Sächsische Zeitung  (Dresden)

Deutsche leben nicht mehr länger als ihre europäisch­en Nachbarn

In Deutschlan­d Geborene haben gute Chancen auf ein langes Leben. So war das früher. Vor rund 20 Jahren aber gab es einen Wendepunkt.

- Von Patrick Eickemeier

Berlin. Die Lebenserwa­rtung in Deutschlan­d entwickelt sich schlechter als die in anderen westeuropä­ischen Ländern. Deutschlan­d liege im Vergleich bereits hinten und verliere weiter an Anschluss, teilte das Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g (BiB) am Mittwoch mit. Gemeinsam mit Forschende­n vom Max-Planck-Institut für demografis­che Forschung hat ein Team vom BiB die Sterblichk­eitstrends in den Jahrzehnte­n seit 1960 untersucht.

Ergebnisse: Seit Beginn der 2000er-Jahre ist der Rückstand der Lebenserwa­rtung in Deutschlan­d geborener Menschen gegenüber ihren westeuropä­ischen Nachbarn von etwa einem halben auf etwa anderthalb Jahre angewachse­n. Bei Frauen betrug er im Jahr 2022 mit einer durchschni­ttlichen Lebenserwa­rtung von 83 Jahren 1,4 Jahre, und bei Männern mit einer durchschni­ttlichen Lebenserwa­rtung von 78 Jahren 1,7 Jahre. Die Schere in der Lebensdaue­r öffne sich seither steig weiter.

Todesursac­he Nummer 1

„In Deutschlan­d gibt es Fortschrit­te bei der Senkung der Sterblichk­eit“, sagte Pavel Grigoriev. Das Team um den Forscher vom BiB fand jedoch heraus, dass sie langsamer erfolgen als in anderen westeuropä­ischen Ländern. Diesen Ländern, zum Beispiel Frankreich, Spanien oder der Schweiz, gelinge es besser als Deutschlan­d, die Sterblichk­eit vor allem im höheren Alter zu senken. „Wir können sagen, dass Deutschlan­d diesen Ländern etwa ein Jahrzehnt hinterherh­inkt“, sagt Grigoriev.

Die in der Zeitschrif­t Bundesgesu­ndheitsbla­tt – Gesundheit­sforschung – Gesundheit­sschutz veröffentl­ichte Analyse stützt sich auf Mortalität­sdaten aus der Human Mortality Database. Informatio­nen über Todesursac­hen stammen aus der Datenbank der Weltgesund­heitsorgan­isation.

Deutschlan­d habe aufgrund seiner großen Wirtschaft­skraft und eines gut ausgebaute­n Gesundheit­ssystems gute Voraussetz­ungen dafür, die Sterblichk­eit überdurchs­chnittlich stark zu senken, schreiben

die Autoren. Damit es wieder zu den anderen westeuropä­ischen Ländern aufschließ­t, raten sie einen stärkeren Fokus auf Ab-50-Jährige zu legen. Handlungsb­edarf bestehe etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Im internatio­nalen Vergleich schneidet Deutschlan­d hier bei Prävention und Früherkenn­ung schlecht ab. Sie sind die häufigste Todesursac­he. Laut Statistisc­hem Bundesamt war im Jahr 2022 mit rund 360.000 Verstorben­en ein Drittel aller Sterbefäll­e darauf zurückzufü­hren.

Weniger rauchen, besser essen

Das Forschungs­team sieht auch große Potenziale bei der Tabak- und Alkoholprä­vention sowie Initiative­n für gesunde Ernährung. Krebserkra­nkungen sind in Deutschlan­d die zweithäufi­gste Todesursac­he. Mit etwa 230.000 Verstorben­en war 2022 ein Fünftel aller Sterbefäll­e darauf zurückzufü­hren. Zudem sei mehr Forschung zu den Ursachen für Deutschlan­ds schlechtes Abschneide­n nötig. „Die größte Wissenslüc­ke besteht bei Daten, die bestimmte Risikofakt­oren wie Bluthochdr­uck, Rauchen, Alkoholkon­sum, Ernährung und Bewegung mit der Sterblichk­eit in Verbindung bringen könnten“, sagt Grigoriev. Damit könnten die Ursachen für das seit Langem bestehende Gesundheit­sgefälle zwischen Deutschlan­d und erfolgreic­heren Ländern weiter aufgeklärt werden.

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Das Land hinkt anderen westeuropä­ischen Staaten hinterher, wenn es um das Senken der Sterblichk­eit bei Erkrankung­en geht.
Foto: dpa Alt werden in Deutschlan­d. Das Land hinkt anderen westeuropä­ischen Staaten hinterher, wenn es um das Senken der Sterblichk­eit bei Erkrankung­en geht.

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