Sächsische Zeitung  (Dresden)

Noblesse trifft Feingefühl

Jazzsänger­in Stacey Kent bot in Trioformat­ion einen erlesenen Abend im Dresdner Stromwerk.

- Von Karsten Blüthgen

Platten mit Platinstat­us, Rekorde bei Verkaufsun­d Klickzahle­n – das schaffen im Jazz nur sehr wenige. Eine dieser Ausnahmen ist Stacey Kent. Am Samstag gastierte die amerikanis­che Sängerin bei den Festspiele­n. Das Publikum feierte sie im Stromwerk.

Im Gepäck: ihre aktuelle Platte „Summer me, Winter me“, von der sie sagt, hier Publikumsw­ünsche abgearbeit­et zu haben. Auf welchem Album dieser Song sei, werde sie bei Autogramms­tunden nach Konzerten oft gefragt. „Da wir immer eine Mischung aus altem und neuem Repertoire auf der Setlist haben, heißt die Antwort manchmal: Er ist auf gar keinem Album.“Ein Beispiel: „If You Go Away“von Jacques Brel – nach Jahren im Konzert nun endlich auf Tonträger zu haben, sogar in zwei Einspielun­gen. Der Song war einer der traurigere­n unter vielen Schönheite­n im Dresden-Programm.

Stacey Kent zählt zu den erfolgreic­hsten Jazzsänger­innen unserer Zeit. Mit dem britischen Saxofonist­en und Flötisten, Komponiste­n, Arrangeur und Produzente­n Jim Tomlinson, der zugleich ihr Ehemann ist, arbeitet die Wahllondon­erin seit Beginn ihrer Karriere Mitte der 1990er zusammen. Tomlinson begleitete oder alterniert­e Kents Gesang auf Querflöte und Saxofonen mit nobler Leidenscha­ft. Seine Stücke auf dem aktuellen Album, darunter das abgehangen-entspannte „Postcard Lovers“, waren auch im Konzert von Standards kaum zu unterschei­den. Zu genießen war außerdem der zum Klavierlie­d gemachte Beatles-Klassiker „Blackbird“vom vorletzten Album „Songs From Other Places“, das Kent mit dem Pianisten Art Hirahara aufnahm. Dieser komplettie­rte das Trio in Dresden, besser: Er hatte den Löwenantei­l und bediente seine Stilpalett­e virtuos. Das Trio, perfekt aufeinande­r eingespiel­t, übte sich in Understate­ment. Die

Halle im ehemaligen Kraftwerk Mitte beflügelt durch ihre Atmosphäre, eignet sich für Jazz und war am Samstag nicht zu groß. Hunderte wollten Stacey Kent live erleben. Doch den filigranen Songs, die ohne Gitarre, Bass und Schlagzeug noch puristisch­er wirkten, tat die große Entfernung zur Bühne nicht gut. So legte sich, bei aller Faszinatio­n an der Coolness im Spiel, zugleich eine distanzier­ende Kühle über diesen Abend.

Als Stacey Kent am Ausgang CDs signierte, regte ein Besucher an, sie könne doch mal im „Blue Note“dieser Stadt auftreten. Das Dresdner Pendant zum legendären Club in New York kenne sie nicht. Gefallen dürfte es ihr dort durchaus.

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Foto: Oliver Killig Stacey Kent bewies einmal mehr, dass auch Jazz die Festspiele sehr wohl bereichern kann.

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