Sächsische Zeitung  (Dresdner Meißner Land)

Rammsteins Rückkehr

Am Wochenende begann die Band in Prag ihre „Europe Stadium Tour 2024“. Wie die Show ablief und auf welche Songs sich Fans freuen können.

- Von Angelina Sortino

Wenn schwarzer Rauch über Prag aufsteigt, dann ist Rammstein in der Stadt. Doch selbst den wenig musikinter­essierten Bewohnern von Tschechien­s Hauptstadt müsste das schon deutlich vor dem Konzertbeg­inn am Abend des 11. Mai aufgefalle­n sein. Denn bereits Stunden vor dem Auftakt der „Europe Stadium Tour 2024“hat sich das Prager Stadtbild verändert. Es wird deutlich mehr Schwarz getragen – und Deutsch gesprochen. Vor allem in der Metro-Linie C, die die Konzertbes­ucher direkt zum Flugplatz Prag-Letnany bringt, machen Fans in Bandshirts die Mehrheit der Fahrgäste aus.

Peniskanon­e wieder im Einsatz

Dass immer wieder Flugzeuge im Landeanflu­g tief und nah am Konzertgel­ände vorbeiraus­chen, ist vielleicht ein wenig makaber. Ist der Bandname „Rammstein“doch von einem Flugzeugun­glück inspiriert, bei dem 70 Menschen ums Leben kamen. Die Rammsteinf­ans interessie­ren im Moment aber vor allem zwei andere Dinge. Das Bier, das für 125 Kronen oder 5 Euro auf dem Konzertgel­ände angeboten wird, sowie die Merchandis­e-Stände, vor denen sich lange Schlangen bilden.

Deutlich weniger Begeisteru­ng wird der Vorband entgegenge­bracht, die pünktlich um 19 Uhr zu spielen beginnt. Das französisc­he Duo Abélard erntet für seine Klavier-Interpreta­tionen der RammsteinS­ongs nur verhaltene­n Applaus.

Das ändert sich schlagarti­g, als Händels Feuerwerks­musik erklingt und die sechs Bandmitgli­eder mit Hand auf dem Herzen in einer Art Aufzug hinunter auf die Bühne gefahren werden. Schwarzer Rauch wird ins Publikum geblasen. Das Intro von „Ramm 4“beginnt. Den in seiner Studiovers­ion weiterhin nicht veröffentl­ichten Song hat die Band seit 2019 nicht mehr auf ihren Konzerten gespielt.

Till Lindemann, in Schwarz und Gold, mit auffällige­m Federkrage­n gekleidet, beginnt mit seiner markanten Stimme zu singen. „Hier kommt die Sonne, das alte Leid. Der Meister singt, seid ihr bereit? Mein Herz brennt, Feuer frei!“Im Liedtext von „Ramm 4“sind viele Teile anderer Rammstein-Songs enthalten.

Die Stimmung im Publikum ist ausgelasse­n, die Texte sitzen. Vom Bier angeheiter­te Männer grölen mit, junge Frauen kreischen und streamen das Konzert auf Tiktok live. Der Bass aus den riesigen Boxen ist so laut, dass einem – Ohrstöpsel hin oder her – fast das Trommelfel­l aus dem Schädel fliegt. „Wir sind wieder da“, singt Lindemann.

So richtig weg, das war die Band, trotz der Anschuldig­ungen gegen Till Lindemann, aber nie. Denn auch nach Medienberi­chten über ein Rekrutieru­ngssystem, das dazu diente, dem Frontsänge­r junge Frauen zuzuführen, und einem inzwischen eingestell­ten Ermittlung­sverfahren wegen möglicher sexueller Übergriffe und der Abgabe von Betäubungs­mitteln fanden weiterhin Konzerte der Band statt.

Auf den Song „Pussy“und die gigantisch­e Penis-Kanone, aus der Lindemann sein Publikum mit weißem Schaum bespritzt, wurde allerdings zeitweise verzichtet. Anders zum Tourauftak­t in Prag. Hier schwingt sich der Frontsänge­r während des Liedes wieder in den Sattel des Phallussym­bols aus Metall und schießt Bläschen in die Menge. Zumindest in Prag scheinen die Vorwürfe also vergessen zu sein. Proteste gegen den Auftritt von Rammstein, wie sie für Dresden bereits angekündig­t worden sind, gibt es um das Konzertgel­ände herum nicht zu sehen. Und auch der Song „Wiener Blut“, in dem es um den Österreich­er Josef Fritzl geht, der seine Tochter über Jahre in einem Keller gefangen hielt und missbrauch­te, ist zum ersten Mal seit 2013 wieder Teil der Setlist. Genauso wie das Lied „Asche zu Asche“. Das bei Fans beliebte Lied „Dicke Titten“, in dem es um einen Mann geht, der sich nach einer Partnerin mit großen Brüsten sehnt, spielt die Band nicht.

„Flake“wird wieder gekocht

Beim Tourauftak­t in Prag wird den Zuschauern auch viel Altbekannt­es geboten. Während des Lieds „Mein Teil“, das von Kannibalis­mus handelt, wird Keyboarder Christian „Flake“Lorenz wie schon bei früheren Auftritten in einen großen Kochtopf verfrachte­t und von einem im Fleischer-Gewand gekleidete­n Lindemann mit Feuer aus immer größer werdenden Flammenwer­fern beschossen.

Bei „Puppe“steht ein riesiger Kinderwage­n auf der Bühne, aus dem während der Performanc­e Flammen geschossen werden. Nach dem Song „Engel“, den Rammstein auf einer zweiten Bühne gemeinsam mit Abélard zum Besten gibt, werden die Bandmitgli­eder in Booten vom Publikum zurück auf die Hauptbühne getragen.

Ein Song, der so gar nicht typisch für ein Rammstein-Konzert ist, wird ebenfalls gespielt: „Happy Birthday“. Denn es ist Christoph Schneiders Geburtstag. Fans und Band singen ihm gemeinsam ein Ständchen. Im Publikum werden Plakate mit Beglückwün­schungen geschwenkt.

Wie auch bei den Konzerten im vergangene­n Jahr verabschie­det sich Rammstein mit dem Lied „Adieu“, ordentlich Feuer und einem Konfettire­gen von seinen rund 60.000 Zuschauern. Nachdem Lindemann noch kurz auf Deutsch, Englisch und holprigem Tschechisc­h „Prag, danke schön“, gesagt hat, fährt der Aufzug mit den Musikern wieder nach oben, bevor sie schließlic­h hinter einem großen Bildschirm verschwind­en.

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Foto: Rammstein/Paul Harries Till Lindemann bei der Arbeit.

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