„Wir finden keinen neuen Kinderarzt“
Auf Arztsuche: Für ihre kleine Tochter wünscht sich ein Dresdner Paar einen Kinderarzt in der Nähe. Doch in den Praxen werden sie abgelehnt.
Langsam sind sie ein bisschen verzweifelt. Schon zweimal haben Paul Schneider und seine Freundin Susanne Meyer jede Menge Mails geschrieben und angerufen. Sie sind auf der Suche nach einem Kinderarzt in Dresden für ihre vierjährige Tochter Sophie. Vor zwei Jahren starteten sie die erste Runde der Suche. „Wir sind damals neu nach Dresden gezogen und haben zunächst in Klotzsche gesucht, da wir da auch wohnen und wir gerne einen Kinderarzt in der Nähe haben wollten“, sagt Paul Schneider. Doch in ihrem Viertel fanden sie damals keinen. Alle lokalen Kinderarztpraxen waren voll.
„Wir brauchten aber dringend einen Kinderarzt, denn unsere Tochter sollte eine Kindertagesstätte besuchen“, sagt Susanne Meyer, die wie ihr Partner im Sinne ihrer Tochter ihren richtigen Namen für sich behalten möchte. Für den Besuch der Kita brauchte man damals allerdings eine sogenannte Tauglichkeitsbescheinigung vom Arzt. Erst seit 2023 ist das nicht mehr nötig, 2022 wurde der Schein aber noch gebraucht. Es wurde unter anderem Hör- und Sehvermögen und Impfstatus geprüft.
Nach langer Suche fanden sie eine Kinderarztpraxis in Pieschen. Weit weg von Klotzsche, gerade mit Bus und Bahn. Doch nun sind sie nicht mehr so zufrieden mit der Ärztin. „Wir wünschen uns mehr Empathie und Anteilnahme an unserer Tochter. Sophie hat es nicht so ganz einfach im Leben und braucht dringend Ergotherapie“, so die Eltern. Details wollen sie lieber für sich behalten.
Es ist eine schwierige Situation für die Familie. Denn der Weg zwischen dem Wohnort in Klotzsche und der Praxis in Pieschen ist weit. Gerade, wenn die Tochter akut krank ist. „Als unsere Tochter kürzlich einen Magendarm-Infekt hatte, sind wir mit einem schwachen Kind, das sich übergeben musste, durch die halbe Stadt gefahren“, berichtet die Mutter.
Doch der Wechsel eines Kinderarztes scheint in Dresden beinahe unmöglich, sagen die beiden. „Wir finden einfach keinen neuen Kinderarzt.“
Wie in der ersten Such-Runde vor zwei Jahren schreibt die Familie auch jetzt wieder viele E-Mails und ruft in den Praxen an. Aber bisher haben sie keine Chance. „Die meisten Praxen argumentieren, dass sie niemanden aufnehmen, der schon einen Kinderarzt in der Stadt hat oder dass sie kein Kind mehr aufnehmen, weil die Praxis
bereits voll ist“, sagt Schneider. Das sei langsam untragbar. „Wir wollen nicht jammern über unsere Situation, sondern aufmerksam machen auf die schwierige Suche nach einem Kinderarzt in Dresden.“Denn nicht nur die Familie aus Klotzsche hat es schwer dabei, schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Probleme.
Praxen sind ausgelastet
Nehmen Kinderarztpraxen denn wirklich gar keine kleinen Patienten? „Wir nehmen Neugeborene und zugezogene Patienten im Rahmen unserer Möglichkeiten, mit Beachtung der Regulationen durch die Kassenärztliche Vereinigung, auf“, sagt Kinderarzt Sascha Ifflaender, der seine Praxis am Albertplatz hat. Die werdenden Mamas und Papas würden sich oft schon sehr früh in der Schwangerschaft anmelden. „Wir priorisieren absolut die Familien in unserer direkten Nachbarschaft sowie Geschwisterkinder, da wir weite Wege für die Familien verhindern möchten“, sagt er. Er bestätigt die Beobachtung von Familie Schneider. „Familien, die bereits einen Kinderarzt in Dresden haben, nehmen wir im Regelfall nicht bei uns auf“, so Ifflaender. Genauso wie gesetzlich versicherte Kinder aus anderen Stadtteilen. „Für privat versicherte Kinder – das muss man leider so sagen – gelten
die strengen kassenärztlichen Regulationen nicht. Ihre Behandlung wird nicht durch Budgets, maximale Behandlungszahlen und -zeiten begrenzt“, sagt er.
Kinderärzte sind hier auch in einer Zwickmühle. „Im Sinne einer weiterhin gut funktionierenden Praxisorganisation mit kurzen Wartezeiten und ausreichend Terminen“, sagt der Kinderarzt, „muss ich aber auch unabhängig vom Versicherungsstatus die Menge der bei uns behandelten Kinder vernünftig begrenzen“.
Genauso ist die Lage in der Kinderarztpraxis von Dr. Stephan Rupprecht in der Neustadt. „Ja, unsere Praxis nimmt jederzeit neue Kinder auf, wenn sie in unserem Einzugsgebiet wohnen“, heißt es auf Anfrage. Aber auch diese Praxis nimmt keine Kinder, die schon einen Arzt in Dresden haben oder die nicht im Einzugsgebiet wohnen. Praxen aus anderen Stadtteilen ließen die Anfrage unbeantwortet.
Gibt es ausreichend Kinderärzte in Dresden? Laut der Kassenärztlichen Vereinigung in Dresden ja. „Der Versorgungsgrad im Planungsbereich für die Arztgruppe der Kinderärzte liegt bei 121,4 Prozent“, so Sprecherin Katharina Bachmann-Bux. Der Planungsbereich sei derzeit deshalb für die Niederlassung von neuen Ärzten oder auch neue Anstellungen gesperrt. In
Zahlen ausgedrückt: Es seien mit 72 Kinderärzten in der Stadt alle Kassensitze besetzt.
Laut Stadtverwaltung leben derzeit 66.924 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 17 Jahren in Dresden. Das heißt: Jeder der 72 Kinderärzte muss sich rein rechnerisch um 929 Mädchen und Jungen kümmern. Eine große Aufgabe. Viele Praxen sind also voll, teilweise überlastet. Aber gilt nicht trotzdem für die kleinen Patienten und ihre Familien nicht auch das Recht auf freie Arztwahl? „Patienten haben grundsätzlich das Recht der freien Arztwahl. Es ist aber nicht immer möglich, die wohnortnächste Praxis zu besuchen“, so Bachmann-Bux. Ein Wechsel des Arztes sei grundsätzlich möglich, sollte aber nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes erfolgen.
Praxen könnten außerdem Patienten ablehnen, wenn es ihnen aus Kapazitätsgründen nicht möglich ist, noch mehr von ihnen aufzunehmen und sie auch in der notwendigen Qualität zu behandeln. Und auch die Kassenärztliche Vereinigung muss am Ende laut Sprecherin Bachmann-Bux ein Personalproblem einräumen. „Immer öfter haben die vertragsärztlichen Praxen mit Personalknappheit zu kämpfen, sodass es auch aus organisatorischen Gründen zu Einschränkungen kommen kann.“
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