungen Menschen in unserem Land zu stärken.

Der erste Schritt zu einem tiefen Verständni­s zwischen den Generation­en ist aus meiner Sicht, das Meckern zu lassen und die Vorurteile über Bord zu werfen. Vielleicht können Sie mir dann zustimmen, wenn ich sage: „Zum Glück sind sie so, wie sie sind, diese jungen Leute.“

Die „Generation Z“: Manche geben alles auf der Arbeit, andere alles in ihrer Freizeit.

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Foto: xcitepress Kein Interesse an Politik und Gesellscha­ft? Von wegen: Die „Generation Z“kann und will arbeiten, sich engagieren und zugleich Spaß haben wie hier zu Zehntausen­den auf der großen „Fete de l’Europe“mit Bundespräs­ident Steinmeier 2023 in Dresden.

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