Mit Cole Porter in den Sommer schippern
An der Kaisertrutz in Görlitz hat das Traumschiff „MS Amerika“festgemacht und unterhält mit „Anything goes“.
Das Görlitzer Sommertheater hat schon an den unterschiedlichsten Orten stattgefunden. Nun zog man direkt an den Fuß der Kaisertrutz auf den Theatervorplatz. Doch die Location scheint eine Affinität zu Wasser zu haben. Zwar hatten sich die heftigen Gewitter rechtzeitig vor der Premiere am Samstagabend verzogen, aber der „Maschinenraum der MS Amerika“stand voll Wasser. So musste die Drehbühne jedes Mal von den Technikern per Hand angeschoben werden. Trotzdem konnte der Atlantik-Liner pünktlich ablegen und die Open-Air-Spielzeit starten. Ganz im Sinne des Titelsongs: „Anything goes!“Und das Publikum auf der voll besetzten Zuschauertribüne hätte es vielleicht gar nicht bemerkt, so abwechslungsreich, bunt und musikalisch schwungvoll lief die Show ab. Langer Applaus trotz empfindlich gesunkener Temperatur.
Cole Porters Musical „Anything goes“von 1934 ist ein typisches Broadway-Musical. Große Show mit keinem Inhalt, sehr einfach gestrickte Figuren werden in einem verwirrenden Plot miteinander verknüpft. Als Handlungsort ein Ozeanriese, Kreuzfahrtschiff, Atlantik-Liner, eine Traumwelt, wo immer die Sonne scheint. Zwei Paare starten, drei finden sich am Ende, aber ganz bestimmt nicht so, wie es vorhersehbar ist. Es gibt einen amerikanischen Millionär und einen englischen Aristokraten, einen Gangster samt seiner Puppe, zwei Popen, zwei Clowns, zwei romantisch Verliebte, die schlussendlich zusammenfinden, eine verarmte Witwe, eine bunt gemischte Reisegesellschaft, schnittige Matrosen und fesche Matrosinnen … Karel Spanhak hat das praktikabel-schicke Revue-Schiff mit seinen verschiedenen Seiten und ausklappbaren Kabinen entworfen und allen Darstellern schicke Outfits gegeben. Allerdings wird Sex-Appeal nicht automatisch mehr, wenn die Kostüme weniger Stoff haben.
Der unbestreitbare Star ist Reno Sweeney, die „sinnlichste Predigerin der Welt“. Dass diese attraktiv-sympathische Self-Made-Frau anfangs den blassen Romantiker Billy liebt, der sie als Frau ignoriert, und sich dann an den steifen Lord Oakleigh verliert, ist ebenso unglaubwürdig wie ihr „Erweckungsgottesdienst“als Showhöhepunkt der Bordunterhaltung.
Regisseur Holger Hauer stört das nicht. Er versucht auch nicht, das zu erklären. Er inszeniert den Revuestar, und genau den gibt Alexandra Farkic überzeugend. Anfangs stimmlich etwas zurückhaltend, dann immer besser auftrumpfend. Als Bühnenstar ist sie eine Attraktion, ihr als Figur zu folgen, fällt schwer.
Die Choreografien von Lucy Costelloe sind gut überlegt. Da finden sich die Modetänze der Zeit, da werden Figurenbeziehungen angedeutet. Da gibt es kaum gedankenlose Routine, alles ist genau einstudiert. Aber der mitreißende Revue-Glanz, der Schwung fehlt.
Ulrich Kern kreiert mit der Neuen Lausitzer Philharmonie überzeugenden 30erJahre-Sound. Auch Solisten, Chor und Tanzcompagnie geben ihr Bestes, Porter zum Swingen zu bringen. Vielleicht war der Zuschauerraum zu feuchtkalt, als dass zur Premiere der Funke hätte zünden können.
Möglicherweise sind es „zu viele Noten“, unter Umständen auch die ungewohnten deutschen Texte, die nicht so ganz dem Rhythmus des Komponisten entsprechen. Dass sie an manchen Stellen unerwartet heutig, überraschend aktuell sind, wird von Regisseur Hauer ignoriert. Dass man auf dem „MS Amerika“mangels echter Stars den großen Verbrechern und Ganoven huldigt und ihnen den roten Teppich ausrollt, könnte aktueller nicht sein. Hauer konzentriert sich mehr auf szenische Gags und Wortwitz. Mit dem Ensemble kann er da aus dem Vollen schöpfen. Da finden viele das Eckchen, ihrem Affen Zucker zu geben. Etwa Michael Berner als zu klein geratener Ganove oder Brieann Pasko als seine blonde Puppe. Oder die Routiniers Yvonne Reich und Peter Struppe als Witwe Evangeline und Börsenmakler Elisha. Peter Fabig als Lord kann komische Darstellung und kraftvollen Gesang überzeugend mischen. Bei Buyan Li als romantischer Liebhaber Billy steht die glanzvoll strahlende Stimme mehr im Vordergrund als sein zurückgenommenes, oftmals feinsinnig-ironisches Spiel. Lydia Roscher hat als seine angebetete Schönheit ein paar schöne Töne und sympathische Ausstrahlung. Als Gegenentwurf und ernsthafte Konkurrentin zu Reno Sweeney bleibt sie zu blass.
Fazit: Eine leichte, luftige Sommerunterhaltung für alle, die den Sound des frühen Musicals mögen und mal drei Stunden nicht über Probleme nachdenken wollen.
Termine: 2., 6., 8., 9., 12., 13., 14., 15., 16. und 20. 6., je 19.30 Uhr; Kartentel. 03581 474747