„Das schafft nur immer mehr Demokratieverdrossenheit“
Einige Dresdner haben die falschen Briefwahlunterlagen für die Wahlen im Juni erhalten. Das Chaos in der Verwaltung sorgt bei Politikern für Entsetzen.
Der Anteil an Wählerinnen und Wählern, die die Briefwahl nutzen, steigt immer mehr – auch in Dresden. Am 9. Juni wählen die Dresdnerinnen und Dresdner den neuen Stadtrat, die Stadtbezirksbeiräte und die Ortschaftsräte – außerdem stehen die Europawahlen an.
Wie jetzt klar ist, haben etliche Dresdnerinnen und Dresdner falsche Stimmzettel zugeschickt bekommen, andere warten länger als üblich auf ihre Unterlagen oder haben nur einen Teil zugestellt bekommen. Das Chaos ist für Politikerinnen und Politiker, die sich alle gerade im Wahlkampf befinden, mehr als ein Ärgernis. Die Stadtverwaltung bestätigt die
Pannen, will dennoch ordnungsgemäße Wahlen ermöglichen – ist dabei aber auf die „Mitwirkung der Betroffenen“angewiesen, wie ein Sprecher bestätigt. Bleibt die aus, könnten einige quasi „doppelt“abstimmen und so einen Wahlanfechtungsgrund liefern. Bisher sind mehrere Hundert Fälle bekannt.
„Die Dresdner Stadtverwaltung kriegt nicht mal mehr Wahlen ordnungsgemäß organisiert“, so SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser. „Aber nach den Urteilen zur Oberbürgermeisterwahl findet sie es wohl nicht mal mehr schlimm.“
Frohwieser stört, dass die Stadtverwaltung es auf den Dienstleister schiebt, immerhin hat diese die Deutsche Post im Zuge einer Ausschreibung beauftragt. Das sei ja auch noch nicht alles. „Das Wahlbüro ist telefonisch für Betroffene nicht zu erreichen, ein AfD-Kandidat wird nicht bemerkt als Mitglied im Gemeindewahlausschuss, manche Partei hängt wild nicht zulässige Plakatriesen auf. Alles lässt man einfach laufen. Das schafft nur immer mehr Demokratieverdrossenheit und ich sage es direkt, diese Verantwortungslosigkeit k... mich nur noch an.“
Als „absolut nicht nachvollziehbar“stuft FDP-Fraktionschef Robert Malorny die Fehler ein. „Vor allem nach den Pannen 2019 und bei der Oberbürgermeisterwahl 2022. Ich habe mehrfach nachgefragt, ob alles abgesichert ist – auch bei der Vergabe der Aufträge zur Zustellung der Unterlagen.
Da hieß es immer, das sei es, und jetzt das.“Malorny hat eine klare Forderung dazu an die Stadtspitze. „Der zuständige Bürgermeister Jan Pratzka und Oberbürgermeister Dirk Hilbert müssen die Wahlen jetzt zur Chefsache machen, um weitere Pannen zu verhindern. Das ist Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern, die Wahlen für Betrug halten.“
Johannes Lichdi (Wahlplattform Dissident:innen) spricht von einem „gravierenden Wahlfehler“. „Es ist nicht gewährleistet, dass Wählerinnen und Wähler nicht doppelt abstimmen, zudem könnten einige so um ihr Briefwahlrecht gebracht werden. Somit droht jetzt schon eine Wiederholung der Wahl.“Zumindest könne die Schönfeld-Weißig und Langebrück betreffen, wo die falschen Stimmzettel zugestellt wurden. „Bei allem Verständnis dafür, dass Fehler passieren können“, so Lichdi. „Beim wichtigsten demokratischen Akt, bei dem die Weichen für die kommenden fünf Jahre gestellt werden, darf das nicht passieren.“
„Wenn es bereits im Vorfeld des Wahltages zu solchen chaotischen Zuständen im Rathaus kommt, ist das sehr bedenklich“, sagt der Fraktionschef der rechtsextremen AfD, Thomas Ladzinski. „Herr Pratzka muss jetzt dafür sorgen, dass die Wahl, anders als 2019, geordnet und ohne weitere Fehler abläuft. Eine Wahlwiederholung, wie in Berlin, wäre eine Peinlichkeit für die Dresdner Verwaltungsspitze.“