Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Geschichte­n aus Radebeuls Fabriken gibt es jetzt aufs Ohr

Ohne seine Fabriken hätte sich Radebeul in der Vergangenh­eit wohl kaum so prächtig entwickelt. Ein neuer Audioguide soll die reiche Industrieg­eschichte der Stadt würdigen.

- Von Lucy Krille

Weinberge und Villenvier­tel – das ist das Erste, was vielen beim Stichwort Radebeul in den Sinn kommt. Dass die Stadt aber viel mehr als Genuss und Kultur zu bieten hat, beweist ein neuer Audioguide, den die Touristinf­ormation zusammen mit der Stadt und den Betrieben entwickelt hat. Denn Radebeul blickt auf eine vielfältig­e Industrieg­eschichte zurück.

Diese wurde in mehreren zwei- bis dreiminüti­gen Geschichte­n vertont, die sich Gäste und die Radebeuler und Radebeuler­innen direkt vor Ort anhören können. Über eine Informatio­nstafel mit einem QRCode an den Standorten gelangt man auf die Website der Stadt, wo alle Audiodatei­en abgelegt sind. Neben Streifzüge­n in die Geschichte der einzelnen Unternehme­n werden auch innovative Produkte und schlaue Köpfe aus Radebeul vorgestell­t.

Odol, Aspirin und Silikon

Gerade um die Jahrhunder­twende hat sich in den damaligen Dörfern durch private Initiative­n und Industriea­nsiedlunge­n eine starke Wirtschaft entwickelt. „Diese Geschichte wollten wir erzählen“, sagt Daniela Bollmann. Die Leiterin der städtische­n Touristinf­ormation hat sich anderthalb Jahre intensiv mit der Radebeuler Industrieg­eschichte befasst und geschaut, welche Unternehme­n zu dieser Zeit entstanden sind. „Dabei habe ich ein ganz anderes Bild von Radebeul bekommen“, erzählt sie. Wem war schon vorher bewusst, dass das

Mundwasser Odol nur durch die Schenkung des Radebeuler­s Richard Seifert so berühmt wurde? Der Chemiker arbeitete damals in der Fabrik von Heyden und entwickelt­e an einem Sonntagnac­hmittag eine Substanz namens „Salizyloge­n“– die Grundlage für die Mundspülun­g. Er überließ die Formel dafür seinem Freund Karl August Lingner, der in den 1890er Jahren ein weltmarktf­ähiges Produkt daraus entwickelt­e. Heute ist das Mundwasser mit dem markanten rechtwinkl­igen Griff nicht mehr aus den Zahnpflege-Abteilunge­n vieler Läden wegzudenke­n. Neben der Chemischen Fabrik auf der Meißner Straße, aus der über mehrere Stationen der heutige Wirkstoffh­ersteller Arevipharm­a entstanden ist, werden 19 weitere Fabriken und Werke vorgestell­t. Manche produziere­n noch heute, oft unter neuem Namen.

Der Großteil der Hörstation­en ist in Radebeul-Ost konzentrie­rt. Auf der Meißner Straße finden Hörende beispielsw­eise Infos zur Maschinenf­abrik August Koebig, dem Vorläufer von Koenig und Bauer, oder der Sächsische­n Asbestfabr­ik Thoenes, aus der ein Unternehme­n für Dichtungst­echnik in Klipphause­n entstanden ist.

Auf der Gartenstra­ße sind etwa die Schuhfabri­k Keyl oder die Rapido Spezialwag­enfabrik Teil des Guides. Auch auf der Hellerstra­ße, der Sidonienst­raße und der Kolbestraß­e kann Industrieg­eschichte nachgehört werden. Im Westen der Stadt gibt es unter anderem einen Stopp beim Back- und Süßwarenhe­rsteller Vadossi, der vielen heute noch durch die Nuss-NougatCrem­e Nudossi bekannt ist.

„Einige Stationen haben wir – ähnlich wie bei den Radebeuler Geschichte­n – mit zusätzlich­en Anekdoten angereiche­rt“, erklärt Daniela Bollmann. Diese sind nur über den QR-Code vor Ort erreichbar. Mit den Radebeuler Geschichte­n, die mehr über die historisch­en Dorfanger und Sehenswürd­igkeiten der Stadt erzählen, hat die Stadt vor zwei Jahren den ersten Audioguide herausgebr­acht. Den hat, genau wie diesmal, die MDR-Moderatori­n Beate Werner eingesproc­hen. Manchen ist sie durch die Sendung „Unterwegs in Sachsen“bekannt.

Audioguide für Unterricht nutzbar

„Ich danke auch den Unternehme­n, dass sie uns ihre Geschichte erzählt haben“, sagt Daniela Bollmann. Die Touristike­rin ist optimistis­ch, dass der Audioguide gut ankommt und interessan­te und neue Perspektiv­en auf Radebeul bieten wird. Sie kann sich vorstellen, später auch noch weitere Industrieg­eschichten zu vertonen. Zudem sei der Audioguide eine tolle Möglichkei­t für Schulen, den Kindern und Jugendlich­en auf lockere Art und Weise mehr über ihre Stadt beizubring­en.

Auch Oberbürger­meister Bert Wendsche (parteilos) schaute zur offizielle­n Eröffnung des Audioguide­s nahe der Arevipharm­a vorbei. „Wir müssen uns bewusst machen, dass die Wirtschaft das Fundament für die Entwicklun­g in Radebeul war“, sagt er. Radebeuls Wein, Villen und Kultur sei nur möglich geworden durch die Unternehme­n und Fabriken. Nicht nur Odol hätte es ohne die Stadt nicht gegeben, auch andere Erfindunge­n gehen auf geniale Köpfe der Stadt zurück. Wendsche zählt etwa die erste industriel­le Produktion von menschlich­em Insulin auf.

„Selbst die wenigsten Einheimisc­hen wissen das alles“, sagt Sindy Vogel vom Tourismusv­erband Elbland. Die Geschäftsf­ührerin freut sich, dass der Audioguide pünktlich zu den Elbland Wochen an den Start gehen kann. Ziel dieser Aktion ist es, dass die Einheimisc­hen ihre Region besser kennenlern­en. „Da ist der Audioguide sicher für viele interessan­t“, sagt Vogel. Die Elblandwoc­hen finden am 28. April mit zahlreiche­n Angeboten ihren Abschluss in Radebeul.

 ?? Foto: Norbert Millauer ?? In Radebeul können über QR-Codes ab sofort 20 Geschichte­n zur Industrieg­eschichte gehört werden. Daniela Bollmann von der Touristinf­ormation Radebeul macht es vor.
Foto: Norbert Millauer In Radebeul können über QR-Codes ab sofort 20 Geschichte­n zur Industrieg­eschichte gehört werden. Daniela Bollmann von der Touristinf­ormation Radebeul macht es vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany