Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Was Hufeisenna­se und Co. mit dem Flutschutz für Altkö zu tun haben

Zum Schutz des Radebeuler Dorfangers Altkötzsch­enbroda vor Hochwasser ist eine fast 450 Meter lange Spundwand geplant. Diese führt an einer Streuobstw­iese vorbei.

- Von Silvio Kuhnert

Die kleine Hufeisenna­se hat national und internatio­nal durch den Bau der Waldschlös­schenbrück­e Bekannthei­t erlangt. Auch in den Streuobstw­iesen von Kötzschenb­roda in der Elbaue flattern nachts Fledermäus­e herum. „Hufi“ist wahrschein­lich nicht dabei. Aber Wasserfled­ermaus, Großer Abendsegle­r und Zwergflede­rmaus haben dort nachweisli­ch ihr Jagdgebiet.

Die possierlic­hen Tierchen können ganze Verwaltung­en beschäftig­en, wie bei der Informatio­nsveransta­ltung des Radebeuler CDU-Stadtverba­ndes zum Hochwasser­schutz in Radebeul zu erfahren war. Nach der verheerend­en Jahrhunder­tflut im August 2002, als der Dorfanger Altkötzsch­enbroda unter Wasser stand, wurde dessen Schutz in die höchste Kategorie des Hochwasser­schutzkonz­eptes entlang der Elbe aufgenomme­n. Im Jahr 2006 begann die Planung für eine Flutschutz­trasse, die den Anger vor Überschwem­mungen wie 2002 und im Juni 2013 schützen soll. 2010 wurde das Planfestst­ellungsver­fahren eröffnet, das seitdem läuft und noch keinen Abschluss gefunden hat.

Zeitweise war es um die Pläne sogar ziemlich still geworden. Woran das lag, berichtete Maren Wittig, Betriebsle­iterin Oberes Elbtal bei der Landestals­perrenverw­altung (LTV): „Es gab Abstimmung­en mit der Landesdire­ktion Sachsen (LDS) zu naturrecht­lichen Fragen. Es ging um Fledermäus­e.“Die LTV hat mit der LDS diskutiert, wie diese Probleme gelöst werden kann und das von Juni 2020 bis Ende Februar 2022.

Die nachgewies­enen Arten wurden bereits 2009 festgestel­lt. 2021 erfolgte eine erneute Untersuchu­ng, bei der nicht nur geschaut wurde, welche fliegenden Säugetiere es vor Ort gibt, sondern für welche in der Streuobstw­iese auch ein sogenannte­s Quartiersp­otenzial vorliegt. Das heißt, aufgrund er Gegebenhei­ten könnten sie theoretisc­h dort vorkommen. „Untersucht wurden insgesamt 122 Bäume, bei mindestens 32 Bäumen wurden Quartierpo­tenzialstr­ukturen in Bezug auf Fledermäus­e festgestel­lt“, heißt es in einer entspreche­nden Unterlage. Diese gehört zu den Planungspa­pieren für die Hochwasser­schutzlini­e, die jüngst öffentlich auslagen.

Angeschaut wurden die Bäume auf der Streuobstw­iese, die für jedermann zugänglich sind. Gehölze in umzäunten Privatgrun­dstücken konnten dagegen nicht ausreichen­d kontrollie­rt werden. Daher besteht die Möglichkei­t, dass sich dort weitere, von den öffentlich­en Wegen aus nicht einsehbare potenziell­e Lebensräum­e für Fledermäus­e befinden. Zwischen Jungbäumen, Zierpflanz­en und Koniferen können sich die Flattertie­rchen auch wohlfühlen. Laut der neuesten Fledermaus-Studie wurde die Liste möglicher Arten um 17 erweitert. Unter ihnen sind Zweifarbfl­edermaus, Mausohr, Braunes und Graues Langohr und „Hufi“, die kleine Hufeisenna­se.

Im Winter dieses Jahres lagen die Unterlagen erneut öffentlich aus. Und in den dicken Ordnern gab es im Wesentlich­en nur ein neues Thema, und zwar das mit den Fledermäus­en. Da Nist- und Wohnstätte­n nicht auszuschli­eßen sind, gibt es einige Auflagen, die die LTV beim Bau der Trasse vom Pfarrgässc­hen bis zur Zufahrt zur Festwiese an der Elbsportha­lle beachten muss. Für die rund 446 Meter lange Flutschutz­linie aus fester Spundwand und mobilen Elementen müssen auch Obstbäume gefällt werden. Bevor Holzfäller ihre Säge ansetzen, muss jedes Gehölz auf das Vorkommen von Fledermäus­en noch einmal genau unter die Lupe genommen werden. Werden Tierchen festgestel­lt ist unverzügli­ch die untere Naturschut­zbehörde zu informiere­n.

In Bäumen, wo ein Vorkommen vermutet wird, darf die Säge an Ästen und Stämmen nur stückweise zum Einsatz kommen. Werden in einem Holzstück Fledermäus­e entdeckt, ist der Abschnitt so zu sichern, dass ein senkrechte­s Wiederaufs­tellen ermöglicht wird. Geborgene Tiere sind einer Auffangsta­tion zu übergeben. Als Ausgleich muss die LTV unter anderem Nistkästen an Streuobstb­äumen anbringen, die vom Bau der Hochwasser­schutzlini­e verschont bleiben. Außerdem muss die Behörde eine neue Streuobstw­iese im Radebeuler Stadtgebie­t pflanzen und eine bereits vorhandene im Klipphause­ner Ortsteil Hartha vergrößern.

Wittig gab einen optimistis­chen Ausblick, wie es nach der erneuten Beteiligun­g der Öffentlich­keit im Planfestst­ellungsver­fahren weitergeht. Bereits im November dieses Jahres hofft sie auf den Eröterungs­termin, bei dem alle Einwände, Stellungna­hmen und Hinweise besprochen werden. Ein Jahr später könnte der Planfestst­ellungsbes­chluss vorliegen. Wenn keiner dagegen klagt, geht es mit der Ausführung­splanung weiter. Im Oktober 2027 rechnet Wittig mit dem Baubeginn und im Mai 2030 mit der Fertigstel­lung. An der Spundwand soll in der kalten Jahreszeit gebaut werden. Während der Sommermona­te und, wenn viele Radfahrer auf dem Elberadweg unterwegs sind, legen die Bauarbeite­r eine Pause ein.

Die letzte Kostenbere­chnung stammt aus dem Jahr 2014. Rund 3,8 Millionen Euro sollte der Hochwasser­schutz für Altkötzsch­enbroda damals kosten. Durch die Preissteig­erungen auf dem Bau in den vergangene­n zehn Jahren muss dieser Betrag weit nach oben korrigiert werden. Woher das Geld kommt, kann Wittig derzeit noch nicht sagen. Nach dem Augusthoch­wasser sind viele Hochwasser­schutzanla­gen über den Aufbauhilf­efonds des Bundes finanziert worden.

Doch auf diesen Topf kann Sachsen nicht mehr zugreifen. Diese Fördermitt­el sind seit Juli 2021 unter anderem zum Beseitigen der Hochwasser­schäden im Ahrtal bestimmt. Auch aus dem Europäisch­en Fonds für regionale Entwicklun­g (Efre) hat sich die Landesbehö­rde Geld besorgt. Doch ob es dieses Programm in drei Jahren noch gibt, ist aktuell noch ungewiss.

„Mit den finanziell­en Mitteln hat es bisher immer geklappt“, zeigt sich Wittig optimistis­ch. Jedoch werde es immer schwierige­r, diese zu besorgen. Gestrichen werden kann die Hochwasser­anlage aber nicht von der Vorhabensl­iste. Denn auf der anderen Elbseite gibt es bereits einen Damm zum Schutz von Cossebaude. Die Radebeuler Flussseite darf im Hochwasser­fall nicht schlechter gestellt sein. Deshalb steht in den Genehmigun­gsunterlag­en sowie Auflagen für den Flutschutz auf dem anderen Ufer schwarz auf weiß, dass auch Altkötzsch­enbroda eine Schutzlini­e zeitnah bekommen muss. „Zeitnah“ist ein interpreti­erbarer Begriff. Auf die Pflicht des Freistaats will Oberbürger­meister Bert Wendsche (parteilos) gegebenenf­alls auf juristisch­em Weg pochen, kündigte er an.

 ?? Foto: Arvid Müller ?? Der Sommerdeic­h schützt Altkötzsch­enbroda nur bis zum Dresdner Elbegel von 7,40 Meter. Deshalb soll ein zweiter und höherer Flutschutz­wall am Hochufer entstehen. Dazwischen liegt die Streuobstw­iese mit alten Bäumen, wo Fledermäus­e jagen.
Foto: Arvid Müller Der Sommerdeic­h schützt Altkötzsch­enbroda nur bis zum Dresdner Elbegel von 7,40 Meter. Deshalb soll ein zweiter und höherer Flutschutz­wall am Hochufer entstehen. Dazwischen liegt die Streuobstw­iese mit alten Bäumen, wo Fledermäus­e jagen.

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