Falsche Frage
Gewalt geht gar nicht. Das ist schon mal klar. Das müsste man eigentlich nicht aufschreiben und nicht begründen. Leider muss man es in diesen Tagen doch wieder deutlich sagen: Keine Gewalt! Menschen, die sich politisch engagieren, dürfen dafür nicht angegriffen werden.
Das Problem beginnt allerdings nicht erst, wenn zugeschlagen wird. Vor der Gewalt kommt das Wort. Das muss kein direkter Aufruf zu Taten sein. Manche können das ziemlich perfekt. Probleme aufgreifen, zuspitzen und Schuldige ausmachen. Menschen in Gruppen zusammenfassen und abwerten. Die Politiker. Die Eliten. Die da oben. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen, oder? Gibt es denn keine Meinungsfreiheit mehr?
Manchmal landet die Frage vor Gericht.
Ist das schon strafbar oder noch Meinungsfreiheit? Wo genau verläuft die Grenze? Eine Klärung ist notwendig. Aber eine Gerichtsentscheidung berührt das Wesentliche nicht. Denn nicht alles, was ich sagen darf, ist deswegen schon gut. Es ist vielleicht nicht strafbar, aber damit noch lange nicht gut. Das gilt auch im Wahlkampf.
Die Frage, ob ich Menschen beleidigen darf, Politikerinnen wegen ihres Körpers lächerlich machen darf, ob ich Parolen aus der NS-Zeit sagen darf oder nicht, ist für mich noch nicht relevant gewesen. Mir hat einfach das Bedürfnis dazu gefehlt. Es ist auch nicht das, was ich unter Freiheit verstehe. Die Frage der Freiheit wird schon in den ersten christlichen Gemeinden im damaligen römischen Reich verhandelt. Was darf ich als Christ, was nicht, welche Freiheiten habe ich und was geht gar nicht? Paulus, der Apostel, der mehrere solche Gemeinden in verschiedenen Städten gegründet hat, gibt eine überraschende Antwort: Es ist alles erlaubt, aber nicht alles führt zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Sucht, was dem anderen dient. Das ist sein Maßstab.
Es geht nicht darum, zu sagen, was gerade noch erlaubt ist. Es geht um die Wirkung. Es soll zum Guten führen. Es soll das Verständnis fördern, meine Position sichtbar machen, einen Dialog voranbringen und ein vielfältiges Miteinander ermöglichen. Dazu kann man nicht verpflichten, aber man kann sich selbst daran orientieren. Ich finde Meinungsfreiheit wesentlich. Sie macht es möglich ohne Bedrohung zu sprechen und für meine Interessen zu streiten. Sie garantiert mir nicht, dass andere Menschen meiner Meinung sind. Sie schließt Widerspruch nicht aus. Wie ich sie gebrauchen will, diese Frage kann ein Gericht nicht klären. Diese Frage muss ich mir selbst beantworten.