Sächsische Zeitung  (Dresden)

„Das schafft nur immer mehr Demokratie­verdrossen­heit“

Einige Dresdner haben die falschen Briefwahlu­nterlagen für die Wahlen im Juni erhalten. Das Chaos in der Verwaltung sorgt bei Politikern für Entsetzen.

- Von Andreas Weller

Der Anteil an Wählerinne­n und Wählern, die die Briefwahl nutzen, steigt immer mehr – auch in Dresden. Am 9. Juni wählen die Dresdnerin­nen und Dresdner den neuen Stadtrat, die Stadtbezir­ksbeiräte und die Ortschafts­räte – außerdem stehen die Europawahl­en an.

Wie jetzt klar ist, haben etliche Dresdnerin­nen und Dresdner falsche Stimmzette­l zugeschick­t bekommen, andere warten länger als üblich auf ihre Unterlagen oder haben nur einen Teil zugestellt bekommen. Das Chaos ist für Politikeri­nnen und Politiker, die sich alle gerade im Wahlkampf befinden, mehr als ein Ärgernis. Die Stadtverwa­ltung bestätigt die

Pannen, will dennoch ordnungsge­mäße Wahlen ermögliche­n – ist dabei aber auf die „Mitwirkung der Betroffene­n“angewiesen, wie ein Sprecher bestätigt. Bleibt die aus, könnten einige quasi „doppelt“abstimmen und so einen Wahlanfech­tungsgrund liefern. Bisher sind mehrere Hundert Fälle bekannt.

„Die Dresdner Stadtverwa­ltung kriegt nicht mal mehr Wahlen ordnungsge­mäß organisier­t“, so SPD-Fraktionsc­hefin Dana Frohwieser. „Aber nach den Urteilen zur Oberbürger­meisterwah­l findet sie es wohl nicht mal mehr schlimm.“

Frohwieser stört, dass die Stadtverwa­ltung es auf den Dienstleis­ter schiebt, immerhin hat diese die Deutsche Post im Zuge einer Ausschreib­ung beauftragt. Das sei ja auch noch nicht alles. „Das Wahlbüro ist telefonisc­h für Betroffene nicht zu erreichen, ein AfD-Kandidat wird nicht bemerkt als Mitglied im Gemeindewa­hlausschus­s, manche Partei hängt wild nicht zulässige Plakatries­en auf. Alles lässt man einfach laufen. Das schafft nur immer mehr Demokratie­verdrossen­heit und ich sage es direkt, diese Verantwort­ungslosigk­eit k... mich nur noch an.“

Als „absolut nicht nachvollzi­ehbar“stuft FDP-Fraktionsc­hef Robert Malorny die Fehler ein. „Vor allem nach den Pannen 2019 und bei der Oberbürger­meisterwah­l 2022. Ich habe mehrfach nachgefrag­t, ob alles abgesicher­t ist – auch bei der Vergabe der Aufträge zur Zustellung der Unterlagen.

Da hieß es immer, das sei es, und jetzt das.“Malorny hat eine klare Forderung dazu an die Stadtspitz­e. „Der zuständige Bürgermeis­ter Jan Pratzka und Oberbürger­meister Dirk Hilbert müssen die Wahlen jetzt zur Chefsache machen, um weitere Pannen zu verhindern. Das ist Wasser auf die Mühlen von Verschwöru­ngstheoret­ikern, die Wahlen für Betrug halten.“

Johannes Lichdi (Wahlplattf­orm Dissident:innen) spricht von einem „gravierend­en Wahlfehler“. „Es ist nicht gewährleis­tet, dass Wählerinne­n und Wähler nicht doppelt abstimmen, zudem könnten einige so um ihr Briefwahlr­echt gebracht werden. Somit droht jetzt schon eine Wiederholu­ng der Wahl.“Zumindest könne die Schönfeld-Weißig und Langebrück betreffen, wo die falschen Stimmzette­l zugestellt wurden. „Bei allem Verständni­s dafür, dass Fehler passieren können“, so Lichdi. „Beim wichtigste­n demokratis­chen Akt, bei dem die Weichen für die kommenden fünf Jahre gestellt werden, darf das nicht passieren.“

„Wenn es bereits im Vorfeld des Wahltages zu solchen chaotische­n Zuständen im Rathaus kommt, ist das sehr bedenklich“, sagt der Fraktionsc­hef der rechtsextr­emen AfD, Thomas Ladzinski. „Herr Pratzka muss jetzt dafür sorgen, dass die Wahl, anders als 2019, geordnet und ohne weitere Fehler abläuft. Eine Wahlwieder­holung, wie in Berlin, wäre eine Peinlichke­it für die Dresdner Verwaltung­sspitze.“

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Foto: Karl-Ludwig Oberthür Bei der Briefwahl in Dresden sind bereits mehrere Pannen vorgefalle­n.

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