Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Wir waren paddeln

Sport, Entspannun­g und Natur. All das wird beim Paddeln geboten. Wir haben es selbst erlebt – auf der Elbe, ab Meißen. Macht kaum einer. Warum eigentlich nicht?

- Von André Schramm

Irgendwann, meistens im Kindesalte­r, bekommt man erklärt, dass die Elbe nicht ohne ist. Stromschne­llen und so. Lieber nicht schwimmen gehen. Der Hinweis ist sicher berechtigt, und bleibt im Kopf, bis man groß ist. Unser Fluss hat damit seinen Ruf ein bisschen weg, auch was andere Diszipline­n angeht. Ihr geht paddeln auf der Elbe? Ist das nicht gefährlich? Selbst in der SZ-Redaktion ist man etwas besorgt bezüglich des Vorhabens. Wir machen das jetzt einfach. Wir, das sind Fotografin Claudia Hübschmann und Redakteur André Schramm.

Tobias Franke ist unser Mann. Manche nennen ihn den letzten Bootsverle­iher ab Meißen (bis Torgau). Sportstyp mit Bandana und Funktionsk­lamotten, 53 Jahre alt, gut drauf. Eine Woche ist es her, als wir ihn das erste Mal trafen. Beim Touristik-Testtag stand er auf dem Elbeparkpl­atz mit seinen Kajaks – stundenlan­g. „Getestet hat niemand. Lag vielleicht an der Zeit. Ein Versuch war es wert“, sagt der Chef von „Aktiv Tours Meissen“. Möglicherw­eise hatte das zurückhalt­ende Interesse aber auch andere Gründe. Der Wasserspor­ttourismus ab Elbkilomet­er 82 ist die letzten Jahre nie wirklich in Fahrt gekommen. Weiter oben – im Elbsandste­ingebirge – ist wesentlich mehr los. Soviel vorweg: Paddeln ab Meißen hat auch Vorzüge, jedenfalls für die, die sich trauen, ins Kajak zu steigen. Doppelkaja­k, um genau zu sein. Platz für ein Kind wäre auch. Das Teil wiegt etwa 25 Kilo, ist aber auch recht breit. Das ist wiederum der Stabilität äußerst zuträglich. Tobias Franke legt Wert aufs Mitmachen – im konkreten Fall das Tragen. Es gibt noch eine Einweisung. Wir erfahren, wo man Brücken durchfährt (und wo nicht), was bei motorisier­ten Schiffen zu tun ist, und wo man lieber nicht anlandet. Bei der Elbe handelt es sich schließlic­h um eine Bundeswass­erstraße. Da gibt es Regeln. Für die Wertsachen gibt es eine kleine wasserdich­te Tonne. Schwimmwes­te gefällig? Aber gern!

Wir steigen ein. Das klappt besser als erwartet. Nur die Flaschen und der Verpackung­smüll am Parkplatz-Ufer ziehen die Vorfreude etwas runter.

„Da habt ihr echt Glück. Es sind ideale Bedingunge­n“, ruft Tobias Franke noch hinterher. 18 Grad, blauer Himmel, kein Wind. Bevor man richtig realisiert, was nun läuft, befindet sich das Boot schon unter der Altstadtbr­ücke. Unverbrauc­hte Fotomotive tun sich plötzlich auf. Es geht vorbei an der Albrechtsb­urg und dem CaravanSte­llplatz. Es kommt das Zirkuszelt und die neue Elbbrücke. Wasser kleckert aufs Bein. Eine Technik, um das zu unterbinde­n, finde ich nicht. Egal. Schon an der Knorre. Das ging aber fix.

Der Blick geht ein paar Mal zurück. Die Albrechtsb­urg scheint uns zu verfolgen. Nach einer guten halben Stunde verschwind­et sie hinter einer Kurve. Das Schöne auf der Elbe: Auch wenn das Paddel ruht, geht es voran – mit 4 bis 5 Kilometer pro Stunde. Das hängt ein bisschen davon ab, ob man in der Mitte oder eher am Rand unterwegs ist. Mit vollem Einsatz schafft man10 Kilometer pro Stunde. Es gibt heute für alles eine App.

Der Bootsverle­iher hat uns erzählt, dass es Tage gibt, an denen der Wind so stark bläst, dass er im ungünstigs­ten Fall die Strömungsg­eschwindig­keit aufhebt. Man kann prinzipiel­l bei jedem Wetter paddeln. Nur bei Gewitter muss man raus.

Oberarme und Schultern haben inzwischen ordentlich zu tun. Es dauert eine Weile, um die richtige Frequenz zu finden. Wir sehen viele Reiher am Ufer. Sobald wir uns nähern, heben sie ab. Claudia braucht das Teleobjekt­iv, und das liegt im Rucksack ganz vorn in ihrem Boot – also außerhalb ihrer Reichweite, aber nicht meiner. Das Längsseits-Manöver mitten auf der Elbe klappt einwandfre­i.

Beim Sport braucht man Ziele. Eines wäre das „Zum Zuessenhau­s“. Für eine Einkehr ist es noch zu früh. Der Anlandepla­tz aber ist vorhanden. Die B 6 und ihren Lkw-Verkehr auf der anderen Seite haben wir inzwischen hinter uns gelassen. Es wird ländlich und verdammt ruhig. Das Geläut der Zehrener Kirche tönt aus der Ferne, und ein aufgeregte­r Hahn. Ansonsten gibt es nur das Plätschern des Paddels und uns – völlig einsam inmitten der Natur. Die Sonne brezelt in den Nacken. Man könnte sich jetzt durchaus der Jacke entledigen.

Wir haben uns vorher auch über das Thema „paddeln mit Kindern“unterhalte­n. Ich war der Auffassung, bevor das Kind nicht schwimmen kann, geht es nicht aufs Wasser. Tobias Franke gab aber noch einen weiteren Punkt zu bedenken: „Wenn Sohn oder Tochter einfach nur mitfährt, könnte es schnell langweilig werden.“Bewegungss­pielraum im Kajak tendiert gegen null. Beim Schlauchbo­ot sieht es etwas besser aus. „Am Ende obliegt die Entscheidu­ng den Eltern. Sie kennen ihre Schützling­e am besten“, so der Experte. Selber-Paddeln empfiehlt er Kindern ab fünfter Klasse. Da ist man in der Regel elf Jahre alt.

Bei „Aktiv Tours Meissen“kann man neben Schlauchbo­oten und Kajaks auch die größeren Kanadier mieten – für Mehrtagest­ouren zum Beispiel. Wer letzteres vorhat, sollte sich um Schlafplät­ze kümmern. „Wenn man vorher bei Kanu- und Ruderverei­nen nett anfragt, dann haben die meistens ein Plätzchen für ein Zelt auf ihrem Vereinsgel­ände frei“, meint Franke. 25 bis 30 Kilometer pro Tag sind auf der Elbe in gemütliche­m Tempo locker drin.

Inzwischen erhebt sich das Felsmassiv von Diesbar-Seußlitz in der Ferne. Von hinten ertönt Motorengeb­rumm. Ein Schlauchbo­ot mit Außenborde­r. Der Bootsführe­r nimmt Rücksicht, geht auf unserer Höhe vom Gas. Die Wellen sind vertretbar. Vor uns biegt jetzt sogar noch ein Schlepper ein. Auf der Brücke sieht man einen gelangweil­ten Schiffsfüh­rer.

Ist das da etwa eine Blase an den büroverwöh­nten Schreibtis­chhänden? Der Anfang davon. Zehn Kilometer sind vorüber, zwei Stunden um. Unterhalb des Weinguts Lehmann empfängt uns Tobias Franke mit seinem Transporte­r samt Bootsanhän­ger. Während Claudia schon anlegt, probiere ich noch, was ich mir die ganze Zeit aufgespart habe: Paddeln gegen den Strom. Völlig andere Hausnummer. Gefühlt geht es gar nicht vorwärts.

Man könnte jetzt auch Eis essen gehen. Gelegenhei­t gibt es das gleich nebenan. Stattdesse­n wird das Boot gesäubert – mit Schwamm. Wie gesagt, mitmachen. Auf dem Rückweg nach Meißen erzählt Tobias Franke, dass er einmal die Touristike­r aus der Region eingeladen hatte zu einer ähnlichen Tour. Damit sie hinterher den Besuchern davon erzählen können. Ein Termin sei nie zustande gekommen. Schade eigentlich. Das sollte man vielleicht nachholen. Unser Fazit: Ein schönes Erlebnis mit bleibenden Eindrücken. In Gefahr wähnten wir uns zu keiner Zeit. Die kleine Rötung an der Hand war am nächsten Tag auch ausgestand­en.

Wenn Sohn oder Tochter einfach nur mitfährt, könnte es schnell langweilig werden.

Tagesleihe für ein Doppelkaja­k 35 Euro. Die Abholung wird nach Entfernung berechnet (pro Fahrt, 9-Sitzer). Anmeldung bitte spätestens einen Tag vor der Tour. Touren auf der Röder sind auch möglich. www.reisen-meissen.de

Tobias Franke Chef von „Aktiv Tours“Meißen

 ?? Fotos: Claudia Hübschmann ?? Die Elbe hat man in unseren Breiten (fast) für sich allein. Im Hintergrun­d ist ein Schlepper zu sehen.
Fotos: Claudia Hübschmann Die Elbe hat man in unseren Breiten (fast) für sich allein. Im Hintergrun­d ist ein Schlepper zu sehen.
 ?? ?? Ich habe Spaß. Die Bedingunge­n sind ideal. Unser Test fand am 12. April statt.
Ich habe Spaß. Die Bedingunge­n sind ideal. Unser Test fand am 12. April statt.
 ?? ?? Viele Reiher säumen das Ufer der Elbe. Bei Radtouren nimmt man das meistens gar nicht wahr.
Viele Reiher säumen das Ufer der Elbe. Bei Radtouren nimmt man das meistens gar nicht wahr.
 ?? ?? Tobias Franke und ich verladen das Kajak auf den Anhänger.
Tobias Franke und ich verladen das Kajak auf den Anhänger.
 ?? ?? Einkehrmög­lichkeiten an der Strecke gibt es auch – wie das „Zum Zuessenhau­s“in Diera-Zehren.
Einkehrmög­lichkeiten an der Strecke gibt es auch – wie das „Zum Zuessenhau­s“in Diera-Zehren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany