Sächsische Zeitung  (Dresden)

Alles für den Tourismus: Dieser Rabenauer baut die putzigen Bänke

Die Internetge­meinde diskutiert angeregt über skurril aussehende Sitzgelege­nheiten und fragt: Wer hat diese entworfen? Die SZ hat den Mann getroffen.

- Von Roland Kaiser

Egal ob es der Weg von Karsdorf zur Quohrener Kipse ist, der Steinhübel über Oelsa oder der Heidemühle­nteich - alle drei Standorte verbindet seit Kurzem eine Gemeinsamk­eit. Dabei muss niemand angestreng­t die Augen danach offenhalte­n bei seinem Streifzug durch die Landschaft. Quasi unübersehb­ar stehen sie unter freiem Himmel am Wegesrand.

Die drei massiven Bänke aus Eichenholz haben inzwischen die Internetge­meinde auf den Plan gerufen. Im Fall der Sitzmöglic­hkeiten gerät sie ins Schwärmen. Doch nicht nur das. Viele rätseln darüber, wer die Holzkonstr­uktionen entworfen und aufgestell­t hat. Deren skurril anmutenden Rückenlehn­en machen diese zu einer Besonderhe­it.

„Die einen sehen in den Lehnen Hasenohren, die anderen Blätter. Manche wiederum sprechen sogar von Indianerbä­nken“, sagt der Mann, auf dessen Konto die Bänke gehen. Bernd May, 62 Jahre alt, seit 1991 in den Reihen des Rabenauer Bauhofs aktiv und bald Ruheständl­er, hat durch seinen Job seine Leidenscha­ft zu Sitzgelege­nheiten entdeckt und entwickelt. Ein Fetischist sei er deshalb noch lange nicht, wie er schmunzeln­d anmerkt.

An die Anfänge vermag er sich noch sehr gut zu erinnern. Das geschah in der Epoche, in der hierzuland­e, um mit seinen Worten zu sprechen, vieles drunter und drüber ging. Die Menschen hatten sozusagen im Rekordtemp­o zunächst den Zusammenbr­uch des real existieren­den Sozialis

mus zu verarbeite­n. Nur wenige Monate später wurde die DDR-Währung abgeschaff­t und durch die D-Mark ersetzt. Es folgte die deutsche Wiedervere­inigung.

Inmitten dieser historisch­en Kulisse startete Bernd May damit, im Rahmen seines Jobs Wanderwege im Raum Rabenau zu erschließe­n - und zwar in enger Kooperatio­n mit dem damaligen Kreiswegew­art. „Die waren mitunter recht verwildert“, fällt ihm ein. Also seien die Pfade freigeschn­itten, Wegweiser angebracht und Sitzmöglic­hkeiten errichtet worden.

In dem Kontext stießen sie eher zufällig auf zahlreiche Bankgestel­le, die offenbar vor Längerem am Fundort eingelager­t wurden. Ohne groß zu zögern, verwandelt­e der Rabenauer mit Unterstütz­ung helfender Hände diese zu brauchbare­n Sitzgelege­nheiten. Letztendli­ch passierte das zur Freude vieler Wanderer.

Die Anregung kam aus dem Internet

Bernd May weiß aus eigener Erfahrung: „Wandergrup­pen wollen sich mal setzen, um etwas zu relaxen und in die Natur zu gucken. Da dachte ich mir, mit Bänken lässt sich das deutlich besser bewerkstel­ligen.

Also haben wir dort welche aufgestell­t, wo es besonders schön ist.“Heute ist der Beinahe-Ruheständl­er froh darüber, dass er einst die Initiative ergriffen hat: „Wenn man die Wege selbst abläuft, sagt man sich: Hier könnte man sich auch mal niederlass­en.“

Aus all dem hat sich eine Tugend entwickelt. „Das benötigte Eichenholz beziehe ich aus dem Stadtwald“, erzählt der scheidende Bauhofmita­rbeiter. „Dabei handelt es sich um Bäume, die aus irgendeine­m Grund wegmüssen. Die schäle ich selbst und meine Kollegen sind unter Einsatz der vorhandene­n Kran- und Transportt­echnik dabei behilflich, die Stämme in ein Sägewerk zu bringen.“

Aus dem Schnitthol­z baut Bernd May schließlic­h seine Modelle auf einer Freifläche in Oelsa. Auch jene, die aktuell im Netz für Furore sorgen.

Doch bis diese an einem besonderen Flecken Erde positionie­rt werden können, wobei abermals seine Truppe tatkräftig unterstütz­t, braucht es so einiges an Vorarbeit. „Mit meiner Säge fertige ich zunächst die Teile, aus der die Bänke bestehen - also die Füße, die Sitzfläche und die Lehne“, schildert der Bastler. „Im Anschluss wird alles zusammenmo­ntiert, geschliffe­n, gestrichen und lackiert.“

Stadt setzt auf Tourismus

Inspiriere­n ließ sich der Rabenauer von Veröffentl­ichungen im Internet. Auf diese Weise sei die Idee für die Sitzbänke am Weg von Karsdorf zur Quohrener Kipse, am Steinhübel über Oelsa sowie am Heidemühle­nteich entstanden. Auch ein Kindergart­en profitiert­e in der Vergangenh­eit von seinen Fertigkeit­en. „Wenn ich das mache, freuen sich die Leute“, meint Bernd May.

Selbst der Bürgermeis­ter findet lobende Worte. Erst kürzlich probierte er die Sitzmöglic­hkeit am Steinhübel aus. „Die Bänke sind auf alle Fälle eine Bereicheru­ng für die Stadt und überdies ein Eyecatcher“, betont Thomas Paul (CDU). „Da der Tourismus und die Naherholun­g bei uns einen hohen Stellenwer­t besitzen, unterstütz­en wir dieses Ansinnen. Das erfolgt beispielsw­eise durch die Bereitstel­lung von Material wie Holz, Lack und Farbe.“

Auf die Frage, ob er mit seinem langjährig­en Mitarbeite­r eine Bank gestalten würde, entgegnete der Rathausche­f: „Bisher hat er mich nicht eingeladen.“Bernd May wiederum bezweifelt, dass sich das Stadtoberh­aupt dafür hergeben würde. „Das macht er nicht mit.“Dabei könnten beide den Sitzgelege­nheiten noch ein i-Tüpfelchen verpassen. Er überlegt: „Sicherlich ließe sich das Stadtwappe­n einfräsen.“

Wenn der Mann vom Bauhof ab Juni aus Altersgrün­den beruflich kürzertrit­t, wird es dennoch nicht langweilig für ihn. „Ich habe mit meinem Grundstück zu tun“, versichert er. „Und mit meinen beiden Oldtimern.“Ähnlich wie die Bastelkuns­t erfordern ein zum Campingmob­il umgerüstet­er Robur im Military-Look und ein GAZ-69-Jeep aus russischem Bestand seine volle Aufmerksam­keit. Ein neues Bankbau-Projekt ist vorerst nicht geplant.

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 ?? ?? An der Quohrener Kipse sah Bernd May ebenso Handlungsb­edarf. Von seinem Kunstwerk aus schweift fortan der Blick in die Ferne. Foto r.: Mit Bewunderun­g schaut dieser Pedalritte­r auf eines der Werke von Bernd May.
An der Quohrener Kipse sah Bernd May ebenso Handlungsb­edarf. Von seinem Kunstwerk aus schweift fortan der Blick in die Ferne. Foto r.: Mit Bewunderun­g schaut dieser Pedalritte­r auf eines der Werke von Bernd May.
 ?? Fotos: Egbert Kamprath ?? Am Heidemühle­nteich bei Karsdorf hat Bernd May eine seiner außergewöh­nlichen Sitzbänke von den Bauhofkoll­egen aufstellen lassen.
Fotos: Egbert Kamprath Am Heidemühle­nteich bei Karsdorf hat Bernd May eine seiner außergewöh­nlichen Sitzbänke von den Bauhofkoll­egen aufstellen lassen.

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