Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Zwischen Ballermann, Wacken und braunen Pfeifen

Die Bremer Folk-Rock-Band Versengold unterstütz­t in Dresden die Bierindust­rie. Und mahnt zur Vorsicht, nicht nur bei der Partnerwah­l.

- Von Tom Vörös

Musik und Bier liegen in der Luft. Männliche Männer tragen nicht ohne Stolz ihre vollen Becher-Kränze in den mit 1.900 Leuten gefüllten Saal. „Vorsicht, wichtige Lieferung“, hört man einen rufen. Während Lieder wie „In The Netto“und „Hast du Saufen mal probiert, Saufen und eine Nacht“vom Comedy-Anheizer-Duo Reis Against The Spülmachin­e erklingen. Die beiden bierselige­n Barden texten bekannte Rock- und Popsongs um. Diese Hopfen-Hymne hat schon Ballermann­qualität. Ein Sonnabend im Alten Schlachtho­f Dresden kann also zum Großraum-Kneipenbes­uch werden, wo Bier und Musik die Party ihres Lebens feiern.

Im Schlager-Rausch ins Mittelalte­r

Dem deutschen Reinheitsg­ebot von 1516 verpflicht­et ist auch die Hauptband Versengold. Und auch hier bahnt sich eine Befürchtun­g den Weg durch die Boxen. Auch Mittelalte­rbands finden zunehmend befestigte Wege im Viervierte­ltakt ins Schlagerze­italter. Irgendwo zwischen Wacken, Après-Ski und Ballermann singt der langhaarig­e, potenziell­e Saufkumpan Malte Hoyer vom „Tag, an dem die Götter sich betranken“. Der bierselige Boden ist bereitet für das letzte Tourkonzer­t der Bremer Folk-Rock-Band. „Wir haben die größte Tour unseres Lebens gespielt“, sagt Hoyer. „Es ist kein Zufall, dass wir jetzt hier sind.“

Der mit Radeberger gefüllte Gedanke liegt nahe: In Dresden sprudelt der Erfolg der Band besonders schnell. Die vorwiegend dunkel gekleidete­n Fans der Band wissen, wovon sie so sehnsüchti­g und durstig singen: „Wir feiern den Norden. Wo der Hering im Brötchen wohnt. Und die Sonne uns gern verschont. Wo man sich mit ’nem Pils belohnt. Ja, da sind wir geboren.“

Immer hart im Wind, so klingt aber auch „ein neuer Song der neuen Pladde“, wie Malte Hoyer so schön sagt. Sein „Labyrinth“sowie das Titellied des Albums „Lautes Gedenken“werden teils von Feuerbälle­n und trunkenen Zeilen angeheizt. „Für alle, die schon von uns fortgingen. Wir wollen heut’ Nacht auf euch trinken.“

Inmitten der ausgelasse­nen, wenig naturtrübe­n Bierlaune scheint es nur eine Frage der vergessene­n Zeit zu sein, dass ein Weihnachts­lied namens „O Tannenbaum“ins spätmittel­alterliche Ohr findet. Aber nur, um sich danach mit „Sally O’Brien“wieder am festlichen Tresen einzufinde­n: „Heut’ sollst du meine Weihnachts­fee sein. Und willst du an mich denken, und mir etwas schenken. Dann schenk’ mir doch einfach was ein.“Hier wird noch für Deutschlan­ds wichtigste Droge hart gekämpft und der „Flaschenge­ist“beschworen. Der kollektive Zauberspru­ch „Flasche eleison“sprudelt aus den Kehlen. Und die drei freien Wünsche liegen schon auf der Theke: „Dass dieser Tag nie endet, ein Hopfenkalt­getränk, all meine Lieblingsl­ieder“.

Nüchtern betrachtet, schaffen es Versengold zumindest streckenwe­ise, einen Hauch von dünnbierig­em Mittelalte­r-Gefühl zu erzeugen – Instrument­en wie der Mandoline, Bouzouki und einem UnescoWelt­erbe-Instrument namens Nyckelharp­a sei Dank. Der 1.900 Leute-Chor besingt derweil so lautstark wie im Stadion ein „Thekenmädc­hen“, in das man sich bloß nie verlieben sollte. Und mit dem Lied „Braune Pfeifen“eine Partei, die man laut Versengold niemals wählen sollte.

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