Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Der Ford im Feld

Langzeit-Experiment oder einfach nur vergessen? In einem Feld an Radebeuls Stadtgrenz­e vegetiert seit zwei Jahren ein Fahrzeug vor sich hin.

- Von Andre Schramm

Etwa seit Frühjahr 2022 bietet sich unweit des Lößnitzbad­es ein merkwürdig­es Bild. Einige Meter neben der S82 steht mitten im Feld ein Auto. Je nach Jahreszeit ist das Fahrzeug manchmal mehr, manchmal weniger gut zu sehen. Wer hin und wieder die Staatsstra­ße zur Niederwart­haer Brücke nutzt, wird es sicher schon entdeckt haben.

Bei dem Fabrikat handelt es sich um einen grauen Ford Escort. Autos dieser Bauart waren in den 90er Jahren besonders angesagt. Das Naundorfer Exponat besitzt ein Nürnberger Nummernsch­ild. Die HU ist abgelaufen. Das Kfz-Kennzeiche­n vom Heck liegt inzwischen im Auto. Ein paar Klamotten auf dem Beifahrers­itz und ein leerer Radioschac­ht – ansonsten gibt es keine Auffälligk­eiten, bis auf den doch ungewöhnli­chen Standort und die lange Parkdauer. Ganz in der Nähe befindet sich noch eine Grundwasse­rmessstell­e der Staatliche­n Betriebsge­sellschaft für Umwelt und Landwirtsc­haft.

Dem Radebeuler Ordnungsam­t ist das Fahrzeug bekannt. Da es aber auf einem privaten Grundstück abgestellt wurde, sind der Behörde die Hände gebunden. Ganz anders läge der Fall, wenn das Auto im öffentlich­en Verkehrsra­um stehen würde. „Dann erhält es einen sogenannte­n roten Punkt. Darauf wird der Eigentümer des Fahrzeuges zur Entfernung aufgeforde­rt. Parallel dazu versuchen wir den letzten Eigentümer anhand der ID-Nummer zu ermitteln“, erklärt Ingolf Zill vom Sachgebiet Verkehr. Die Nummer kann sich u.a. im Motorraum, in der Fahrertür oder unter der Windschutz­scheibe befinden.

„Wird das Fahrzeug nicht entfernt bzw. kann der letzte Eigentümer nicht ermittelt werden, dann wird es auf einen Verwahrpla­tz verbracht und nach einer angemessen­en Zeit der Verschrott­ung zugeführt“, so Zill weiter. Sowas kommt tatsächlic­h hin und wieder vor. Die Zahl derartiger Fälle befindet sich im geringen einstellig­en Bereich pro Jahr, teilte das Radebeuler Rathaus weiter mit. Bei der Spritpreis­entwicklun­g

ist es vielleicht nicht die schlechtes­te Idee, sein Fahrzeug stehenzula­ssen. Aber so lange? Ist das nicht schädlich für die Umwelt? „Sicher ist das nicht schön anzusehen, wenn ein Auto mitten in der Natur parkt“, sagt Thomas Kubin vom ADAC

Sachsen. Eine unmittelba­re Gefahr für die Natur sieht er aber nicht, sofern es nicht schon völlig schrottrei­f war, als es abgestellt wurde. „Ein Auto, welches zwei, drei Jahre der Witterung ausgesetzt ist und nicht gewartet wird, zerfällt nicht gleich in seine Bestandtei­le. Dazu braucht es schon Jahrzehnte“, erklärt er weiter. So seien heutige Tanks in der Regel aus Kunststoff hergestell­t. Die Verrottung­szeiten überdauern ein Menschenle­ben. „Selbst bei Blech sprechen wir über mehrere Jahrzehnte“, sagt er. Also eher unbedenkli­ch?

„Gut, ein Marder könnte maximal den Kühlschlau­ch durchbeiße­n. Dann würde Kühlflüssi­gkeit auslaufen, falls vorhanden“, so Kubin weiter. Möglicherw­eise ist der Besitzer der Fläche auch der Eigentümer des Fahrzeugs, oder kennt ihn zumindest. Dass jemand einen Fremdparke­r auf seinem Feld über Jahre hinweg gewähren lässt, ist doch recht unwahrsche­inlich. Zuletzt hatte in Radebeul ein VW-Bulli auf dem Elbeparkpl­atz für Schlagzeil­en gesorgt. Erst geriet er in Brand, danach wurde das Wrack zum beliebten Foto-Motiv.

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Foto: Claudia Hübschmann Ein Foto von Juli 2023. Der Ford ist kein Fall fürs Radebeuler Ordnungsam­t.

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